Berlin feiert 35 Jahre Mauerfall: Immerhin nicht „Wind of Change“
Kulturprojekte Berlin beschert der Stadt ein Festprogramm zum 35-jährigen Mauerfall-Jubiläum. Senatschef Kai Wegner (CDU) ist schwer begeistert.
Im Mittelpunkt der von der landeseigenen Kulturprojekte Berlin organisierten Mauersause steht eine schon jetzt zu besichtigende Plakat-Installation entlang des ehemaligen Grenzverlaufs zwischen Invalidenstraße und Axel-Springer-Straße. Oberthema der vier Kilometer langen Schilderreihe: „Haltet die Freiheit hoch!“
Alle Besucher:innen können bereits ab Freitag an der Strecke einen 340-Seiten-Hardcover-Wälzer zu 35 Jahren Mauerfall abgreifen. Der ist ebenso umsonst wie weiland die Fahrten mit der BVG für Ostberliner:innen, was bekanntlich für überfüllte Busse und Züge und bald auch schlechte Laune bei Westberliner:innen sorgte.
Aber am Jubeltag soll ja gefeiert und nicht gejammert werden. Berlins Regierender Zeremonienmeister Kai Wegner (CDU) zeigte sich dementsprechend schon am Donnerstag schwer in Stimmung und dankte Kulturprojekte Berlin, „die mit dieser Installation und einem umfangreichen Programm dieses besondere Mauerfall-Jubiläum unvergesslich machen“.
Gemeinschaftliches Mitgrölen
Dazu gehört auch das musikalische Begleitprogramm, genannt „Fest der Freiheit“. Auf fünf Bühnen, darunter am Brandenburger Tor und am Potsdamer Platz, sollen am Samstag zwischen 20 und 21 Uhr fast 700 Musiker:innen „acht ikonische Rock-Hymnen“ spielen, die Besucher:innen sind aufgefordert mitzusingen. „Das größte Mitmachkonzert, das Berlin je erlebt hat“ – drunter geht es im Anpreisetext nicht.
Die schon damals unerträgliche Wendeschnulze „Wind of Change“ von den Scorpions bleibt uns zwar erspart. Das als Abschluss geplante Mitgrölen von Marius Müller-Westernhagens „Freiheit“ macht es aber auch nicht besser. Immerhin gibt es dazu ein großes Feuerwerk.
Für alle, die am Jubiläumstag selbst noch nicht genug bekommen haben vom Mauerfallgedenken, geht es am Sonntag weiter beim Demokratiefest auf dem ehemaligen Stasi-Gelände in Lichtenberg. Geboten werden Workshops, Zeitzeug:innengespräche und Führungen. Als Grande Finale gibt es ab 20 Uhr ein kostenloses Konzert von Pussy Riot.
Der Aktionstag steht unter dem Motto „Revolution – und dann?“ Gute Frage. Zumindest im Fall des Umbruchs in der DDR vor 35 Jahren gerieten die treibenden Kräfte aus der Bürger:innenbewegung jedenfalls extrem schnell ins Hintertreffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“