piwik no script img

Berlins Innensenator unter DruckHenkel kneift

Die Bundesanwaltschaft widerspricht Henkels Darstellung in Sachen NSU-V-Mann. Nun versucht er, Verantwortung auf seine Polizeichefin zu schieben.

Berlins Innensenator Henkel im Verfassungsschutzausschuss. Links die V-Schutzchefin, rechts der Grüne Benedikt Lux. Bild: dpa

Nun also Margarete Koppers. Nach dem Dementi der Generalbundesanwaltschaft, dem Land eine Schweigepflicht über den langjährigen Berliner V-Mann und mutmaßlichen NSU-Helfer Thomas S. erteilt zu haben, schiebt Innensenator Frank Henkel (CDU) die Verantwortung auf seine Polizeivizepräsidentin.

„Die Polizeiführung hat mir glaubhaft dargestellt, dass es eine Vereinbarung zwischen Bundesanwaltschaft und Polizei gab“, sagte Henkel am Mittwoch im Verfassungsschutzausschuss. So sollten die NSU-Ermittlungen und der Quellenschutz von Thomas S. nicht gefährdet werden.

Diese Version stützte am Mittwoch auch Koppers. Als sie am 20. März zur Bundesanwaltschaft nach Karlsruhe geflogen sei, sei „beidseitig Geheimhaltung“ vereinbart worden. Henkel sagte, er habe „keinen Anlass“, daran zu zweifeln. Nachweisen könne er die Schweigeauflage nicht, räumte er auf Grünen-Anfrage ein. „Heute würde ich sagen: Ich will das schriftlich.“

Die Bundesanwaltschaft erneuerte dagegen am Mittwoch ihre Position: Anweisungen, Informationen über den V-Mann zurückzuhalten, habe es nicht gegeben. Auch Sebastian Edathy (SPD), Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, sagte, in den Akten zu dem V-Mann fänden sich keine Hinweise, dass sein Ausschuss nicht informiert werden dürfe. Die Akten waren dem Gremium am Dienstag zugestellt worden.

Bereits am 24. Juli hatte die Bundesanwaltschaft schließlich den U-Ausschuss im Bundestag informiert. Dort wurde die Info allerdings erst am letzten Donnerstag an die Mitglieder weitergereicht. Henkel wurde über Thomas S. bereits am 9. März informiert – und schwieg trotz Anfragen aus dem Parlament und Bundestagsauschusses.

Damit gibt es einen Patt zwischen Karlsruhe und Berlin. Mit dem Verweis auf Koppers hat Henkel aber vorgesorgt: Sollte die Anwaltschaft recht behalten, hätte nun Koppers schuld. Deren Chancen, sich in der laufenden Neubesetzung der Polizeispitze durchzusetzen, stehen damit schlecht wie lange nicht.

Die Grüne Clara Herrmann kritisierte das Wegducken von Henkel hinter die Anwaltschaft und Koppers. „Er ist der Chef“, betonte auch Linken-Fraktionschef Udo Wolf. „Er trägt die Verantwortung, er hätte nach den Anfragen bei der Antwaltschaft die Geheimhaltung klären müssen.“

Kritik an Henkel kommt nun auch aus den Reihen der Koalition. Aziz Bozkurt, SPD-Chef der Migrations-AG, warf Henkel vor, „im besten Fall seinen Laden nicht im Griff“ zu haben. „Im schlimmsten Fall hat er bewusst die Ermittlungen behindert.“ Auch Linken-Mann Wolf fragte: „Was sagt eigentlich der Regierende zu dem absurden Spiel seines Innensenators?“

Unterstützung erhielt Henkel von ganz oben. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte, der Senator habe nie etwas verheimlichen wollen, eher unglücklich kommuniziert. Die Details des Falls kenne er aber nicht. Bereits am Montag erwartet Henkel wieder Kritischeres: Dann tagt der Innenausschuss erneut über Thomas S.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • CB
    Claus Berger

    „Was sagt eigentlich der Regierende zu dem absurden Spiel seines Innensenators?“ steht als Zitat vom ehemaligen stellv. Bürgermeister Udo Wolf (Linkspartei) in der Printausgabe in dem Artikel. Ich frage mal ganz unbefangen, was hat die Linkspartei denn in ihren zehn Jahren Amtszeit mit zu verantworten in der Geschichte. Der V-Mann Thomas Starke wurde während deren Amtszeit von Steuergeldern der BerlinerInnen bezahlt.

    Lieber Herr Wolf, halten Sie mal bitte den Ball flach und fragen sich, was Sie so alles mitgetragen haben - von Abschiebungen bis V-Leuten ist eine Menge Dreck an Ihrem Stecken!

    Das soll keineswegs die Sauerei des Nachfolgers von Herrn Körting (SPD) relativieren. Es wäre allerdings sehr angebracht, nicht nur einseitig zu berichten, sondern auch nach den Verantwortlichen für den V-Manneinsatz zu schauen - @ taz&Co.