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Berlins Regierender BürgermeisterWowereit will zurücktreten

Er hat schon viele Krisen ausgesessen. Nun will Klaus Wowereit sein Amt zum Jahresende abgeben. Die Grünen fordern eine Neuwahl.

Will wohl nicht mehr Berlins Regierender sein: Klaus Wowereit. Bild: dpa

BERLIN dpa/taz | Nun schafft er also doch noch den Absprung: Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) will zum Jahresende zurücktreten. Er stelle seinen Posten zum 11. Dezember zur Verfügung, kündigte der dienstälteste Landesregierungschef am Dienstag an. „Ich gehe freiwillig“, sagte der 60-Jährige. Die Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen. Jedoch habe die Diskussion in seiner eigenen Partei um seine Person der Regierungsarbeit geschadet. Aus der aktiven Politik werde er aussteigen.

Mit dem Rücktritt endet für Berlin auch eine Ära: Klaus Wowereit regiert in Berlin seit 2001. Zunächst war er äußerst beliebt: Wowereit zehrte vom erfolgreichen Putsch gegen die abgewirtschaftete CDU und von seinem „Gut so“-Outing, gab den Regierenden Partymeister und machte aus Berlin eine internationale Marke, „arm, aber sexy“.

Nach außen hin trat er locker auf, innerhalb des Senats zog er einen strikten Sparkurs durch. Er arbeitete an der Konsolidierung des Haushalts, tatsächlich gab es auch so etwas wie einen leisen wirtschaftlichen Aufschwung.

Mit dem Projekt BER legte er als Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft jedoch eine komplette Bruchlandung hin. Seit der verpatzten Eröffnung, die auch nach Jahren noch nicht absehbar ist, sinken die Umfragewerte für Wowereit. Er, lange beliebtester Politiker der Stadt, landete beim monatlichen Ranking im August unter Landespolitikern auf dem glorreichen 16. und damit letzten Platz – noch hinter dem Fraktionschef der Piraten. Auch den Volksentscheid zum Tempelhofer Feld verlor Wowereits Senat, was zum einen am Widerstand gegen eine Bebauung lag, zum anderen aber auch als Klatsche für den Senat zu verstehen war.

Wie es ohne Wowereit im Roten Rathaus weitergeht, ist unklar. Innerhalb der Berliner SPD hat sich bislang niemand als Kronprinz eindeutig durchsetzen können. Als aussichtsreicher Kandidat wird der SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß gehandelt. Auch der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh, Stadtentwicklungssenator Michael Müller sowie Arbeitssenatorin Dilek Kolat sind immer wieder Gespräch.

Aus Sicht der Grünen müsste es nach einem Rücktritt Wowereits eine Neuwahl geben. Angesichts der „holprigen“ rot-schwarzen Koalition dürften nicht SPD und CDU entscheiden, wie es weitergeht, sondern die Berliner selbst, forderte die Fraktionsvorsitzende der Berliner Grünen, Ramona Pop, am Dienstag. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für Neuwahlen.“

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13 Kommentare

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  • Bei der letzten Wahl hätte es noch zu einer Koalition ohne CDU gereicht. Sofortige Neuwahlen hätten nun die gleiche "große" Koalition zur Folge, mit einem Law-and-Order-Henkel als Bürgermeister und einer Junior-SPD als willenlose Pudel. Wollen die Grünen das? Grüne und Linke hätten vielleicht ein bis zwei Sitze mehr -ohne Regierungsoption. Die Piraten würden gedrittelt und die AFD in gleicher Größe reingewählt.

  • Warum denn erst zum Jahresende? Er will doch hoffentlich nicht noch ein größeres Projekt in Angriff nehmen. "Zunächst war er äußerst beliebt", erinnert mich doch sehr an Ole von Beust in Hamburg. "Beliebt" vielleicht im Lions Club und der Party- und Schwulenszene. Als Ole's Elbphilharmonie nicht mehr zu stoppen war und die Grünen allzusehr rumnervten, zog er sich 'überraschend' ins Privatleben zurück.

    Der SPD in Berlin wird es jetzt nicht anders gehen als der CDU seinerzeit in Hamburg. Wowi und die SPD haben fertig - also schnell abziehen, bevor die Kacke richtig dampft.

    • @Rainer B.:

      Warum erst zum Jahresende? Hmmm... vielleicht wird der Pensionsanspruch dann höher?

  • "Aus Sicht der Grünen müsste es nach einem Rücktritt Wowereits eine Neuwahl geben."

    Unbedingt!

     

    Ansonsten könnte die SPD ja auch noch in Versuchung geraten, die Stelle auszuschreiben und einen fachlich noch inkompetenteren, primär partyfesten Kandidaten (oder Kandidatin) aus z.B. den Reihen des CSD oder einen Türsteher einer Disko zum Häuptling Berlins zu ernennen.

    Entgegen solchen Statements wie: "dieser Mann hat nichts geleistet", ist richtigstellend in Stein einzumeißeln, dass Wowereit m.M.n. einer der größten Versager als Bürgermeister einer deutschen, hier leider auch noch der Haupt-Stadt des Landes ist und sich offenbar noch heute auf der Pressekonferenz nicht entblödet zu behaupten, dass eine seiner "größten Niederlage die nicht rechtzeitige Eröffnung des BER ist" – Einsicht hörte sich anders an! Und: "Niederlage"?! Gegen wen hatte Wowereit denn zu kämpfen ausser gegen seine Inkompetenz, Arroganz und die seiner Mitstreiter?

    Fakt ist, dass der BER nie wirtschaftlich betrieben können wird und ein dauerndes Milliarden-Loch für Steuergelder ist und sein wird, ohne dass absehbar wäre, dass irgend jemand zur Rechenschaft gezogen werden wird für die absolut inkompetente Planung jenes seit der ersten Stunde (Baubeginn 2006); Ein Inbetriebnahmetermin des bereits heute zu klein geratenen, nicht erweiterbaren Flughafens ist nach wie vor nicht absehbar. Gerade diese BER-Ruine hat das Ansehen der Deutschen Wirtschaft, insbesondere dessen Ingenieurwesens im Ausland auf unabsehbare Zeit nachhaltig beschädigt! Die Ernennung des immer wieder herrisch durch die Gänge der Ruine kläffenden, ehemaligen Bahn-Chefs Mehdorn zum Flughafenchef ist dabei dann nur noch eine wirklich lachhafte Komplettierung des BER-Versager-Gruppenbildes.

  • ...und das ist gut so!

  • ZU SPÄT

    das wäre gleich nach dem "flughafen desaster comming out" fällig gewesen - so hat die pfeife viele wählerstimmen ins lager der cdu gespielt, die die bankenkriese zu verantworten hatte - man kann alle in einen sack stecken und draufhauen, es trifft immer den richtigen

  • D
    D.J.

    Meine Güte, was waren das für große Namen: Ernst Reuter, Willy Brandt, v. Weizsäcker. Ende der 80er begann der personelle Abstieg. Aber ein Saleh lässt hoffen, dass mit Wowi die Talsohle erreicht war. Fragt sich freilich, ob die SPD nicht zu ängstlich ist, jemanden mit muslimischen Wurzeln aufzustellen. Ich jedenfalls bevorzuge hundertfach einen säkularen muslimischen Demokraten, der um Integrationsprobleme weiß und sie klar anspricht, als feige, opportunistische Typen (bzw. einfach nur Dummköpfe), die diejenigen denunzieren, die dies tun.

  • Kaum zu glauben: Wowereit hat mal 'ne vernünftige Idee!

  • Es wurde auch langsam mal Zeit!

  • Wird zeit das der abfliegt, ach nein, fliegen ist ja nich. Zumindest nich in seinem BER.

  • Außer Sprüchen hat dieser Mann nichts geleistet.

     

    Ich bin schwul, und das ist gut so!

     

    Berlin ist arm aber sexy!

     

    Wowereit geht, aber warum ist er überhaupt gekommen?

    • D
      D.J.
      @Holzschnitt:

      Warum sollte ich etwas gegen den ersten Spruch haben? Der zweite Spruch war aber einfach zu arrogant gegenüber den Geberländern - hat seine Reputation in der Republik beschädigt, und das war gut so.

      • @D.J.:

        Niemand hat etwas gegen den Spruch, aber leider kam bei Wowi NICHTS außer Sprüchen.

        Der im Artikel erwähnte "leise wirtschaftliche Aufschwung" ist wirklich sehr leise. Stattdessen steigen die Mieten dank fehlendem Konzept und Berlin ist immernoch unglaublicher Anführer bei den erhaltenen Zahlungen im Länderfinanzausgleich (unglaubliche fast 40% aller Leistungen im letzten Jahr gingen an Berlin und das trotz seiner im vergleich geringen Einwohnerzahl). Wenn man ehrlich ist, gäbe es überhaupt keine Diskussionen um den Länderfinanzausgleich, wenn Berlin nicht so unfassbar schlecht haushalten würde.

        Mir ist auch immernoch unklar, wofür Berlin bitte schön dieses ganze Geld ausgibt, die öffentliche Versorgung ist ja nun auch nicht besser als anderswo.