Berliner Mauerradweg vor Vollendung: Einmal um Westberlin
In diesem Jahr soll die letzte Lücke im Mauerradweg geschlossen werden. Der führt 160 Kilometer entlang der ehemaligen Berliner DDR-Grenze.
Über den Friedhof führt ein Weg – und noch sehr viel weiter: 160 Kilometer kann man auf ihm radfahren, um am Ende wieder vor diesen Gräbern zu stehen. Der Weg schlängelt sich entlang der alten DDR-Grenzanlagen um Westberlin. Günter Litfin kletterte am 24. August 1961 in der Nähe des Invalidenfriedhofs über die Betonplatten und versuchte, durch den Humboldthafen nach Westberlin zu schwimmen. Er war der erste von mindestens 140 Mauertoten. Vieler von ihnen wird entlang des Radwegs gedacht.
Ein Lückenschluss
Beginnt man den Rundweg am Invalidenfriedhof Richtung Süden, fährt man zuerst durch die Berliner Innenstadt: Reichstagsgebäude, Brandenburger Tor, Holocaust-Mahnmal. Immer weiter kann man fahren, bis man das alte Westberlin einmal ganz umrundet hat.
Ganz umrundet? Nein, vollständig auf den Spuren der Mauer kann man Westberlin erst in Zukunft umrunden. Im November vergangenen Jahres beschloss der Senat, die letzte Lücke im Mauerweg zu schließen. Diese liegt in der Nähe des S-Bahnhofs Mahlow, ganz im Süden der Stadt. Bisher muss man hier noch einen Umweg fahren, über Kopfsteinpflaster und Trampelpfade. Nun soll eine Unterführung kommen: unter der sich gerade im Bau befindenden Dresdner Bahn sowie der S-Bahn-Linie 2 hindurch.
Zuletzt drohte das Projekt allerdings doch noch zu scheitern: Die Kommune Mahlow und der Berliner Senat waren sich über die Finanzierung uneins. Und die Deutsche Bahn befürchtete, das Projekt könnte der Fertigstellung der Strecke in die Quere kommen, über die nicht nur der Zug nach Dresden, sondern auch der Express zum neuen Flughafen fahren soll. Doch inzwischen ist der Tunnel beschlossene Sache.
Der Mauerweg erinnert zwar mit all seinen Denkmälern an ein düsteres Kapitel DDR-Geschichte, aber letztlich dreht er sich ganz buchstäblich um Westberlin. Die Ausmaße dieser vergangenen Stadt macht der Radweg ebenso erfahrbar wie die Schrecken der Grenzanlagen. Manche fühlten sich hinter der Mauer wie im Knast, andere gehen noch heute nur selten über sie hinweg.
In der Berliner Innenstadt ist die ehemalige Grenze kaum noch zu sehen. Nur stellenweise erinnert eine doppelt gepflasterte Schneise im Boden an die Betonmauer, die hier einmal stand. Durch das Brandenburger Tor schlendern heute Touristen.
Schrecken in den Knochen
Kurz vor der Wiederankunft am Friedhof führt der Weg an der Bornholmer Straße durch einen Kirschblütenwald, gespendet von einem japanischen TV-Sender zum Fall der Mauer. Die rosa Frühlingsblüten stehen in Japan für Frieden. Und friedlich ist die Allee an der Bornholmer Straße – auch im Winternebel.
Friedlich wäre auch der Friedhof, den man jetzt von der anderen Seite wieder erreicht, wenn da nicht die Krähen wären. Am Eingang steht ein Schild zum Gedenken an das medizinische Personal in den Kriegen; auf dem Friedhof eines, das der Opfer der Luftangriffe gedenkt. Gleich weiter mehrere Tafeln, an denen Mauertote betrauert werden.
Gedenken häuft sich auf Gedenken. Berlin ist größer und friedlicher geworden, aber der Schrecken sitzt dieser Stadt noch immer in den Knochen.
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