Berlins CDU-Verkehrssenatorin Ute Bonde: Todesstern der Verkehrswende
Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) ist seit genau einem Jahr im Amt. Ihre Bilanz ist verheerend, sie agiere völlig konzeptionslos, sagen Kritiker:innen.
„Wir können nur hoffen, dass sich einiges in der Zukunft zum Besseren wendet, aber sind da skeptisch“, sagt der Vertreter der Autofahrer:innen, als deren natürlicher Verbündeter sich die Berliner CDU gern anpreist.
An diesem Freitag ist es ein Jahr her, dass Ute Bonde in der schwarz-roten Berliner Landesregierung neue Chefin der Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt wurde. Ihre Vorgängerin Manja Schreiner, ebenfalls CDU, war nach nur einem Jahr im Amt über Plagiatsvorwürfe im Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit gestürzt.
Auch ansonsten galt Schreiners Agieren an der Spitze der Mammutbehörde als glücklos bis kontraproduktiv, Stichwort Radwegestopp. Es hätte mit Ute Bonde also nur besser werden können. Wurde es aber nicht.
Grüne: Bonde „will nicht, kann nicht, darf nicht“
Martin Koller vom ADAC attestiert der Senatorin, dass es ihr mit Blick auf seinen Bereich nicht nur an Konzepten fehle, sondern auch an der Zielstrebigkeit, überhaupt etwas anzustoßen. Für den maroden Zustand der Brücken könne Bonde zwar nichts. Notwendige Sanierungen seien schon in den Jahren zuvor wegignoriert worden.
„Wir befürchten aber, dass es da weitere Probleme geben wird, weil das nicht konzentriert angegangen wird“, sagt Koller am Dienstag bei einer Ein-Jahres-Bilanz von Bondes Politik im Abgeordnetenhaus. Eingeladen hatte die oppositionelle Grünen-Fraktion.
Ob ADAC, Radfahrer:innen-Verein ADFC, Fahrgastverband Igeb oder Bund für Umwelt und Naturschutz BUND: Niemand auf dem Podium lässt ein gutes Haar an der Senatorin. Erst recht nicht der Gastgeber, Grünen-Fraktionschef Werner Graf. „Will nicht, kann nicht, darf nicht“: Das seien die sechs Wörter, die ihm zur Arbeit der Verkehrssenatorin einfallen.
Die Palette ihrer Fehlentscheidungen reicht laut Graf vom Baustopp für Radschnellwege bis zum jüngsten Großangriff auf die Verkehrsberuhigung in den Bezirken durch die Streichung der Planungsmittel für Kiezblocks. Grafs Fazit nach einem Jahr Bonde: „Der Senat streicht radikal bei der Verkehrswende.“
Mit Vorschusslorbeeren gestartet
Dabei war die Senatorin vor einem Jahr von den Grünen noch mit Vorschusslorbeeren bedacht worden. Als Frau vom Fach lobte Graf seinerzeit die vormalige Chefin des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB). Als eine, die in der Lage sei, „Mobilität über die Grenzen Berlins hinaus zu denken“.
Bonde hatte freilich auch entsprechende Erwartungen geweckt. So dachte sie laut darüber nach, eine City-Maut oder eine Pflichtabgabe für Unternehmen einzuführen, um mit den Einnahmen den ÖPNV-Ausbau zu stärken.
Dann ging alles seinen christdemokratischen Gang. Die CDU-Fraktion räumte Bondes Ideen einer „dritten Finanzierungssäule“ für den Nahverkehr wieselflink ab. Die Senatorin ihrerseits wollte plötzlich nie über eine Maut oder andere Abgaben sinniert haben. Die alte Autoordnung war wiederhergestellt. Bondes Kritiker:innen sagen: Von nun an ging’s bergab.
Kommunikatives Feingefühl ist nicht ihr Ding
Bald war zudem klar, dass es ihr nicht nur an eigenen Konzepten fehlt, sondern auch an kommunikativem Feingefühl. Auf die schon im Sommer vergangenen Jahres allgegenwärtigen Fahrgastklagen über Verspätungen bei der BVG reagierte sie mit der lapidaren Bemerkung: „Da müssen wir eine andere Haltung bekommen. In anderen Städten fährt die U-Bahn alle 10, alle 15 Minuten.“
Manche Fahrgäste waren allerdings bald froh, wenn tatsächlich nach 15 Minuten eine Bahn kam. Anfang dieses Jahres bilanzierte dann auch die BVG in ungewohnter Offenheit, dass ein störanfälliger Fuhrpark, Personalmangel und ein hoher Krankenstand „zu überfüllten Zügen, langen Wartezeiten“ und damit zu einer immer stärkeren „Unzufriedenheit der Fahrgäste“ führe.
Bonde erklärte dagegen, dass alles rund laufe bei den landeseigenen Verkehrsbetrieben. „Endlich gibt es einen Senat, der den richtigen Weg einschlägt. Es gibt nichts zu meckern“, sagte sie im Februar im Abgeordnetenhaus. Und fragte: „Krise? Welche Krise?“
Ignoranz beim Umwelt- und Klimaschutz
Was angesichts der Daueraufreger Brücken und Bahnen inzwischen fast vergessen wird: Die 58-Jährige ist qua Amt ja nicht nur für den Verkehrsbereich, sondern auch für den Umwelt- und Klimaschutz zuständig.
Während ihre Vorgängerin Manja Schreiner noch ein gewisses Interesse an dem Thema erkennen ließ, dominiere bei Bonde Ignoranz; dass in ihrem Haus im Zuge der Haushaltskürzungen des vergangenen Jahres insbesondere der Klimaschutzetat brachial rasiert wurde, passe ins Bild, klagen Umweltverbände.
Der Umweltschutz sei in der zuständigen Senatsverwaltung zwar auch zuvor gern wie „ein Stiefkind“ behandelt worden, sagt Nicolas Šustr, der Sprecher des BUND Berlin. Aber Bonde lasse den Bereich gänzlich unter die Räder kommen. Das sei umso alarmierender, als in ihrer Verwaltung alle Themen miteinander verknüpft sind.
„Ihr Agieren als Todesstern der Verkehrswende hat natürlich große Auswirkungen auf den Umwelt- und Klimaschutzbereich“, sagt Šustr. Sein Verband blicke jedenfalls schon jetzt mit großer Sorge auf den kommenden Doppelhaushalt 2026/27.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Arbeitszeit in Deutschland
Faul sein fürs Klima
Trump und Putin am Telefon
Nichts als Floskeln
Nach ESC-Erfolg Israels
Debatte um Publikumsvoting
Israelische Militäroffensive
Sinnlos in Gaza
Verletzter Polizist bei Nakba-Demo
Im Zweifel für Demoverbote
Jahresbilanz 2024 der Beratungsstellen
Im Schnitt werden jeden Tag 12 Menschen Opfer rechter Gewalt