Besetzer*innen über Flinta*-Raum: „Wir haben einen Nerv getroffen“
Aktivist*innen möchten in der Bremer Dete einen Raum für Frauen, Lesben, Inter-, non-binäre, Trans- und a-Gender-Personen (Flinta*) schaffen. Warum?
taz: Warum braucht Bremen einen Raum für Frauen, Lesben, Inter-, non-binäre, Trans- und a-Gender-Personen, kurz: Flinta*?
Lotta: Dass sich eine Gruppe von Menschen zusammentut und viel Zeit, Energie und Nerven darauf verwendet, einen solchen Raum zu schaffen, ist doch der Beweis dafür, dass es einen solchen Raum braucht!
Annika: Hier gibt es sowieso zu wenig Kulturräume, vor allem aber keine eigenen Räume nur für Flinta* und auch nur sehr wenige Veranstaltungen für sie. Für Inter- und non-binäre Personen gibt es überhaupt keine Angebote.
In den letzten Wochen wurden Sie mehrmals angegriffen.
Lotta: Es gab Schmierereien, es wurden Böller geworfen und es wurde eine FDP-Fahne draußen an die Dete gehangen.
Haben Sie eine Vermutung, wer dahinter steckt?
Annika: Es gibt es einige Anwohner*innen und andere Leute, die ein Problem mit uns haben und nicht kommunizieren wollen. Genau wissen wir es nicht, aber es gibt da irgendwie eine feindliche Haltung. Das zeigt ja schon, dass wir einen Nerv getroffen haben.
Haben alle Anwohner*innen ein Problem mit Ihnen?
Annika: Es gibt auch nach wie vor ganz viel Solidarität von Anwohner*innen und das ist sehr schön.
Die Dete liegt in der Bremer Lahnstraße. Bis 2012 beherbergte es das Einrichtungshaus Deters. Dessen Schriftzug verlor zwei Buchstaben: daher der Name.
Als Kultureinrichtungshaus Dete wurde sie von Oktober 2013 bis Juli 2014 zwischengenutzt: Sie beherbergte Ateliers, in den Räumen wurden Lesungen und Konzerte veranstaltet. Eigentümer Bremermann verlängert den Vertrag nicht. Die Folge: Leerstand.
Die „rosarote Zora“, eine anarchistische Flinta*-Gruppe, hatte die Immobilie am 9. Oktober 2020 in Beschlag genommen – eine Soli-Aktion nach der Räumung des besetzten Hauses Liebigstraße 34 in Berlin.
Nachdem Bremermann eine Räumungsklage zurückzieht, bildet sich ein weniger radikales Kollektiv, das, vermittelt über die Bausenatorin, mit dem Eigentümer über Möglichkeiten einer Zwischennutzung zum Aufbau eines Flinta*-Raums verhandelt. Die CDU hat im Dezember den vermeintlichen „Dialog mit Anarchistinnen“ zum Thema einer Aktuellen Stunde in der Bürgerschaft gemacht
Welchen Gefahren sind Flinta* in Bremen ausgesetzt?
Annika: Flinta* sind in einer patriarchalen Gesellschaft einer Vielzahl von Ausgrenzungs- und Gewalterfahrungen ausgesetzt, sei es durch Sexismus, Queer-Feindlichkeit oder Rassismus. Das kann ganz verschiedene Formen annehmen: Flinta* können sich nicht überall sicher fühlen, sie müssen Diskriminierungserfahrungen machen und können sich nicht so ausleben, wie sie möchten.
Lotta: Vielen Frauen in der Mehrheitsgesellschaft ist schon bewusst, dass sie unterdrückt und benachteiligt sind. Personen, die noch auf andere Arten diskriminiert sind oder politischen Minderheiten angehören, haben es aber noch viel schwerer in dieser Gesellschaft. Wir haben den Anspruch, all denen einen Platz zu geben.
Finden sich solidarisierende Männern auch irgendwo Platz?
Annika: Das ist auf jeden Fall ein schwieriges Thema. Wir bleiben dabei, dass das Haus selbst Flinta*-only ist, und dass auch nur Flinta* die Entscheidungen treffen. Wir freuen uns auch, wenn sich Cis-Männer solidarisch zeigen wollen. Aber es muss immer deutlich sein, dass das unser Raum ist und wir da keine Zugeständnisse machen.
Wo liegt der Fortschritt, wenn Cis-Männer kategorisch ausgeschlossen werden?
Lotta: Es geht erst einmal darum, dass es einen Raum gibt, an dem ich mich sicher fühle.
Die Aktivist*innen nennen sich Tommy, Annika und Lotta und sprechen für das Dete-Kollektiv.
Annika: Wir möchten einen Raum bieten für politische Plena, für Veranstaltungen und für den Austausch über Themen – der in einem Rahmen stattfindet, in dem die Leute sich offen äußern können und sich nicht durch cis-männliches Sprechverhalten dominiert fühlen müssen.
Tommy: Oft wird uns von Cis-Männern Ausgrenzung unterstellt. Aber es ist in dieser patriarchalen Gesellschaft wichtig, diesen Freiraum zu haben. Und wenn Cis-Männer an diesem kleinen Ort nun mehr oder weniger ausgegrenzt werden, ist das eine Erfahrung, die sie sonst so nicht machen müssen.
Wie dürfen Sie die Dete derzeit überhaupt nutzen?
Lotta: Zur Zeit findet keine Besetzung statt! Die Klage des Eigentümers wurde zurückgezogen. Er hat im Prinzip gesagt: Unsere Gruppe kann das Haus für ein Jahr nutzen, aber die Stadt muss sich darum kümmern. Gerade können wir uns also legal hier aufhalten und sind nun dabei, die Situation durch Gründung eines Vereins auf rechtlich stabile Füße zu stellen.
Wie stehen Sie zu finanzieller Unterstützung durch die Stadt?
Annika: Uns ist wichtig, dass wir uns nicht in unsere inhaltlichen Entscheidungen hineinreden lassen. Wir würden uns gerne selbst finanzieren können. Das ist gerade, auch aufgrund von Corona, nicht möglich. Insofern finden wir es auch okay, Fördergelder anzunehmen.
Was ist von der „rosaroten Zora“ und der ursprünglichen Besetzung übriggeblieben?
Annika: Wir sind ja nicht dieselbe Gruppe, sondern haben uns während der Besetzung auf der Straße zusammengefunden und danach das Haus übernommen.
Was unterscheidet Sie?
Annika: Im Gegensatz zur „rosaroten Zora“ haben wir den Weg gewählt, verhandeln zu wollen. Die „rosarote Zora“ hatte das abgelehnt. Wir können also nicht für sie sprechen.
Fühlen Sie sich von der Politik verstanden?
Lotta: Vor allem mit den Personen, mit denen wir gerade in Kontakt stehen, haben wir ein gutes Gesprächsklima.
Links organisierte Gruppen werden schnell mit gewaltbereit-anarchistischen Aktionen in Verbindung gebracht. Schadet das Ihrem Ruf?
Annika: Was ich bezeichnend finde: Akteure wie die CDU bringen uns lieber mit irgendwas in Verbindung oder halten sich an Sachen auf wie: „Da ist ein Bürgersteig nicht frei“ – anstatt sich um unsere Anliegen zu kümmern.
Tommy: Allerdings stehen wir unter ständiger Polizei-Beobachtung. Teilweise gibt es da auch willkürliche Aktionen wie Ausweis-Kontrollen.
Kritiker*innen sagen, dass man Ihnen den roten Teppich ausrolle, was unfair anderen gegenüber sei, die sich legal um einen Raum bemühen.
Annika: Ich finde das unfair und sehe nicht, dass wir den roten Teppich ausgerollt bekommen. Außerdem nehmen wir ja keiner anderen Gruppe irgendetwas weg.
Fühlen Sie sich von den Politiker*innen, mit denen Sie sprechen, instrumentalisiert?
Lotta: Natürlich hat Politik immer etwas mit Profilierung zu tun. Aber ich glaube auch, dass die Personen, mit denen wir sprechen, uns zuhören, uns verstehen und versuchen, gemeinsam mit uns auf eine Lösung hinzuarbeiten.
Wie organisieren Sie sich?
Annika: Wir haben ein großes Plenum, das die Entscheidungen trifft und einzelne Arbeitsstrukturen, die eigene Bereiche übernehmen.
Die Dete können Sie nur zwischennutzen – das ist keine langfristige Lösung.
Annika: Die Stadt hat uns zugesichert, mit uns gegebenenfalls einen anderen Raum zu suchen und zu finden. Die Vereinbarung besagt, dass dauerhaft ein Flinta*-Raum in Bremen geschaffen wird und das ist uns auch wichtig.
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