Berliner Ausstellung zu Körpern: Kunst im Schwarm
Gedruckte Ausstellung: die Gruppenschau „zwischen körpern“ der Kleinen Humboldt Galerie erscheint in Buchform. Im K. Verlag und als e-book.
![Eine Gruppe Menschen fasst sich an den Armen und bildet ein Dreieck (Performance "Beyond Control" von Carolina Caycedo) Eine Gruppe Menschen fasst sich an den Armen und bildet ein Dreieck (Performance "Beyond Control" von Carolina Caycedo)](https://taz.de/picture/4801615/14/Fig-0303-300-Caycedo-3-of-4-1--1.jpeg)
Schwärme. Schwärme in unterschiedlichen Ausführungen. Schwärme, wie man sie aus dem Tierreich kennt oder aus Kinderbüchern wie „Swimmy“. Schwärme, die aus Einzelnen einen kollektiven Körper bilden, auch wenn dieser nur ein scheinbarer oder ein temporärer ist, der an Größe gewinnt und sich gegen Repressionen wehren kann, gegen die ein einzelnes Wesen nicht ankommt.
Fangen wir bei einer Art Schwarm von Ester Fleckner an, der die Ausstellung-als-Buch „zwischen körpern“ eröffnet, die das Team der Kleinen Humboldt Galerie entwickelte, als klar wurde, dass eine physische Ausstellung im Tieranatomischen Theater nicht mehr infrage kam. Den ersten Schwarm bildet also Fleckners dichtes Konglomerat aus in Holz eingeritzter und anschließend auf Papier gedruckter Striche auf Papier. Auf der Serie „Argumenter for begær [Arguments for Desire]“ (2013–2015) überkreuzen sich die Strichellinien, bilden abstrahierte Sternformationen, bilden Kreise um sich, finden sich in Gruppen zusammen.
Fleckner bezieht sich auf queere Thematiken wie Begehren, ohne dabei auf Figuration zurückzugreifen, eine willkommene Abwechslung zum Go-To der Queer Art. In ihrem Werk kommen wechselnde Konstellationen zum Tragen, Beziehungsgeflechte, die mal durch Abstände geprägt sind und mal als dichte Aggregationen erscheinen. Zwischen den Markierungen: Klüfte, Kollisionen, Kontakte.
![Ein abstrakter Holzschnitt der Künstlerin Ester Fleckner zeigt eingeritzte Striche, die an Sterne erinnern Ein abstrakter Holzschnitt der Künstlerin Ester Fleckner zeigt eingeritzte Striche, die an Sterne erinnern](https://taz.de/picture/4801615/14/Fig-0103-Fleckner-4-of-5-2.jpeg)
Ein personenbezogener Schwarm taucht dann aber doch auch auf, und zwar in Form einer digitalen Figur, die die Erzählerin in Marco Buetikofer & Lotte Meret Effinger experimentellem Videospiel “Datafiction“ (2019) mal eben ganz trocken in ein Cyber-Dreieck einführt: “He had a crush on me, I had a crush on Lara Croft“. Ein ganz banaler Schwarm asymmetrisch angeordneter schwarzer und weißer Rechtecke – eingeschlossen in einem Quadrat – ist schließlich auf dem der Publikation beiliegenden Flyer zu finden, der auch online verfügbar ist. Der QR-Code weißt den Weg zu solchen Videoarbeiten wie „Datafiction“, die noch bis Ende der Laufzeit im Netz einsehbar sind.
Choreographien der Macht
Schwarm kommt hier aber auch als Begriff aus der Luftwaffe oder des Policings in den Sinn: ausschwärmen, einkesseln, durchsuchen. Im Interview beschreibt Dr. Michaela Dudley die Umstände, die 1969 zum Aufstand gegen die Polizei vor dem Stonewall Inn in New York führten, allen voran Aktivist:innen of Color wie Marsha P. Johnson. Den eigenen Körper, der schon längst Gewalt ausgesetzt ist, der staatlichen Gewalt noch einmal bewusst auszusetzen, um sich ihr entgegenzusetzen, das ist das große Erbe solcher Kämpfer:innen.
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Projekt: kleinehumboldtgalerie.de/zwischenkoerper; Publikation (Dtsch./Eng.) im K. Verlag + online unter kleinehumboldtgalerie.de/ausstellungen/publikation; Programm: alle Events bis 30. 4. online; 17. 4., 14–17 Uhr, Workshop mit Kirstin Burckhardt: „Embodying Gaze: How to Embody your First-Person Perspective by Removing your Head?“
Gruppen in Bewegung und ihre „Choregraphien der Macht“, wie es im Buch heißt, kommen auch in Carlina Caycedos Performances zum Ausdruck, für die die Künstlerin Menschenansammlungen inszeniert. Eine Dokumentation der Performance „Más allá del control [Beyond Control]“ (2013–jetzt) zeigt, wie sich eine Gruppe Zuschauer:innen dicht in eine Raumecke drängt und Erzählungen zu Dammprojekten lauscht, die in den Amerikas die Bewegungen von Flussläufen einschränken.
Zum Dreieck werden, gegen Wände stoßen – es spielt sich etwas Verbindungschaffendes ab zwischen den menschlichen Körpern und den „bodies of water“, die hier augenblicklich über die Ufer treten werden.
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