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Berliner Abgeordnetenhauswahl 2026Kein Comeback für Gelbhaar

Der Ex-Bundestagsabgeordnete scheitert bei Grünen-Mitgliederversammlung in Pankow deutlich mit einer Bewerbung für einen aussichtsreichen Wahlkreis.

Stefan Gelbhaar wird wohl erst einmal nicht Abgeordneter in Berlin Foto: Fabian Sommer/dpa

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Stefan Alberti aus Berlin

taz | Für den früheren Grünen-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar gibt es kein Comeback auf Landesebene. Der 49-jährige, der nach Vorwürfen sexueller Belästigung Ende 2024 bei der Bundestagswahl am 23. Februar nicht erneut antreten konnte, scheiterte am Samstagnachmittag mit einer Bewerbung für die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Das Berliner Landesparlament wird am 20. September 2026 neu gewählt, Gelbhaar strebte die Nominierung für einen sicheren Grünen-Wahlkreis in seinem Kreisverband in Berlin-Pankow an.

Bei einer für alle Mitglieder offenen Versammlung des Kreisverbands verlor Gelbhaar deutlich gegen das örtliche Parteivorstandsmitglied Sunčica Klaas: An sie gingen zwei Drittel der 267 abgegebenen Stimmen; 179 zu 83 bei 5 Enthaltungen lautete das Ergebnis. Das Resultat deutete sich schon während der Vorstellungsreden der beiden an, während der es für Klaas deutlich mehr Beifall gab.

Klaas kann nach diesem Erfolg sicher davon ausgehen, dass sie der nächsten Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus angehören wird. Bei der jüngsten Berlin-Wahl 2023 hat der langjährige Abgeordnete Andreas Otto, der schon im September gegenüber der taz angekündigt hatte, nicht erneut zu kandidieren, dort fast 42 Prozent der Erststimmen geholt. Das war mehr als doppelt so viel wie die Zweitplatzierte, eine Kandidatin der Linkspartei mit 18,3 Prozent. Nirgendwo sonst in Berlin war ein Grünen-Kandidat erfolgreicher.

Gelbhaar war nach fünf Jahren als Grünen-Landesvorsitzender von 2011 bis 2017 Mitglied des Abgeordnetenhauses und danach in den Bundestag gewählt worden. Sein Wahlsieg in Pankow 2021 war der erste Grünen-Sieg in einem reinen Ost-Wahlkreis bei einer Bundestagswahl.

Vorwürfe bei Ombudsstelle der Partei

Unmittelbar vor der Aufstellung der Grünen-Kandidatenliste Ende 2024 für die Bundestagswahl war bekannt geworden, dass bei der Ombudsstelle der Partei Vorwürfe wegen sexueller Belästigung gegen ihn vorlagen. Der Pankower Kreisverband, der ihn bereits erneut als Wahlkreiskandidat nominiert hatte, ersetzte ihn darauf hin durch seine Parteifreundin Julia Schneider. Die gewann den Wahlkreis bei der Bundestagswahl am 23. Februar.

Die strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen Gelbhaar stürzten jedoch binnen Wochen weitgehend in sich zusammen. Zu Tage kam die Intrige einer Parteikollegin, die unter falschem Namen gegenüber dem Rundfunk Berlin-Brandenburg Anschuldigungen verbreitete. Der Sender hatte die Identität der Frau nicht überprüft.

Weiter im Raum standen und stehen jedoch strafrechtlich nicht relevante Berichte von Frauen, die angaben, Gelbhaars Verhalten als unangenehm oder übergriffig empfunden zu haben. Vor dem Eingang zur Mitgliederversammlung in einem Pankower Kulturzentrum thematisierten am Samstagmorgen mehrere Frauen mit einem Plakat und Flugblättern sexuelle Belästigung gegen Frauen, ohne darauf Gelbhaars Namen zu nennen.

Nach seiner 5-minütigen Bewerbungsrede gab es mehrere Fragen an Gelbhaar, die Vorwürfe gegen ihn aufgriffen. Unter anderem war von „patriarchalischen Reaktionsmustern“ die Rede und von mangelndem Rückhalt durch Frauen für seine Bewerbung. Gelbhaar nannte das „spannende Fragen“ und sagte: „Ein paar unterstützende Frauen gibt es, das weiß ich.“ Er habe in der Zwischenzeit „100 Gespräche geführt, vielleicht mehr“, sagte er und räumte ein, dass seine von ihm als spielerisch empfundene Art der Rhetorik zu Missverständnissen habe führen können. Sinngemäß stellte er sich als achtsamer geworden dar – „die Lektion hat gesessen“.

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