Berliner Ausstellung zur Menstruation: Läuft bei dir
Die Monatsblutung ist laut dem Museum Europäischer Kulturen ein alltagskulturelles Phänomen. Eine Schau will das Thema Menstruation enttabuisieren.
„Ich blute, also bin ich“, leuchtet in roten Lettern auf einen herab. Statt eines Punkts krönt ein Fragezeichen das Satzende. Es ist also weniger eine Erkenntnis im Descart’schen Sinne, die hier im Dahlemer Museum Europäischer Kulturen (MEK) ausgestellt wird, als Anlass, sich Fragen zu stellen. Fragen über eine der natürlichsten Sachen der Welt: die Menstruation.
Etwa zwei Milliarden Menschen weltweit menstruieren – heißt es in der Broschüre – mehr oder weniger regelmäßig und doch bleibt das Thema vielerorts tabuisiert und schambehaftet. Etwas aufgebrochen zwar in den vergangenen Jahren, auch dank sozialer Medien und Popkultur, ist die Aufklärung hier bei Weitem noch nicht fortgeschritten genug. Ähnlich formulierte es auch MEK-Direktorin Elizabeth Tietmeyer bei einem Pressegespräch zur Eröffnung der Ausstellung mit dem einfachen, doch prägnanten Titel „Läuft“.
Oft sei sie gefragt worden, warum sie und die Kuratorinnen Jana Wittenzellner und Sofia Botvinnik diesem scheinbar banalen Thema museal Aufmerksamkeit schenkten. Die Antwort klingt logisch wie simpel: Als MEK widme man sich alltagskulturellen Phänomenen.
Wie alltäglich die Menstruation ist, wissen menstruierende Menschen. Dass sie Teil eines ausgeklügelten Zyklus ist, der je nach Phase unterschiedliche Auswirkungen auf Körper und Psyche hat, nicht zwingend. „Läuft“, antwortet auf diese wie weitere Wissenslücken mit gefilmten Interviews von Ärzt*innen und Lehrenden, Fotos, Grafiken sowie Werbe- und Kulturproduktionen rund ums Thema.
„Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“: Museum für Europäische Kulturen. Bis 6. Oktober 2024
So informieren beispielsweise große Plakate, ähnlich der Jung-Koch-Quentell-Rollkarten, die ab den 1960er Jahren vor allem Biologisches im Schulunterricht illustrativ veranschaulichen sollten, über den Zyklus, den Aufbau der Gebärmutter und die Beschaffenheit von Menstruationsblut – inklusive einer Skala verschiedener Rottöne zum Abgleich. Auch eine Mengenangabe des sich alle paar Wochen absondernden Blutes wird mithilfe einer rotgefärbten Flüssigkeit abgebildet.
Rot gegen die Scham
Igitt? Von wegen! Der Scham, die dem monatlichen Bluten auch heute noch anhaftet, möchte man hier deutlich etwas entgegensetzen: So zieren schon den Eingang der Ausstellung wandfüllend dunkelrote Sprenkel, die an im Monatsblut enthaltene Gewebereste erinnern. Rot ist überhaupt und konsequenterweise die tonangebende Farbe der Schau – weg vom steril wirkenden Blau, wie es lange Zeit in Werbespots für weibliche Hygieneprodukte benutzt wurde.
Um etwaige Hemmschwellen abzubauen, gibt es zudem Menstruationsprodukte zum Anfassen – leider ohne visuelle Einführanleitung – sowie „Wäschestücke für besondere Zeiten“ zum Anprobieren. Letztere wurden in Handarbeit, nach einer über 100 Jahre alten Anleitung von einer Mitarbeiterin des MEKs nachgenäht.
Interaktiv und humorvoll sollte die Ausstellung werden, sagt Wittenzellner, richte sie sich doch auch an Schulklassen und deren Lehrkräfte, für die übers kommende Jahr verteilt Workshops und Fortbildungen angeboten werden. In ihnen solle detailliert auf Fragen eingegangen werden, die auch immer wieder in der Ausstellung, etwa auf Umkehrtafeln, aufploppen: „Wenn deine Periode ausbleibt, bist du dann schwanger?“ oder „Ist Periodenblut unhygienisch?“
Auch jenseits von Workshops haben sich die Kuratorinnen bemüht, zur Entmystifizierung der Periode beizutragen: So wird etwa der lange gern synonym verwendete Begriff „Regel“ erklärt und schließlich dekonstruiert, was den hoch individuellen Zyklus Menstruierender zumindest verbal aus der Normierung befreit. Hier beginnt auch der politische und kulturhistorische Teil der Menstruationsgeschichte, der neben wächsernen Krötenvotiven aus dem 18. und 19 Jahrhunderts zur Linderung von Krämpfen auch Diskussionen um den sogenannten „Menstruationsurlaub“ thematisiert.
Anhand von Social-Media-Beiträgen samt ihren Bildern (ja, hier hat jemand das Internet ausgedruckt!) weist man andernorts daraufhin, dass nicht alle Frauen menstruieren und nicht alle Menstruierenden Frauen sind. Diese Sichtbarmachung ist schön und wichtig, eine Aufklärung darüber, was Menstruieren für trans Personen tatsächlich bedeutet, wäre für ein jüngeres Publikum sicher auch interessant gewesen, diese fehlt aber.
Dennoch dokumentiert „Läuft“ auf wunderbare Weise, wie das Thema Menstruation es in den vergangenen Jahren vom Privaten ins Öffentliche geschafft hat. Alltagsgegenstände in Kunst verwandeln, das haben schon Sherman und Beuys gemacht. Vielleicht ist hier einiges nicht neu, aber es wird viel Wissen vermittelt. Sind das dann schon zehn von zehn?
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