Berliner Flüchtlinge ziehen um: Am Ende gab’s sogar Tränen
Die Flüchtlinge aus der Turnhalle Wiesenstraße in Mitte bekommen kurz vor Weihnachten ein neues Quartier.
Umarmungen, Lachen, Weinen. Berührende Szenen spielen sich ab, als die Flüchtlinge in die Reisebusse steigen. Ein Jahr war die Turnhalle der Herbert-Hoover-Schule im Wedding Notunterkunft. 200 Menschen aus aller Welt, vor allem Syrer haben dort gelebt. Am Donnerstag, zwei Tage vor Weihnachten, macht der neue rot-rot-grüne Senat seine Ankündigung wahr und siedelt die Flüchtlinge in eine Gemeinschaftsunterkunft um. Die Gruppen bleiben zusammen. Aber sie werden es am neuen Standort mit anderen neuen Betreuern und Sicherheitsleuten zu tun haben.
Feldbetten dicht an dicht, keine Privatsphäre, stickige Luft, ständiger Krach. „You can never sleep“, sagt ein 21-jähriger Syrer, der vor dem Bus von einem Fuß auf den anderen tritt. Es ist kalt. Die Frauen und Kinder sind bereits am Morgen abgefahren. Nun sind die Männer dran. Fast alle, die in den letzten Monaten in der Turnhalle in der Wiesenstraße gelebt haben, ziehen in eine Gemeinschaftsunterkunft an der Heerstraße in Spandau um. Dort gibt es Zimmer und Küchen.
Was auch wichtig ist: Die Menschen werden nicht auseinandergerissen. Auch wenn die verschiedenen Ethnien oftmals lieber unter sich bleiben, schweißt so ein Leben in einer Halle doch zusammen, Freundschaften entstehen.
Die Nachricht, dass der Auszug am Donnerstag stattfinden wird, hatte die Flüchtling zwei Tage vorher erreicht. Nun ist es so weit: Es ist 13.40 Uhr, als die zwei weißen Busse vor dem Gebäude einparken. Zu gern hätte man einen Blick in die Turnhalle geworfen. Aber auch am letzten Tag bekommt die Presse keinen Zutritt. Freundlich, aber bestimmt lehnt die Heimleiterin ab und bittet, das Grundstück zu verlassen.
Der Freizug aller Turnhallen soll laut Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) spätestens im März abgeschlossen sein. „Ich hoffe, dass es früher wird“, sagte sie am Freitag im RBB. Bis Heiligabend sollen neun bis zehn Turnhallen frei sein. Anfang der Woche lebten noch rund 2.800 Flüchtlinge in 38 Turnhallen. Der Auszug hatte sich wegen Problemen beim Bau von Ersatzunterkünften sowie durch fehlerhafte Ausschreibungen für den Betrieb verzögert.
Mit Blick auf den Anschlag am Breitscheidplatz sagte Breitenbach, sie sei auch um die Sicherheit von Flüchtlingen besorgt. Es habe bereits einige kleinere Übergriffe und Pöbeleien gegeben. Die Polizei prüfe daher, inwieweit es notwendig sei, Unterkünfte stärker vor Übergriffen zu schützen. (dpa, taz)
Von der Straße aus sieht man, wie die Tür der Turnhalle auffliegt, junge Männer mit Taschen und Rucksäcken herausstürmen und diese im Kofferraum verstauen. Viele haben ihre Sachen auch in große blaue Müllsäcke gepackt und ihren Namen draufgeschrieben. Auch einzeln werden Dinge eingeladen: eine Wasserpfeife, ein Kassettenrekorder, ein Kleiderbügel.
Betreuer und Securitys verfolgen das Schauspiel. Zusammen mit den Flüchtlingen posieren sie für Abschiedsfotos. Man fällt sich in die Arme, schlägt sich auf die Schulter. Die Herzlichkeit der Abschiedsszenen, begleitet von einem Hauch Wehmut, lässt auf ein gutes Umgangsklima in der Turnhalle schließen. Verstohlen reiben sich manche im Gesicht.
Der Heimleiterin, eine burschikose junge Frau mit kahl rasiertem Kopf und schwarzem Irokesenschopf gelingt es bis zum Schluss, Fassung zu bewahren. Mit einer Liste steht sie neben dem Bus, macht hinter jedem Namen ein Häkchen und verabschiedet jeden der jungen Männer mit Handschlag. Manchmal fragt sie auch: „Darf ich dich mal drücken?“ Oder sagt: „Sei stark!“ Als alle im Bus sitzen, steigt sie kurz ein und hält eine Rede. „Und immer lächeln“, ist ihr letzter Satz. Das und der Applaus, der aufbrandet, ist bis draußen zu hören.
Begleitet von einem großen Winken, setzen sich die Busse in Bewegung. In den kajalumrahmten Augen der Heimleiterin schimmert es feucht. Schnell, bevor es jemand sieht, wendet sie sich ab.
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