Berliner Krankenhausbewegung: Druck führt nicht zu Entlastung
Die streikenden Pflegekräfte in Berlins landeseigenen Krankenhäusern stoßen auf Repression. Die Politik sieht zu.
L ippenbekenntnisse sind toll, weil sie zunächst nichts kosten. Diese Überzeugung wird scheinbar von den Klinikleitungen der kommunalen Krankenhäuser Vivantes und Charité ebenso geteilt wie von Spitzenpolitiker:innen jeglicher Couleur. Beobachtet werden konnte dies vergangene Woche während des Streikauftakts der Krankenhausbewegung.
So erklärte Vivantes, das Recht der Beschäftigten auf Streik zu unterstützen – um im nächsten Moment mit allen möglichen juristischen Tricks zu versuchen, die Streiks zu verbieten. Begründet wurde dies zum Teil auch noch damit, dass der Arbeitskampf für die Entlastung der Pflegenden die Versorgung von Patient:innen gefährden würde. Als würden die Pflegenden nicht gerade dafür kämpfen, dass diese eben nicht mehr behandelt werden wie am Fließband.
Die Charité versuchte derweil, das massive „Union Busting“ von Vivantes für sich zu nutzen, indem sie stolz verkündete, den Streikenden keine Jurist:innen auf den Hals gehetzt zu haben. Einerseits stimmt das, andererseits wurden Berichten zufolge Stationen nicht geleert, obwohl sich viele der dort eingesetzten Pflegekräfte als Streikteilnehmer:innen angekündigt hatten. Sie mussten ihren Arbeitskampf absagen, um sich um Patient:innen zu kümmern, die die Charité nicht hätte aufnehmen dürfen. Im Klartext: Die Charité versucht scheinbar, ihre Beschäftigten zu erpressen – und ist damit auch noch erfolgreich.
Vermutlich schießen sich die Klinikleitungen mit dieser Repressionsstrategie aber ins eigene Bein. Denn aufgeben werden die Krankenhausbeschäftigen wohl nicht, im Gegenteil: Sie werden immer wütender, weil sie sich – zu Recht – für dumm verkauft und moralisch erpresst halten.
Spitzenreiterin im Wettkampf um die fadenscheinigsten Lippenbekenntnisse bleibt aber die Politik; und hier insbesondere die SPD, die mit der Gesundheits- und Finanzverwaltung die entscheidenden Ressorts innehat. Bereits im Mai hatte die Krankenhausbewegung ihr 100-Tage-Ultimatum gestartet. Eine ganze Menge Zeit für die Politiker:innen, Druck auf die Kliniken auszuüben, die dem Land schließlich gehören. Auch hätten Wege gefunden werden können, die möglicherweise entstehenden Finanzierungslücken zu stopfen. Hätte doch drin sein können, nach einem Jahr Klatschen für die Pflegenden.
Stattdessen erzählt SPD-Fraktionschef Raed Saleh pathetisch, Arbeitskämpfe seien die DNA der Sozialdemokratie. Gleichzeitig weigert sich sein Parteigenosse Matthias Kollatz – Finanzsenator und Vorsitzender des Vivantes-Aufsichtsrats – die Klinikleitungen per Gesellschafterweisung zu verpflichten, Tarifverhandlungen aufzunehmen. Dabei würde sich die SPD so mitten im Wahlkampf schützend vor die Held:innen der Pandemie stellen. Doch wirklich handeln will scheinbar niemand in der SPD. Warum, wissen die Sozen nur selber. Mit nur einem Tropfen Sozialdemokratie in ihrer DNA würden sie’s wohl tun.
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