Beschützer des Regenwaldes: Der Amazonas dankt
Waldschutz ist eines der zentralen Themen der Weltklimakonferenz in Brasilien. Acht Beispiele, wie der in den Ländern Amazoniens aussehen kann
N och ist der Amazonas eine der wichtigsten CO2-Senken der Erde. Aber der Klimawandel setzt dem größten Regenwald der Welt zu – das sollen auch alle Teilnehmende der diesjährigen Weltklimakonferenz in Brasilien mit eigenen Augen sehen. Dürren, illegale Rodungen, Goldgräber und Brände zehren Stück für Stück an der grünen Lunge der Welt. Studien zeigen, dass sich die Region mittelfristig in eine Savanne verwandeln könnte, sollte der Raubbau an der Natur anhalten.
Wie kann Waldschutz also aussehen? Hier erzählen acht Journalist*innen aus Amazonien von Vorhaben, die den Regenwald in ihren Ländern schützen sollen – von Baumpatenschaften bis zu koordinierten politischen Angriffen auf fossile Ausbeutung.
Ecuador Wo kostbare Früchte Palmen retten
Schon immer hat Juana Cerda in der ecuadorianischen Amazonasregion die Frucht der Buriti-Palme – dort als Morete bekannt – geerntet. Doch erst seit etwa einem Jahr pflegen sie und andere Mitglieder ihrer Gemeinschaft diese heimische Palme auch. „Früher haben wir die Palme gefällt und komplett geerntet, aber jetzt bewahren wir sie und sammeln nur noch die Früchte“, erzählt die Kichwafrau aus Pastaza, der größten Provinz Ecuadors.
So wie die Gemeinschaft von Juana Cerda fällten auch zahlreiche weitere Gemeinschaften die Pflanze, um neben der Frucht auch die Chotacuros zu gewinnen – essbare Käfer, die in der Amazonasregion sehr geschätzt werden. Durch diese traditionelle Praxis ist der Bestand der Palme ernsthaft bedroht, die bis zu 15 Jahre braucht, um zu wachsen und zudem eine bedeutende Kohlenstoffsenke ist.
Pablo Valarezo ist Koordinator des Programms Economías del Bosque der Stiftung Pachamama, die das Projekt vorantreibt. Derzeit arbeitet sie mit den indigenen Gemeinschaften der Achuar, Sápara, Kichwa und Waorani am Erhalt von 50.000 Hektar Palmen.
Dabei war der Weg zum Wandel auch ein Prozess, der alternative Lebensstile geschaffen hat. „Es ist sehr schwierig, Erhaltungsmaßnahmen durchzuführen, wenn man keine wirtschaftlichen Chancen für die Bewohner schafft“, sagt Pablo Valarezo. Deshalb setzt die Stiftung auf nachhaltige Bioökonomie und die Vermarktung der Morete. Juana Cerdas Engagement schützt so nicht nur die heimische Art, es ist auch eine Chance, das Leben ihrer Familie zu verbessern. „Mit dem, was wir verdienen, kann ich meinen Kindern die Schulbildung ermöglichen“, sagt sie stolz. Ana Cristina Basantes
Peru Wo auch Giganten Unterstützung brauchen
Bis zu 60 Meter hoch kann der imposante Shihuahuaco im peruanischen Amazonaswald werden. Der Baum zeichnet sich durch sein hartes Holz aus, das in Europa auch als Cumarú bekannt ist. Es wird oft für luxuriöse Böden und Terrassen verwendet und das wird ihm zum Verhängnis: Die hohe kommerzielle Nachfrage der letzten Jahre hat den Baum in eine gefährdete Lage gebracht. Doch eine peruanische Initiative will den Shihuahuaco und andere Baumarten bewahren.
Seit 15 Jahren setzt sich die gemeinnützige Organisation Arbio aktiv für den Schutz Hunderter Bäume im Amazonas-Distrikt Las Piedras ein. Die Gegend ist stark betroffen vom illegalen Holzhandel und gehört zur peruanischen Region Madre de Dios, in der der illegale Goldabbau besonders konzentriert ist. Neben dem Shihuahuaco wachsen hier auch andere gigantische Baumarten, wie die Quinilla Colorada, die Manchinga und die Catahua, die zwischen 40 und 50 Metern hoch werden können.
Für den Schutz des Waldes arbeiten täglich vier bis fünf Fachleute vor Ort. Sie patrouillieren und überwachen mögliche illegale Abholzungen. Angesichts der Bedrohung durch illegale Holzernte teilen sie sich die Aufgaben. Außerdem bietet Arbio an, einen jahrhundertealten Baum, der vom illegalen Abbau bedroht ist, zu adoptieren – durch eine jährliche Spende, die je nach gewählter Baumart variiert.
„Mein Ziel ist es, dass Arbio ein Modell wird, das die Zivilgesellschaft und den privaten Sektor mit dem Thema Naturschutz und Forschung vereint: ein Brückenschlag zwischen dem Wald und dem, was dort passiert“, erklärt Tatiana Espinosa, die Gründerin der gemeinnützigen Organisation. Aramís Castro
Bolivien Wo natürliche Barrieren Brände verhindern
Als Kind erlebte Jesús Peña, wie Brände die Wälder seiner Heimatgemeinde Medio Monte und anderer Dörfer in Riberalta im bolivianischen Bundesstaat Beni verwüsteten. Viele Familien mussten ihr Land aufgeben, doch Peña, seine älteren Brüder und Freunde entschieden sich anders. Sie begannen, den Wald wiederherzustellen.
Im Jahr 2015 gründeten sie die Vereinigung junger Aufforster*innen in Aktion, die Asociación de Jóvenes Reforestadores en Acción (Ajora) – eine Organisation mit Jugendlichen aus fünf landwirtschaftlichen und einer indigenen Tacana-Gemeinde. Die ursprünglichen 63 Mitglieder lernten, wie sie natürliche Barrieren errichten, um Feuer zu stoppen und einheimische Arten wie Kastanienbäume und wildwachsenden Kakao zu schützen. Darüber hinaus pflanzten sie Hölzer und Fruchtbäume und kombinierten diese mit Kakaoplantagen und Bienenzucht für nachhaltige Einkommensquellen durch Agroforstwirtschaft.
Heute ist Jesús Peña mit 23 Jahren Präsident der Ajora und besucht regelmäßig die 30 Hektar wiederaufgeforsteten Wald, den er als Kind zerstört sah. „Wenn wir unseren Wald betreten, fühlen wir die frische Luft; ich bekomme Gänsehaut, wenn ich sehe, was wir erreicht haben“, sagt er stolz. Die 120 Mitglieder der Organisation, davon 60 Prozent Frauen, schützen rund 150 Hektar agroforstwirtschaftlicher Flächen, auf denen Schwanzaffen, Pavas (eine Art Wildtaube), Taitetús (Papageien) und andere Tiere leben.
Doch die Herausforderung bleibt. Immer mehr Waldfläche fällt Bränden und der Ausweitung der Landwirtschaft für die Viehzucht zum Opfer. Allein 2024 verlor der Bundesstaat Beni rund 348.000 Hektar Wald. Riberalta war besonders stark betroffen. Karen Gil
Brasilien Wo indigener Kaffee vor Raubbau schützt
Es war 2017, als die Mitglieder des indigenen Volkes der Paiter-Suruí die Genossenschaft Coopaiter gründeten. Sie war die erste im westbrasilianischen Bundesstaat Rondônia, die 2021 das Nationale Siegel für Familienlandwirtschaft (Senaf) erhielt. Seitdem darf sie ihre Produkte im ganzen Land und im Ausland vermarkten. Für den Waldschutz ist das viel wert. Wenn Indigene mit nachhaltiger Landwirtschaft in Amazonien Erfolg haben, können sie ihr Land besser vor Raubbau schützen und Vorbild für andere Gruppen sein, die nicht gegen, sondern mit dem Wald arbeiten wollen.
Du liest einen Text aus unserem Zukunfts-Ressort. Wenn Du Lust auf mehr positive Perspektiven hast, abonniere TEAM ZUKUNFT, den konstruktiven Newsletter zu Klima, Wissen, Utopien. Jeden Donnerstag bekommst du von uns eine Mail mit starken Gedanken für dich und den Planeten.
Derzeit umfasst die Genossenschaft 246 Mitglieder, die etwa 120 Familien aus 13 Hauptdörfern vertreten. Allein im Jahr 2023 produzierten die Mitglieder 6.000 Tonnen Paranüsse, 2.000 Säcke mit speziellem Amazonas-Robustakaffee und 54 Tonnen Bananen – Produkte, die Coopaiter international bekannt machten. Dabei half auch, als im April 2024 Celesty Suruí, die erste indigene Barista des Landes, dem brasilianischen Präsidenten Lula den indigenen Kaffee anbot. Ein „ausgezeichnetes Produkt“ nannte Lula ihn. „Dieser Moment war sehr wichtig, denn wir haben bewiesen, dass die Genossenschaft die Produktion von Kaffee, Nüssen und Familienlandwirtschaft vorantreibt“, sagte die Produktionsleiterin, Elisângela Dell-Armelina Suruí.
Als Nächstes will Coopaiter die gesamte Produktionskette des Kaffees vervollständigen: „Heute verkaufen wir die rohen Bohnen an Röstereien, aber wir sind bereits dabei, Anlagen zum Rösten und Mahlen des Kaffees hier vor Ort zu installieren“, sagt die Managerin. „Wir wollen unser eigenes Produkt mit der Identität und Kraft des Volkes der Paiter-Suruí herstellen, verarbeiten und verkaufen.“ Felipe Corona
Suriname Wo Indigene mit Satellitenbildern über den Wald wachen
Wie eine dicke Decke in verschiedenen Grüntönen bedeckt unberührter Wald mehr als 90 Prozent der Landfläche Surinames. Der Erhalt dieses Waldes ist nach Ansicht der indigenen Völker und der Maroons, den Nachkommen versklavter Afrikaner, ihr Verdienst: Sie nehmen nur das aus dem Wald, was sie brauchen.
Bis heute dauert ihr Kampf um Selbstbestimmung an. „Wir teilen den Wald gerade in Zonen“, sagt Hugo Jabini, Mitglied der Saamaka-Maroons. So wollen sie ihr Territorium schützen. Die Saamaka bestimmen, wo Ackerflächen entstehen dürfen und wo gejagt werden darf. „Wir kartieren die heiligen Stätten und den verbliebenen Primärwald; niemand darf diese Gebiete betreten und dort dürfen keine Bäume gefällt werden“, sagt Jabini.
Dieser Ansatz beginnt ein neues Kapitel in einem Kampf, den die Saamaka seit den 1960er Jahren führen. Damals wurde ein Gebiet größer als die Insel Rügen geflutet, um einen Staudamm zu bauen. Die Saamaka wurden zwangsweise umgesiedelt, immer mehr Holzkonzessionen wurden in ihrem Gebiet vergeben. Die Saamaka reichten eine Klage beim Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte ein und gewannen. Surinames Regierung wurde aufgefordert, die Saamaka als Volk anzuerkennen und ihnen ihre Rechte auf ihr angestammtes Land zuzugestehen.
„Aber die Regierung hat sich nicht an das Urteil gehalten“, sagt Hugo Jabini. Mittlerweile sind etwa 32 Prozent des 1,4 Millionen Hektar großen Waldgebiets für Holz- oder Bergbaukonzessionen vorgesehen. Durch die Kartierung wollen die Saamaka den Naturschutz und die Nutzung ihres Landes selbst in die Hand nehmen. Weshalb Saamaka-Jugendliche zuletzt auch darin geschult werden, Satellitenbilder zur Überwachung ihres Waldes zu nutzen. Euritha Tjan A Way
Empfohlener externer Inhalt
Guyana Wo der Zweizonenwald den Holzschlag beschränkt
Mitten im Herzen von Guyana, in Iwokrama, werden Bäume gefällt. Nur von oben sieht man es nicht – die Baumkronen bleiben unberührt.
Das Iwokrama-Schutzgebiet erstreckt sich über 371.000 Hektar tropischer Wildnis und wurde gegründet, um die nachhaltige Nutzung des Waldes zu demonstrieren. Dafür ist dieser in zwei Zonen unterteilt: das Wildnisreservat, das völlig unberührt bleibt, und das Gebiet der nachhaltigen Nutzung, in dem verantwortungsvoll Holz geschlagen wird. Hier werden nur drei bis vier Bäume pro Hektar gefällt, und jedes Areal wird sechzig Jahre lang sich selbst überlassen, bevor es erneut genutzt wird.
„Das Iwokrama-Modell bringt Menschen, Wissenschaft und Wirtschaft zusammen, um eine nachhaltige Nutzung der Waldressourcen zum Wohle der Menschheit zu entwickeln. Und das in einer Zeit, in der die Welt jedes Jahr Millionen Hektar tropischer Wälder verliert“, sagt Dane Gobin, Leiter des Projekts am Internationalen Zentrum Iwakroma für Regenwaldschutz und -entwicklung. Und Raquel Thomas, dort als Direktorin für Ressourcenmanagement und Training tätig, ergänzt: „Zu unserer Arbeit gehört auch die Anerkennung traditionellen Wissens, im Zusammenspiel mit westlicher Wissenschaft.“
So werden Tausende Indigene aus zwanzig umliegenden Gemeinden an den Gewinnen beteiligt. Sie treffen außerdem Entscheidungen zur Bewirtschaftung und profitieren von Arbeitsplätzen in Forschung, Tourismus und Forstwirtschaft. Neil Marks
Kolumbien Wo Erdöl und Gold im Wald bleiben sollen
Auf 483.164 Quadratkilometern soll das kolumbianische Amazonasgebiet eine Schutzzone für Naturressourcen werden – das ist mehr als die gesamte Fläche von Deutschland. Bisher ist die Verordnung lediglich ein Entwurf der Regierung, mit der sie den Abbau von Bodenschätzen und die Förderung von Öl und Gas im gesamten Amazonasgebiet des Landes stark einschränken wollen.
So sollen künftig weder Gold, Kupfer oder Silber abgebaut, noch Öl und Gas gefördert werden. „Die Bergbau- und Ölindustrie richtet nicht nur direkte und sofortige Schäden an, sondern verursacht auch langfristig negative Veränderungen im Amazonasgebiet“, heißt es im Entwurf.
Hohe Ziele – dass das alles so umgesetzt wird, daran zweifelt Ingry Mojanajinsoy noch. Für die indigene Vertreterin aus der Amazonasregion wäre es „ein Wunder“, wenn der Vorschlag tatsächlich zum Gesetz würde, auch wenn sie ihn für richtig hält. „Unser Land ist da, um es zu schützen und darin zu leben, nicht, um es auszubeuten. Wir haben andere Arten von Wirtschaft, die uns ein besseres Leben ermöglichen“, sagte Mojanajinsoy.
Der Vorschlag der kolumbianischen Regierung reiht sich ein in eine Liste von Forderungen vieler indigener Völker im Amazonasgebiet: Der Regenwald soll frei von fossilen Brennstoffen sein. Nun hoffen diese Gemeinschaften, dass die Verordnung durchkommt – und dass sich während der Weltklimakonferenz weitere Amazonasstaaten anschließen. Esteban Tavera
Venezuela Wo aus Verwüstung Naturschutzlabore wachsen
Die Höfe ihrer Häuser, dort wo zuvor der Wald zerstört worden war, hat die Gemeinde Kuy Yeremepö in Naturschutzlabore verwandelt. Porokata – „Hof“ in der Sprache der Pemón-Indigenen – ist der Name des Projekts in der abgelegenen Savanne Gran Sabana im Bundesstaat Bolívar, das alte Aufforstungspraktiken wiederbelebt und in den Alltag integriert.
Das Projekt haben 2012 lokale Lehrer ins Leben gerufen. 2017 begannen die Gemeinden unter der Leitung des Agronomen Cleto Javier Ramírez und des Zentrums für Agrarökologie Kuy Yeremepö, die alten Conucos – Anbauflächen in Wäldern oder an Flussufern, die abgeholzt und abgebrannt werden mussten – durch Porokata zu ersetzen. Es entstanden Gärten, in denen sie Baumschulen mit einheimischen Arten, Pilzsymbiosen, Biodüngern und stickstoffbindenden Hülsenfrüchten kombinieren, wodurch fruchtbarere und nachhaltigere Böden entstehen. Das verlief nicht ohne Startschwierigkeiten, aber als die Gärten dann mal wuchsen, seien die Gemeinden begeistert gewesen, erinnert sich Ramírez.
Heute sind die Gärten Teil von Umweltkorridoren, die von Frauen und jungen Studenten geleitet werden. „Unser angestammtes Gebiet ist heilig: Jedes Lebewesen hat einen Geist, und die Erde hat ihren eigenen Lebensgeist“, sagt Luis Carmelino, Anführer der Gemeinde Kuy Yeremepö.
Und es lohnt sich. Noch im Jahr 2024 verlor Satellitenbildern zufolge der venezolanische Bundesstaat Bolívar 61.100 Hektar Wald. Inmitten dieser Verwüstung pflanzt die Gemeinde 350 einheimische Arten und verwandelt ehemals karge Höfe in Grünflächen. „Wir haben bereits Ernten eingebracht und die Vögel sind zurückgekehrt“, freut sich auch Crismar García, die zweite Anführerin. Liliana Rivas
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert