Berliner Olympia-Bewerbung: Opa erzählt vom Spirit
Prominente unterstützen fortan Berlins Olympia-Bewerbung. Auch Spitzenkoch Tim Raue: Er schwärmt vom Spirit von 1936.
BERLIN taz | Am Dienstag ein Senatsbeschluss zu mehr Bürgerbeteiligung im Fall einer Olympiabewerbung; am Mittwoch ein Treffen prominenter Unterstützer, die künftig wie Günther Jauch als „Botschafter“ für Olympia werben sollen. Dann ist da noch eine „Berliner Charta“, unter anderem getragen von Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer, Landessportbund, die finanziell verträgliche Spiele fordert. Olympia all over.
Im dritten Stock des Roten Rathauses ist am Mittwoch bei der Vorstellung der Botschafter so viel von toller Stimmung die Rede, dass die Linken-Abgeordnete und Olympia-Gegnerin Gabriele Hiller später kritisieren wird, der Senat gaukle sich eine Euphorie vor, die es gar nicht gebe. Noch-Regierungschef Klaus Wowereit (SPD) etwa sieht große Begeisterung in der Bevölkerung, genauso wie Sportsenator Frank Henkel (CDU).
Auch Natascha Keller, früher mal die beste Hockeyspielerin der Welt und fünffache Olympia-Teilnehmerin, hätte die Spiele gern in Berlin. Und Dieter Hallervorden, der seine überzeugendste Rolle 2013 in dem grandiosen Lauffilm „Sein letztes Rennen“ hatte und stramm auf die 80 zugeht, kündigt an, er wolle die Spiele – eher 2028 als 2024 – live sehen.
Dann steht auch der Sternekoch Tim Raue am Mikrofon und berichtet, dass ihm sein Opa begeistert von den Olympischen Spielen erzählt habe, von „Dingen, die man sich nicht vorstellen kann“, die „bahnbrechend“ waren. Raue ist 40, meint er etwa die Spiele von 1936? Ja, bestätigt er. Nur: Wie kann man denn so von den Spielen aus der Nazi-Zeit reden, angesichts etwa des Ausschlusses jüdischer Sportler aus dem deutschen Team? Gretel Bergmann zum Beispiel, damals weltbeste Hochspringerin, wurde so um Olympia-Gold gebracht. „Davon habe ich keine Ahnung, ich bin kein politischer Mensch, ich bin Koch“, antwortet Raue darauf.
Senatssprecher Richard Meng wirkt etwas nervös bei diesen Nachfragen und tuschelt kurz mit Raue. Auf weitere Fragen antwortet der Koch dann, sein Opa habe ihm Jesse Owens, den schwarzen vierfachen Sieger der 36er Spiele, als Vorbild nahegelegt. Und dass Owens all jene widerlegt habe, die die Schwarzen als unterlegen bezeichneten. Sagt Raue der taz. Vor Publikum aber bleibt sein „bahnbrechend“ im Zusammenhang mit den Spielen von 1936 stehen.
War das nun ein gelungener Auftritt eines Olympia-Botschafters? Senatssprecher Meng und auch Sportsenator Henkel mochten sich auf keine taz-Fragen dazu einlassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis