Berliner Piraten-Fraktion: Lauer sehen statt hören
Als in der Piratensitzung die Fetzen flogen, war Fraktionschef Lauer plötzlich stumm geschaltet. Nur eine „Tonpanne“, versichert die Landtagsfraktion.
BERLIN taz | Es gibt Tage, an denen geht einfach alles schief. Der 9. April muss so ein Datum gewesen sein, zumindest für die Berliner Piratenfraktion. Erst gerieten Fraktionschef Christopher Lauer und Gerwald Claus-Brunner (Markenzeichen Latzhose und Palästinenser-Kopftuch) derart aneinander, dass die wöchentliche Sitzung unterbrochen wurde. Dann schmierte auch noch die Technik ab – exakt in jenem Moment, als es im Saal so richtig zur Sache ging.
So jedenfalls erklärt die Fraktion einige Merkwürdigkeiten rund um ihre 62. Sitzung, auf die am Mittwoch das Blog Popcornpiraten hingewiesen hatte. Bei den wöchentlichen Treffen soll eigentlich die Transparenzidee der Piraten vorbildlich umgesetzt werden. Die Fraktion stellt deshalb neben seitenlangen Protokollen auch einen Video- und einen Audiostream ins Netz.
Bei der Sitzung Anfang April lief einiges etwas anders. Im Netz findet sich zwar ein Videomitschnitt der Sitzung, doch der Ton bricht plötzlich ab, als sich Fraktionschef Christopher Lauer wegen eines Antrags des Kollegen Claus-Brunner in Rage redet. Im Chat zur Sitzung fragt jemand: „Was ist das? Ich kann es echt nicht fassen, dass die so ausgetickt sind.“
Man sieht, dass der Fraktionschef mit geballten Fäusten gestikuliert, mehrfach auf den Tisch haut. Nur: Man hört nichts mehr. Das Video ist plötzlich ein Stummfilm. Ein zusätzlicher Audiomitschnitt der Sitzung, den die Piraten für gewöhnlich zum Nachhören ins Netz stellen, lässt sich in der Online-Sammlung nicht finden. Das schriftliche Protokoll hält zwar fest, dass Lauer den Antrag kritisierte, der Grund für die Sitzungsunterbrechung bleibt unklar.
Einiges schief gelaufen
Sollte hier ein Eklat nachträglich „unter den Tisch gekehrt werden“, wie im Blog Popcornpiraten gemutmaßt wird? Christopher Lauer bestreitet das. „Diese These hat keine Grundlage“, sagte er der taz. „Sinngemäß steht alles im Protokoll drin. Das Protokoll fasst die Diskussion wunderbar zusammen.“
Dass bei der Videoaufzeichnung an einer Stelle der Ton fehle, habe er erst aus dem Blog http://popcornpiraten.de/warum-veroffentlicht-die-berliner-piratenfraktion-manipulierte-aufzeichnung-ihrer-62-sitzung/Popcornpiraten.de erfahren: „Leider hat uns dort niemand gefragt, warum der Ton fehlt.“ //:Die offizielle Begründung: In der Sitzung sei „technisch einiges schiefgelaufen“.
Während des Wortwechsels sei plötzlich die Tonspur des Videos defekt gewesen. Dieses Problem habe sich auch durch eine nachträgliche Bearbeitung des Videos nicht beheben lassen. „Bei der Aufzeichnung ist was schiefgegangen, beim Bearbeiten ebenfall“, sagte eine Fraktionssprecherin der taz. Die zusätzliche Audioaufzeichnung habe an diesem Tag leider gar nicht funktioniert, weil die Speicherkarte kaputt gewesen sei.
Shit happens? Immerhin, die Piratenfraktion hatte Glück im Unglück: Als sich nach einer Pause die Aufregung im Saal gelegt hatte, war auch der Sound des Videos wieder da.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört