Berliner Fashion Week: Eine neue Idee von Mode
Wird es doch noch was mit der Berlin Fashion Week? Zur Neuausrichtung holte der Senat Partner an Bord, die eine neue Dynamik ins Spiel bringen.
Dem Designerduo Benjamin Alexander Huseby und Serhat Işık von dem Berliner Label GmbH scheint es jedenfalls so zu gehen. Sie haben sich angesichts dieses merkwürdigen Gefühls, in einer Zwischenwelt festzuhängen, an einen Sci-Fi-Fernsehfilm von 1973 erinnert. „Welt am Draht“ heißt die neue Männermodekollektion von GmbH, die am Freitagabend im Rahmen der Berliner Fashion Week – als Video – präsentiert wurde, so wie Rainer Werner Fassbinders genialer Matrix-Vorläufer über das Leben in einer computersimulierten Welt.
Wie man sich für diese rüstet? Oder besser noch für die Realität dahinter? Nach der Vorstellung von GmbH mit einer Mode, deren Schnitte ebenso aus der Arbeitskleidung ausgeborgt erscheinen wie aus der klassischen Couture des vergangenen Jahrhunderts. Bestens wäre man so gekleidet für lange Clubnächte, die es ja irgendwann hoffentlich wieder geben wird.
Huseby und Işık haben ihr Label mit dem bürokratischen Namen GmbH 2016 aus einem durchaus politischen Verständnis von Mode heraus gegründet. In ihren Kollektionen, die international irre erfolgreich sind, spiegele sich, so heißt es oft, ihre Lebensrealität als Nachkommen muslimischer Einwander*innen in Europa, als Clubgänger*innen und als Kinder einer krisenhaften Zeit wider.
Abgang nach Frankfurt
Dass die neuen Entwürfe von GmbH auf der Berliner Modewoche gezeigt wurden (und zeitgleich digital in Paris), ist eine gar nicht mal so kleine Sensation, die nicht nur mit der Pandemie zusammenhängt. Im vergangenen Juni hatten die beiden großen Messen Premium und Neonyt, die bis dato parallel zur Fashion Week stattfanden, ihren Abgang nach Frankfurt am Main angekündigt, sogar das Ende der Berliner Modewoche stand im Raum. Totgesagte leben aber bekanntlich länger. Statt die Sache abzublasen, machte man sich mit finanzstarker Unterstützung des Senats, der für das Jahr 2021 ganze 3,5 Millionen Euro lockermachte, an eine Neuausrichtung mit neuen Partner*innen.
Nötig war das zweifellos. Die Berlin Fashion Week, die 2007 gegründet wurde, dümpelte schon viel zu lange im Abseits vor sich hin, Unkenrufe waren oft lauter als der Applaus beim Finale der Schauen. Zu kommerziell war sie ausgerichtet, dabei aber nie wirklich erfolgreich, verschmäht vom wichtigen internationalen Fachpublikum allein schon aus logistischen Gründen. Die von den großen Messen festgelegten Termine überschnitten sich mit Schauen in Paris. Dagegen hatte Berlin nie eine Chance. 2009 war die einflussreiche Modekritikerin Suzy Menkes einmal da. Davon sprechen manche noch immer.
Die Verlegung der Berliner Termine im Abgleich mit dem internationalen Modekalender war „für uns die Bedingung, mitzumachen“, sagt Mumi Haiati. Er ist Gründer und CEO der Kommunikationsagentur Reference Studios, die für das Magazin und Modelabel 032c, für Carhartt WIP, Our Legacy oder auch Universal Music arbeitet, und einer, der dem Treiben eine neue Richtung geben könnte. Sein Reference Festival versammelte von Donnerstag bis Samstag auf einer virtuellen Plattform illustre Gäste, die für eine neue Idee von Mode und deren kulturelle Innovationskraft stehen, auch wenn sie sich vielleicht eigentlich in Musik, Tanz oder Kunst, angrenzenden oder übergreifenden Disziplinen ausdrücken. Auch die Präsentation von GmbH fand dort statt.
Musen an Bord
So war am ersten Abend das Berliner Elektroniklabel Pan zu Gast, Amnesia Scanner spielten unter anderen, die Künstlerin Anne Imhof und ihre Partnerin Eliza Douglas steuerten eine Performance bei. 032c feierte auf dem Festival sein 20-jähriges Jubiläum. Techno-Künstlerin und Trans-Aktivistin Honey Dijon sprach mit Kurator Hans Ulrich Obrist. Eine virtuelle Ausstellung gab es auch.
Als Musen bezeichnet Haiati die Kreativen, die sie an Bord holten, und deren Auswahl auch als strategisch. Kontext und Substanz wollten sie schaffen, einen neuen Standard etablieren mit Menschen, die für eine mit Berlin assoziierte Modekultur stehen. Denn eigentlich – und das ist das Irre an der Sache mit der Berliner Fashion Week – könnte das mit Berlin und der Mode ziemlich gut passen. Lang ist die Liste der Großen aus dem internationalen Design- und Modebetrieb, die Berlin lieben, Berlin mit seinem rauen Charme des Unfertigen. Demna Gvasalia, Kreativdirektor bei Balenciaga, ist zum Beispiel so einer.
Nur hat sich dieser Geist bislang von der Fashion Week ferngehalten. Reference Studios sind nicht die einzigen Neuen bei der Fashion Week, die das ändern, Berlin wieder cool machen wollen und eventuell auch können. Das Modemagazin Highsnobiety veröffentlichte unter dem Tag „Berlin, Berlin“ verschiedene Onlineformate, konzipierte eine immersive Gruppenausstellung, bei der man sich Kunstwerke per Smartphone in die eigene Wohnung projizieren konnte, und bot passenden Merch an. Ein weißes T-Shirt und ein schwarzer Hoodie mit Aufdruck für alle, die immer schon mal für die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe Reklame laufen wollten. Der ist schließlich alles zu verdanken.
Auch die gar nicht einmal wenigen anderen digitalen Veranstaltungen und Plattformen, die vergangene Woche stattfanden und ein unübersichtliches Konvolut bildeten – ähnlich wie bei einer physischen Modewoche. Nur dass vielleicht ein bisschen mehr geredet als präsentiert wurde, meist über Nachhaltigkeit und über Digitalisierung. Nicht alle Konzepte gingen gleich gut auf, aber eine gewisse Aufbruchstimmung herrschte vor.
Ein paar Weichen sind nun gestellt, aber es muss langfristig etwas geschehen, Berlin muss dranbleiben. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein. Dranbleiben wollen auch Reference Studios. Im Juli soll das Festival, wenn möglich, nicht mehr nur am Bildschirm laufen. Dann wird auch der oder die Gewinner*in des Nachwuchspreises verkündet, den die Kommunikationsagentur gemeinsam mit der Mailänder Streetwear-Plattform Slam Jam auslobt. Vielleicht ist es der oder die nächste Hoffnungsträger*in für die Berliner Mode.
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