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Berliner Debatte um Enteignung von WohnraumLinke legt Gesetzentwurf vor

Wie kann die Vergesellschaftung von großen Immobilienfirmen rechtlich funktionieren? Berlins Linksfraktion diskutiert über einen Entwurf.

Der Andrang ist groß bei der Unterschriftensammlung für Deutsche Wohnen enteignen Foto: dpa

Berlin taz | Eigentlich ist es der dritte Schritt vor dem ersten: Die Berliner Linksfraktion hat am Samstag auf ihrer Klausur einen Gesetzentwurf für die Vergesellschaftung des Bestandes großer Immobilienfirmen vorgelegt. Doch wie die Debatte an diesem Vormittag zeigt, kann mensch nie zu früh mit einem solchen Projekt beginnen, das am Ende – da ist sich der Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg sicher – „die Republik verändern“ werde.

Bis dahin ist es aber noch ein gewisser Weg. Und der vorgestellte Entwurf sollte nach Meinung der Fraktion auch noch gar nicht die endgültige Lösung sein, sondern nur ein erster Aufschlag für die notwendige Diskussion in Fraktion, Politik und Gesellschaft. Man betrete damit schließlich „vollumfänglich juristisches Neuland“, betont Schlüsselburg, Sprecher der Fraktion für Rechtspolitik.

Vergesellschaftungen seien zwar laut Grundgesetz möglich. Der entsprechende Artikel 15 habe bisher aber ein Mauerblümchendasein geführt, es sei noch nie „zum Schwur gekommen“. Das werde nun anders, sagt Schlüsselburg: „Wir zeigen, dass wir nicht nur linke Pose machen, sondern dass wir auch liefern.“ Udo Wolf, langjähriger Fraktionschef der Berliner Linken und Innenpolitiker, fordert deshalb nicht weniger als die „gesamte Schwarmintelligenz der fortschrittlichen Juristerei“ auf, sich an der weiteren Diskussion zu beteiligen.

Der am Samstag vorgelegte Entwurf soll regeln, wie auf Grundlage des Grundgesetzartikels 15 der „Grund und Boden“ und folglich die darauf stehenden Immobilien von großen Wohnungsunternehmen vergesellschaftet werden können; wie letztere entschädigt werden müssten und wer in der Folge diese Wohnungen wie verwaltet.

Hintergrund ist das Volksbegehren Deutsche Wohnen und Co. enteignen in Berlin, das einen Volksentscheid parallel zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl am 26. September anstrebt. Die Linke in Berlin unterstützt als einzige der im Berliner Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien die Initiative im Ganzen. Sie teilt auch die Forderung, dass Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in der Hauptstadt von Enteignungen betroffen wären. Laut Berechnungen der Linken wären das aktuell mehr als 240.000 Wohnungen, was einem Anteil von etwa 12 Prozent des hiesigen Gesamtbestands entspricht.

„Wenn wir diesen Volksentscheid gewonnen haben, müssen wir am 27. September einen Gesetzentwurf in der Hand halten, der es dem nächsten Senat unmöglich macht, eine Vergesellschaftung aus faktischen und rechtlichen Gründen abzulehnen“, umreißt Sebastian Koch, Landesgeschäftsführer der Linken, das Ziel. Aber auch bis zu einem Sieg an der Urne ist es noch ein weiter Weg.

Seit gut einer Woche sammeln Un­ter­stüt­ze­r*in­nen der Initiative Unterschriften für den Entscheid. Damit es dazu kommt, braucht die Initiative rund 175.000 Un­ter­stüt­ze­r*in­nen bis Ende Juni – angesichts der aktuellen Sammlungseuphorie dürfte dies kaum ein Problem darstellen. Bei einem Volksentscheid müsste dann eine Mehrheit der Ber­li­ne­r*in­nen für eine Enteignung stimmen. Ob das jedoch gelingt, ist völlig offen.

Und selbst wenn, würde das für die Initiative noch nicht den Sieg in der Sache bedeuten: Denn sie hat, anders als andere Initiativen bei früheren Volksentscheiden, keinen Gesetzentwurf zur Abstimmung vorgelegt, der bei einem Erfolg unmittelbar in Kraft treten würde.

Nur ein Appell an den Senat

Vielmehr wird in dem zur Abstimmung stehenden Text der Senat lediglich aufgefordert, „alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 des Grundgesetzes erforderlich sind“. Ein Gesetz, wie es nun von der Linksfraktion mit dem schönen Namen „Gesetz zur Überführung von Grund und Boden von Wohnungsunternehmen in Gemeineigentum“, kurz VergesellG GrBoWo, vorgelegt wurde, wäre eine solche Maßnahme.

Die Diskussion auf der Klausur dauert mit eineinhalb Stunden nur knapp halb so lang wie vorgesehen, was an der für Nicht-Juristen schwer zu durchschauenden Materie liegen dürfte – und vielleicht auch daran, dass, wie mehrere Red­ne­r*in­nen betonen, es sich doch eher um ein erstes Gerüst handelt, das noch mit Inhalt gefüllt werden müsse.

Linke Parteiprominenz beim Auftakt zur Unterschriftensammlung vor acht Tagen Foto: dpa

Der Jurist Sebastian Schneider, der als Mitglied der Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen als Gast eingeladen war, spricht dann auch mehrere aus seiner Sicht problematische Aspekte an. Etwa die Frage, ob in dem Gesetz, wie vorgesehen, tatsächlich alle betroffenen Grundstücke im Detail aufgelistet werden müssten. „Das könnte schwierig zu recherchieren sein“, warnt Schneider und verweist auf bisweilen unklare Eigentumsverhältnisse, getarnt etwa als Briefkastenfirmen.

Nicht geregelt sei in dem Entwurf bisher, wie mit den bestehenden Mietverhältnissen nach der Vergesellschaftung umgegangen werden soll, so Schneider. Und unklar bleibe, wer danach wie entschädigt würde. Der Entwurf sieht vor, dass sich die Höhe nicht aus dem Marktwert, sondern aus dem Ertragswert berechnet, sprich: aus den Einnahmen durch Mieten, wodurch die Angelegenheit für das Land auch leichter refinanzierbar werde.

Wie soll die Entschädigung aussehen?

Schneider stellt jedoch infrage, dass eine Entschädigung in Geldform die einzige Möglichkeit sei, und ob nicht auch Schuldtitel oder Wertpapiere ein Möglichkeit wären. Nach einer Schätzung des Senats würde eine Vergesellschaftung mit Entschädigung zwischen 28 und 36 Milliarden Euro kosten, die Initiative geht von etwa 8 bis 13 Milliarden Euro aus.

Sebastian Schneider zufolge arbeitet die Initiative an einem eigenen Gesetzesentwurf. Dieser sei derzeit in der internen Abstimmung und solle in wenigen Wochen veröffentlicht werden.

Es soll nicht der einzige weitere Entwurf bleiben. Innenpolitiker Udo Wolf fordert die Koalitionspartner Grüne und SPD auf, ebenfalls Gesetzesentwürfe zu formulieren. Die SPD allerdings hatte auf einem Parteitag die Initiative deutlich abgelehnt.

Die Berliner Grünen hingegen teilen die Ziele, aber mehrheitlich nicht den Weg der Initiative. Sie hätten eine Verhandlungslösung vorgezogen, kritisieren die Festlegung auf die Zahl der 3.000 Wohneinheiten und wollen „verantwortungsvolle Vermieter*innen“ von der Enteignung ausnehmen, also solche, die unter anderem den Mietspiegel einhalten und keine Spekulation mit leerstehenden Wohnungen betreiben.

Grüne wollen bislang keinen Gesetzentwurf vorlegen

Auf taz-Anfrage teilt die grüne Fraktionssprecherin Laura Hofmann mit, man habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, wie qualitative Kriterien aussehen könnten; Ergebnisse würden für April erwartet. An einem eigenen Gesetzentwurf arbeite man deswegen noch nicht. „Das wäre auch Aufgabe der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung“, betont Hofmann. Und die wird von Linken-Senator Sebastian Scheel geleitet.

Bei der Linken ist man derweil überzeugt, dass die grundsätzliche Frage, ob eine Vergesellschaftung verfassungsrechtlich möglich wäre, geklärt ist. Ein gemeinsam mit der Bundestagsfraktion in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten habe das ergeben. „Es ist keine Frage des Ob mehr, sondern nur noch eine Frage des Wie“, sagt der Abgeordnete Schlüsselburg auf der Klausur.

Er erinnert an Artikel 28 der Berliner Landesverfassung, nach dem jeder Mensch das „Recht auf angemessenen Wohnraum“ habe und das Land „die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum“ fördert. Dieses Grundrecht sei bislang zahnlos gewesen. „Wir verhelfen ihm erst zur Geltung.“

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8 Kommentare

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  • @HEINZ STRUNK

    Firmen? Bestrafen? Nach dem Reibach, den sie in Berlin gemacht haben?

    Sie müssen in einer alternativen Realität leben. Oder die teure PR-Kampagne von Haus & Grund zeitigt doch ihre Wirkung.

  • Definitiv ein (rechtlich sehr fragwürdiger) Irrweg. Man versucht, bereits gescheiterte Wege wieder zu gehen. Ich habe noch die gerecht verteilten Plattenbauten der DDR gesehen. Nein - Danke!



    Natürlich hätte man viele Immobilien nie verkaufen dürfen. Aber dafür kann man die Firmen nicht bestrafen. Die Antwort nun kann aber nur sein - Vorkaufsrecht ausüben und : BAUEN!

  • Interessante Initiative! Aber was nützt es nochmal dem/der einzelnen Wohnungssuchenden, wenn das Eigentum in öffentlicher Hand liegt? Das viel zu knappe Angebot an Wohnraum wird durch diesen drastischen Schritt allein nicht beseitigt. Also muss ich, um die schnucklige Wohnung zu bekommen, künftig mit dem/der Genoss*in vom Wohnungsamt kungeln, statt mit dem/der Makler*in?

    • @Running Man:

      Einfach abwarten. Nach 20 Jahren in öffentlichem Besitz sehen alle Wohnungen so aus wie die Plattenbauten in der DDR 1990 - also keine Sorge, dass zumindest ihre Kinder dann ausreichend billige Wohnungen finden können. Weil alle leistungsbereiten Mitbürger dann weg sind aus Berlin.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Ich unterstütze diesen Volksentscheid, weil endlich Schluss sein muss mit den raffgierigen Typen, die uns Mietern das Geld aus der Tasche ziehen und und v.a. an den Rand der Stadt drängen wollen.



    "Dadurch wird keine Wohnung mehr gebaut" ist der Spruch der Oposition. Das bestreitet auch niemand aber es ist Augenwischerei.



    Genauso könnte man fordern, alle Häuser müssen rot angestrichen werden. Das hat mit der Forderung auf Enteignung nichts zu tun.

    Warum sind wir in der Misere? Weil die etablierten Parteien versagt haben und die Wohnungskonzerne wie Vonovia und Deutsche Wohnen hier ein Spielfeld entdeckt haben, auf dem man satte Profite abschöpfen kann. Ist das so schwer zu kapieren?

    Selbst wenn der Volksentscheid nicht erfolgreich ist, werden dann mit einem Mal jede Menge bezahlbare Wohnungen gebaut werden? Träumt weiter!

    • @17900 (Profil gelöscht):

      "Das bestreitet auch niemand aber es ist Augenwischerei." - Interessant. Ich sage mal, es ist ein Argument. Und gar kein schlchtes. (Auch, wenn es von der doofen "Opposition" kommt ;)

  • Sozialismus mit Westgeld und die Hoffnung, dass die Guten Seiten beider Systeme zum Tragen kommen. Es kann aber auch anders kommen: siehe China.

  • Das Ziel kann natürlich nicht sein, ein jeder sein Recht auf angemessenen Wohnraum verwirklicht bekommt. Das ist edle Absicht aber auch gleichzeitig Verfassungs- Müll, unnütz, weil sinnlos, weil nicht verwirklichbar.



    Das Ziel kann aber sein, die Spekulation mit Wohnraum langfristig einzudämmen und darüber hinaus auch als Staat Mieten und Preise so gestalten zu können, dass gesamtgesellschaftliche und auch gesamtwirtschaftliche Ziele verwirklicht werden können. So könnte zum Beispiel die Entvölkerung bestimmter Innenstadtbereiche verhindert werden, Sozialwohnungen könnten querfinanziert werden, andere Nutzungsvorgaben, wie z.B. kleinere Wohnungen oder strengere ökologische Auflagen, z.B. sogar autofreie Bereiche, könnten gemacht werden, Infrastruktur-, Verkehrs- und Bauplanungen kämen aus derselben Hand. Das sind völlig legitime Absichten, die auch nicht nur auf die Frage des Wohnraums beschränkt werden sollten. Sogar westdeutsche Kleinstadt-



    Fußgängerzonen sind ja längst in der Hand von Immobiliengesellschaften und kollabieren auch zunehmend unter dem Druck der steigenden Gewerbemieten. Selbstverständlich sollte der Staat gerade Immobilien auch vergesellschaften dürfen, auch enteignen, bei Bauprojekten tut er dies ja auch ständig. Dergleichen ist legal und sinnvoll, wieso sollte dies nicht auch für Wohnraum und ohne konkreten Anlass gelten? Durchsetzbar ist dergleichen aber dennoch nur im Einvernehmen mit den Spekulanten. Es wird also teuer. Und am Ende muss man dann auch sehen, dass der Staat dann auch wirklich selber wird bauen müssen, denn jenseits von Genossenschaften und Häuslebauern wird sich da dann nicht mehr viel tun. Man kann das auch für sinnvoll halten, aber auch das wird teuer, weil die Baukosten schwerlich über die dann ja demokratisch reglementierten Mieten nicht mehr refinanzierbar sein dürften.



    Ach ja: ich bin dafür! Grundsätzlich ist mehr staatliche Kontrolle der einzige Weg zu mehr sozialer Sicherheit und ökologischer Verantwortung.