Berliner Clubs nach der Zwangspause: Der Bär steppt wieder
Nach der Coronazwangspause ist das Berliner Nachtleben zurück. Zum diesjährigen „Tag der Clubkultur“ darf sogar im Berghain wieder getanzt werden.
E s ist ja nicht so, dass die Berliner Clubs in den vergangenen 19 Coronamonaten, in denen sie geschlossen bleiben mussten, nicht gehörig gejammert hätten. Vor allem die einflussreiche Lobbyorganisation Clubcommission wurde nicht müde, von der Politik Unterstützung einzufordern.
Aber wirkliche Sorgen mussten sie sich nie machen. Denn Berlins noch amtierender Kultursenator Klaus Lederer von den Linken hält seit Jahren seine schützende Hand über die Clublandschaft. Er, der von sich sagt, er gehe selber gern mal ins Berghain, ist eine Art Patron der Clubs und der um sie herum gebildeten Szenen geworden. Als die Berliner DJs und Clubangestellten wegen der Pandemie ohne Arbeit dastanden, war er es auch, der sie davor bewahrte, zum Mindestlohn Supermarktregale bestücken zu müssen. Er brachte einen Großteil von ihnen in Impfzentren unter, zu wirklich nicht schlechten Konditionen.
Auch deswegen ist Lederer in der Kreativ- und Partyszene äußerst beliebt. Wäre es nach ihr gegangen, hätte er neuer Bürgermeister werden können. Doch auch in Berlin gibt es noch Leute, die es weder mit Clubkultur noch mit sonst einer Kultur haben: Lederer ist bei den eben stattgefundenen Berliner Wahlen als Bürgermeisterkandidat nur auf Platz vier gelandet, noch hinter dem von der CDU, dessen Namen zumindest in Friedrichshain-Kreuzberg eigentlich niemand kennt.
Mehr als bloße Orte
Auf Lederers Initiative geht es auch zurück, dass Berlin seit dem letzten Jahr einen sogenannten Tag der Clubkultur hat, der nun am 3. Oktober erneut begangen wurde. Lederer sagt zu seiner Initiative, er wolle damit die Clubs würdigen, die mehr seien als bloß Orte, an denen man sich in wilden Nächten abschießen kann. Sie seien Safe Spaces für Minderheiten und würden so auch ihren Beitrag zu einem besseren Miteinander in der Stadt leisten.
Im vergangenen Jahr wurde der „Tag der Clubkultur“ noch etwas zögerlich begangen, so mitten im Coronaherbst. Dieses Mal traute man sich schon etwas mehr. In zig Clubs, verteilt über die ganze Stadt, durfte bei Einhaltung der 2G-Regeln getanzt werden.
Die Veranstalter ließen sich einiges einfallen, um zu zeigen, dass sie mehr können als nur Party. Im Mensch Meier wurde über Rassismus in der Clubkultur diskutiert, und in der Kreuzberger St.-Thomas-Kirche veranstaltete der Tresor Gottesdienste, bei denen verdienstvolle DJs, die in den vergangenen Monaten gestorben sind, mit Gedenk-DJ-Sets würdig verabschiedet wurden.
Und es gab Kohle für die Clubs und für diverse Partykollektive. Zum zweiten Mal wurden 40 von ihnen mit jeweils 10.000 Euro bedacht. Das Geld kann nicht schaden, auch wenn bislang alle Berliner Clubs gut durch die Krise manövriert werden konnten. Laut Clubcommission musste keiner aufgeben. Der Dank gilt auch Klaus Lederer. Und jetzt, wo seit vergangenem Wochenende das Berghain wieder geöffnet hat, wird ja sowieso bald wieder alles gut.
Den „Tag der Clubkultur“ soll es, so hätte es die Clubcommission am liebsten, auch nächstes Jahr wieder geben. Egal, ob dann noch jemand von Corona spricht oder nicht.
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