piwik no script img

Berliner MietendeckelBisher nur eine Projektionsfläche

Beim Mietendeckel sind sich die Koalitionspartner mal einig, dann doch nicht. Nun sind bis zur Sommerpause Eckpunkte eines Gesetzesentwurfs geplant.

Ohne Mietendeckel bleibt diese Forderung Wunschtraum Foto: dpa

Wie steht es um den Berliner Mietendeckel? Eine Frage, die sich einerseits klar beantworten lässt. Auf dem Tisch liegen mittlerweile drei juristische Texte, die einen Mietendeckel auf Landesebene für machbar halten, und zwei, die dem widersprechen. Erst am Montag hat die Berliner SPD mit einer euphorischen Pressemitteilung ihr positives Gutachten bekannt gegeben.

Die einen sagen: Weil die Kompetenz für das Wohnungswesen im Zuge der Föderalismusreform 2006 vom Bund auf die Länder übergegangen ist, können Länder eine öffentlich-rechtliche Mietpreisdeckelung beschließen. Die anderen sagen: Einen Mietendeckel können Länder nicht beschließen, weil dieser Bereich vom Mietpreisrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, und weil es hier schon Bundesgesetze wie die Mietpreisbremse gibt. Weitere Gutachten sind nicht ausgeschlossen.

Zugleich lassen die Berliner Koalitionspartner keine Gelegenheit aus, ihre zustimmende Einigkeit für einen Mietendeckel in Berlin zu betonen.

Die Einigkeit täuscht – und die Klarheit über den Stand der Dinge endet genau hier. Wo es der Gutachten genug gibt, da setzt erst der politische Streit ein.

Ob ein landesrechtlicher Mietendeckel möglich ist, kann durch die Gutachten nicht abschließend geklärt werden. Ob der Mietendeckel den gegebenen Rechtsnormen standhält, wird sich erst dann zeigen, wenn ein konkretes Gesetz beschlossen wird – und die Mietendeckel-Gegner klagen. So argumentieren dieser Tage Berliner Sozialdemokraten. Sie fordern mehr Mut. Frei nach dem Motto: Probieren geht über Studieren. Deshalb kritisierte Julian Zado, stellvertretender Vorsitzender der Berliner SPD, die Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke), weil diese angekündigt hatte, eine Arbeitsgruppe für eine weitere rechtliche Prüfung zu gründen. Ein Zeichen für die große rot-rot-grüne Einigkeit in puncto Mietendeckel waren Zados Kritik und die Konter der Koalitionspartner nicht.

Weil sie ihre Besprechungsgrundlage zum Thema bei der Senatssitzung vergangenen Dienstag nicht vorstellen durfte – Lompscher soll den Tagesordnungspunkt nicht fristgerecht eingereicht haben –, tat die Bausenatorin dies an diesem Dienstag. Das Papier für die Senatssitzung der vergangenen Woche liegt der taz vor. Lompscher konstatiert darin, dass es widerstreitende Einschätzungen gebe, empfiehlt deshalb, eine Arbeitsgruppe einzurichten, welche „die verschiedenen Auffassungen im Rahmen von Fachgesprächen mit externem Sachverstand abwägt, um darauf aufbauend eine abschließende Empfehlung für den Senat vorzubereiten“. Neben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung sollen dabei auch jene für Justiz und für Wirtschaft vertreten sein. „Das Ergebnis soll vor der Sommerpause in einer gemeinsamen Senatsvorlage dargestellt werden“, heißt es.

SPD wirbt im Kino für Mietendeckel – und für sich

Mit einem Kinofilmchen will die SPD-Fraktion ab nächster Woche für einen Mietendeckel werben. Bereits ab Mittwoch sollen Anzeigen darauf hinweisen. Darin jagt die SPD als Superheldin das böse Mietenmonster und erledigt es mit dem Mietendeckel.

Werben wollen die Sozialdemokraten dabei auch für sich: „Es geht darum, das politische Copyright wieder zurückzuholen“, sagte ihr Fraktionssprecher Markus Frenzel der taz. Noch am Freitag hatten die Chefs der Linksfraktion im taz-Interview den Politikstil der rot-rot-grünen Koalition beklagt, am Wochenende bei einer Klausur sahen sie ein „Windhundrennen“ statt eines gemeinsamen Projekts.

Umgekehrt schien am Dienstag aber auch Linkspartei-Senatorin Katrin Lompscher in einer Pressekonferenz der SPD nichts gönnen zu wollen. Sie nannte als Ausgangspunkt der Deckel-Debatte einen Beitrag in einer Fachzeitschrift vom November – tatsächlich aber ist ein Mietendeckel erst breit im Gespräch, seit einige SPD-Politiker um Eva Högl die Idee im Januar in die Öffentlichkeit trugen.

Am Dienstag dann wurde Lompschers Vorlage in der Senatssitzung diskutiert, der Senat hat sich für eine „rechtssichere Einführung eines Mietendeckels“ ausgesprochen und zugleich eine weitere „verwaltungsübergreifende“ Prüfung unter Federführung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung angekündigt. Eckpunkte eines Gesetzesentwurfs und einen Zeitplan für das Gesetz will Lompscher bis zur Sommerpause vorlegen.

Erst Mietendeckel, dann Enteignungen

Gaby Gottwald, Linke

Zado, der im Januar gemeinsam mit der Bundestagsabgeordneten Eva Högl einen Gastbeitrag im Tagesspiegel veröffentlicht und die Debatte angefeuert hatte, warnt davor, dass solche Arbeitsgruppen als Verzögerungstaktik genutzt werden könnten. „Es geht jetzt nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie: Es muss jetzt an einem konkreten Gesetz gearbeitet werden.“

Während Lompscher nochmal prüfen will und die SPD sich dagegen stellt, denken andere Politiker den Mieten­deckel und andere wohnungspolitische Großvorhaben zusammen. Es stellt sich die Frage: Wie würde sich ein Mietendeckel auf das Enteignungsvolksbegehren auswirken? Könnte er das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ schwächen?

Die Linkspolitikerin Gaby Gottwald, Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung und Wohnen, plädiert für eine möglichst rechtssichere Grundlage für den Mietendeckel. Gleichzeitig denkt sie nicht, dass dieser das Volksbegehren ausbremsen würde. Im Gegenteil. Nach Gottwalds Vorstellung, könnte ein Mietendeckel den Marktwert der zu vergesellschaftenden Wohnungen senken – und eine Enteignung somit weniger kosten als gegenwärtig. Sie sagt: „Erst soll der Berliner Mieten­deckel kommen, dann sollen Deutsche Wohnen und die anderen Großen enteignet werden.“

Zado von der SPD findet einen Mietendeckel besser als Enteignungen. Das erklärt möglicherweise auch seine Ungeduld. Er sagt: „Während der Versuch einer Enteignung wegen langwieriger Klagen Jahre in Anspruch nehmen wird, würde der Mietendeckel sofort nach Beschluss wirken.“ Der Regierende Bürgermeister und SPD-Vorsitzende Michael Müller hatte sich im Februar gegen Enteignungen ausgesprochen.

Katrin Schmidberger, wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, möchte dagegen wie Gottwald „zweigleisig fahren“. Die Mieten zu bremsen helfe zwar, die Verdrängung aufzuhalten. Es gehe aber um mehr. „Genauso zentral ist es, den Einfluss auf den Wohnungsmarkt zurückzugewinnen“, sagt sie zum Thema Enteignungen.

Die Sticheleien der vergangenen Wochen könnten in einen wirklichen Streit münden, wenn die Debatte um den konkreten Mietendeckel nach der Absichtserklärung des Senats vom Dienstag endlich an Fahrt aufnimmt. Zado und seine Mitstreiter forderten etwa ein Einfrieren der Mieten für fünf Jahre – dies allerdings nur in Gebieten mit besonderem Mietanstieg, Neubauten ausgenommen. Andere wollen mehr.

Bisher aber ist der Mietendeckel vor allem eine Projek­tionsfläche – für parteipolitische Profilierung, Träume der Mieter und Albträume der Immobilienlobby.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Eine andere Möglichkeit dürfte eine Legaldefinition von. "Mietwohnung", oder ganz allgemein "Wohnraum" in der Landesbauordnung sein.



    Die ist auf jeden Fall Landesrecht.



    Man definiert z.B. ,,Eine Wohnung ist ein für Wohnzwecke hergerichteter umbauter Raum, der zu einem Preis von nicht mehr als XX € pro qm vermietet wird [alternernativ: wert ist].



    Eine Immobilie die teurer vermietet oder verkauft würde, würde dann automatisch die Eigenschaft als Wohngebäude verlieren. -Was die Preise dann unterhalb dieser Grenze halten würde, - da sie ja anderenfalls gar nicht mehr nutzbar wäre.