Besetztes Haus in Athen: „Villa Amalia“ geräumt
Die Polizei räumt das 22 Jahre lang besetzte und legendäre Gebäude in Athen. Dadurch wird die „Villa Amalia“ zum Politikum in Griechenland.
ATHEN taz | Seit 22 Jahren war die imposante „Villa Amalia“ in der Athener Innenstadt besetzt. Im verlassenen Bürgerhaus haben wechselnde Besetzer nach eigenen Angaben einen nicht kommerziellen, selbst organisierten Freiraum schaffen wollen.
Die „Villa Amalia“ besteht aus zwei verschiedenen Bürgerhäusern, die beide 1862 errichtet und zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammengelegt wurden. Der Architekt der Häuser war Ernst Ziller aus Sachsen, der das „neuklassizistische Athen“ des 19. Jahrhunderts wie kein anderer prägte. Die Villa diente anarchistischen und autonomen Gruppen als Treffpunkt. Die „Szene“ führte hier Kultur- und Informationsveranstaltungen durch.
Aus Sicht der Behörden war dies ein klarer Rechtsbruch, der allerdings von allen griechischen Regierungen der letzten 20 Jahre toleriert wurde. Nun soll endgültig Schluss sein: Am Mittwoch stürmte die Polizei das Haus an der vielfrequentierten Acharnonstraße und nahm 100 Besetzer fest.
Es war die zweite Räumungsaktion in der „Villa Amalia“ innerhalb weniger Wochen. Kurz vor Weihnachten hatten die Beamten das Haus schon einmal vorübergehend geräumt. In den Morgenstunden des Mittwochs kamen die Besetzer zurück, brachten die Villa erneut unter ihre Kontrolle und hängten am Balkon Plakate auf mit der Ansage „Besetzung für immer“. Stunden später schlug die Polizei zurück.
Besuch beim Premier
Dadurch wird die „Villa Amalia“ zum Politikum in Griechenland. Die Linksopposition wirft der Koalitionsregierung eine „Repressionspolitik“ vor, die von den tatsächlichen Problemen des Landes ablenken soll. Die Konservativen meinen, dass die Linke die „Gewalt“ der Besetzer toleriere und gezielt fördere.
Die autonome „Szene“ protestierte scharf gegen die Räumungsaktion und wurde sogar beim Ministerpräsidenten vorstellig: Am Mittwochnachmittag blockierten 200 Demonstranten den Eingang des Finanzministeriums, in dem der Regierungschef eine Pressekonferenz über Investitionsanreize anberaumt hatte.
Nur unter Polizeischutz konnte Samaras das Gebäude betreten, sein Pressetermin begann mit deutlicher Verspätung.
Zuvor stürmten Autonome die Parteizentrale der „Demokratischen Linken“, die als Juniorpartner in der Koalition unter Samaras agiert. Die Polizei war sofort zur Stelle, doch Parteichef Fotis Kouvelis bat die Beamten in einer einmaligen Aktion, nicht einzuschreiten und appellierte an die Besetzer, das Bürohaus zu verlassen. Für die nächsten Tage werden neue Proteste erwartet.
Lesen gegen das Patriarchat
Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ergebnis der Sondierungen
Auf dem Rücken der Schwächsten
Krieg im Nahen Osten
Definitionsmacht eines Genozids
Frauen und Krieg
Krieg bleibt männlich
Schwarz-Rote Finanzen
Grüne in der Zwickmühle
Verhandlungen mit den Grünen
Und was ist mit dem Klima?
Protestaktion gegen CDU-Chef Merz
Alle Tassen im Konrad-Adenauer-Haus?