piwik no script img

Berliner Ruinen aus dem 2. Weltkrieg„Das ist ein ­Großstadtabenteuer“

Die Ruinen unter den Bunkerbergen im Volkspark Friedrichshain sind verschlossen. Dietmar Arnold vom Verein Berliner Unterwelten hat sie erforscht.

Nur an wenigen Stellen im Park sieht man noch Bunkerreste. Und rein kommt man gar nicht Foto: Jens Gyarmaty
Andreas Hergeth
Interview von Andreas Hergeth

taz: Herr Arnold, ich hatte mich gefragt, ob man in den Bunkerberg hineinkommt, also die verbliebenen Trümmer besichtigen kann. Das Bezirksamt von Friedrichshain-Kreuzberg sagte nein, hatte aber den Tipp, mit Ihnen zu sprechen. Sie sind bereits 2004 das erste Mal in den ehemaligen Flakturm im Volkspark Friedrichshain hineingestiegen.

Dietmar Arnold: Man muss sich das wie bei einer Höhlenführung vorstellen. Der ehemalige Flakturm ist mit der Sprengung auseinandergebrochen und hat eine komplette Schräglage bekommen. Wenn man da drinnen die Treppen hochgeht oder in den Gängen herumläuft, könnte man meinen, auf einem Ozeandampfer in Schräglage zu sein. Aber an den Tropfsteinen, die von der Decke hängen, kann man sich orientieren, wo die Waagerechte verläuft. Schon irgendwie schräg.

Was für ein Gefühl ist das, in einen gesprengten Turm zu steigen: Überwiegt die Angst oder doch die Freude am Entdecken?

Letzteres sowieso. Es ist ein Großstadtabenteuer! Schon als 13-Jähriger bin ich mit meinen Kumpels mit der S-Bahn von Hermsdorf zum Humboldt­hain im Wedding gefahren, Klappspaten dabei. Wir haben uns damals in die Flakturmruine im Volkspark Humboldt­hain hineingegraben. Das war für uns ein riesiger Abenteuerspielplatz. Bis der Zustieg irgendwann so mit Beton zugegossen wurde, dass wir uns nicht mehr reingraben konnten. Und abenteuerlich ist es noch heute, solche Orte zu erschließen. Manchmal wird es superspannend, manchmal kriegt man auch das Gruseln.

Weil Sie ein Skelett finden?

Nein, so etwas haben wir bisher nicht gefunden.

Aber man kann sich leicht etwas brechen?

Ja, wenn man im alten Flakturm im Friedrichshain an der falschen Stelle entlangläuft, kann man ziemlich abstürzen. Im Humboldthain-Bunker geht es teilweise sogar 25 Meter runter. Dort hat es 1982 den letzten Toten gegeben: ein Student, der mit einem Feuerzeug als Beleuchtung rein ist und dann in einem Treppenhaus abstürzte.

Im Interview: Dietmar Arnold

Jahrgang 1964, geboren in Westberlin, hat Stadt- und Regionalplanung studiert. Seit 1999 ist er Vorsitzender des Vereins Berliner Unter­welten, der (in Nichtcoronazeiten) unter anderem Führungen durch den Flakbunker Humboldthain anbietet.

Ist der Bunker im Friedrichshain voll mit Trümmerschutt oder kann man sich dort unten relativ frei bewegen?

Man kann sich dort super bewegen. Ich sag mal so: Man könnte dort theoretisch Führungen anbieten.

Darum frage ich ja.

Man müsste nur einigen Aufwand betreiben. Aber was soll der Verein Unterwelten mit zwei Flaktürmen? Denn der Flakturm Humboldthain ist fast bau­gleich. Und es reicht ja, wenn man einen für Führungen hat.

Ist der Friedrichshainer Bunkerberg stabil genug aus Ihrer Sicht?

Er besteht ja aus Trümmern, die rund um die 1946 gesprengte Flak­turm­ruine aufgeschüttet wurde. Wir haben uns den von innen genau angeschaut, und ich gehe davon aus, dass da nicht viel passieren kann. Außer man gräbt unten etwas weg und der Rest würde dann nachrutschen.

2013 waren Sie noch mal im Friedrichshainer Bunker. Der Verein hatte damals das Innere mit einem 3D-Verfahren vermessen. Warum?

Infografik: Infotext

Wie es im Innern des Hügels aussieht, lässt sich mit dem 3D-Messverfahren am besten darstellen. Der rbb war damals übrigens mit dabei. Einer der Beleuchter hat durch unsachgemäßes Verhalten eine Schuttlawine ausgelöst, dadurch wurden acht Leute von uns, die eine Etage tiefer waren, faktisch verschüttet. Wir haben sie dann an anderer Stelle wieder freigegraben, da wir uns in den Flaktürmen und ihrer Konstruktion gut auskennen und wissen, wo Kabelschächte liegen. Keinem unserer Leute ist etwas passiert. Der Beleuchter aber, der sich nicht an die Sicherheitsanweisungen gehalten hatte, war wirklich gefährdet. Er steckte bis zum Bauchnabel im Bauschutt und musste von uns ausgegraben werden.

Zum Bunker im Volkspark Friedrichshain gibt es keinen Eingang. Ist denn das nun ein abgeschlossenes Kapitel?

Wenn sich da jemand reingraben möchte, muss er wirklich richtig Ahnung von der Kons­truk­tion haben. 2004 sind wir zuerst durch einen Aufzugschacht für Munition hineingekommen. Wir mussten mit einem Bagger sieben Meter tief graben, so sind wir gleich ins ehemalige vierte Obergeschoss gekommen und dann auch ganz nach unten in den Turm. 2013 haben wir unseren zweiten Zugang richtig gut gesichert mit einer Stahlplatte und dicken Schrauben. Einige Leute, auch vom Verein, würden das alles gern noch mal sehen.

Vielleicht wollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bezirksamts auch noch mal reingucken?

Ja, dass man eine Art Bauwerkskontrolle von innen macht, wäre nicht das Verkehrteste. Wir hätten alle was davon. Und wir kennen die Wege, damit man sich dort ohne Gefahr bewegen kann.

Gibt es denn kein Geheimnis mehr rund um den alten Flakturm?

Doch. Es gibt unter dem Friedrichshain noch einen unterirdischen Gang. Das ist der alte Rohrkanal, der zum ehemaligen Leitturm rübergeht, dessen Ruine unter dem zweiten Hügel liegt. Dieser Rohrkanal ging ursprünglich mal bis zur Richard-Sorge-Straße zur dortigen ehemaligen Patzenhofer-Brauerei, direkt in die Brauerei hinein. Das Heizkraftwerk des Krankenhauses Friedrichshain wiederum hatte Rohre zur Brauerei. Die wurden dann auf der anderen Seite verlängert, um die Flaktürme zu heizen. Diese Heizungskanäle sind noch nicht erforscht – einer der wenigen weißen Flecken in Berlins Unterwelt. Da möchte ich gern noch mal rein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!