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Berlin beschließt 2G-Option für KneipenSolidarität sieht anders aus

Bert Schulz
Kommentar von Bert Schulz

Die Entscheidung des Senats, 2G ohne Ausnahmen für Kinder zu ermöglichen, stößt auf starken Widerspruch. Und sie düpiert die Grünen.

Fragwürdige Entscheidung: Michael Müller und seine Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (beide SPD) Foto: dpa

S ind Berlins Grüne schon in der Opposition gelandet, zwei Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl? Am Montagabend hatte Spitzenkandidatin Bettina Jarasch im taz-Talk noch klar gemacht, für die Grünen dürfe eine 2G-Option für Kneipen, Restaurants, Kinos, etc. nur kommen, wenn es die Ausnahme für Kinder gibt, die sich bekanntlich erst ab 12 Jahren impfen lassen können. Am Dienstag morgen bekräftigte Jarasch diese Parteilinie noch einmal via Twitter. Wenige Stunden später entschied der Senat: Es kommt 2G als Option, aber ohne Ausnahmen für Kinder.

Das gebrochene Versprechen macht ein Kommunikationsproblem der Grünen im Wahlkampf deutlich. Vielleicht war die 2G-Regel mit Ausnahmen im Senat nicht durchsetzbar. Aber zumindest hätten die drei grünen Se­na­to­r*in­nen im Senat die Regel ohne Ausnahmen blockieren können, ja müssen. Nichts anderes macht SPD-Kandidatin Franziska Giffey seit geraumer Zeit, wenn auf ihren Druck eigentlich fertige Gesetze nicht mehr verabschiedet werden. Oder die Grünen hätten vorher eine solche Forderung gar nicht erst aufstellen dürfen.

Was Linke, die im Senat zumindest Kritik an der Regelung geäußert hatte, und die SPD angeht, führt die Entscheidung deren soziale Ausrichtung ad absurdum. Erneut müssen Kinder und Jugendliche, die bereits eine Hauptlast der Pandemie getragen haben, dafür zahlen, dass andere sich nicht impfen lassen. Mehr noch: sie zahlen dafür, dass der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), wie er selbst vergangene Woche zugab, keine Idee mehr hat, wie die magere deutsche Impfquote durch Anreize von Staatsseite noch erhöht werden könne.

Sicher, die Kneipen, Restaurants und Kinos müssen sich nicht für 2G entscheiden, sie können auch weiterhin 3G machen und damit Kinder und noch ungeimpften Jugendlichen den Zugang gewähren. Aber die Tendenz der Politik ist doch eindeutig: Mehr und mehr werden Sanktionen eingeführt, um den Druck, sich Impfen zu lassen, zu erhöhen. Das ist zwar nicht falsch und wohl auch nur eine Übergangsregelung für die nächsten Monate, aber wie es umgesetzt wird, ist immer auch ein Abwägungssache.

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Kinder werden in diesem Modell zu Impfverweigerern

Stets wird dabei mit der Solidarität anderen gegenüber argumentiert. Was 2G angeht sollen jene, die sich in der Pandemie solidarisch gezeigt hatten und sich impfen ließen, nicht dafür bestraft werden, dass andere das nicht taten und tun. Nun werden aber jene, die sich nur aufgrund ihres Alters bisher nicht impfen lassen können, vom Senat in die Gruppe der Impfverweigerer eingestuft. Das ist unsolidarisch.

Kein Wunder, dass Eltern in den sozialen Medien Sturm laufen gegen die Entscheidung. Auch SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey ist das aufgefallen. Prompt forderte sie am Mittwoch morgen: „Die gestrige Entscheidung des Berliner Senats zum Optionsmodell 2G muss korrigiert werden.“ Es ist unwahrscheinlich, dass die SPD Giffey jetzt im Regen stehen lässt. Was wiederum die Hoffnung von Bettina Jarasch nährt, dass auch ihre Position noch umgesetzt wird – in seltener Wahlkampfharmonie zwischen Grünen und Sozialdemokraten.

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Bert Schulz
Ex-Leiter taz.Berlin
Jahrgang 1974, war bis Juni 2023 Leiter der Berlin-Redaktion der taz. Zuvor war er viele Jahre Chef vom Dienst in dieser Redaktion. Er lebt seit 1998 in Berlin und hat Politikwissenschaft an der Freien Universität studiert.
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4 Kommentare

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  • Welchen Sinn macht es Kinder von 2G auszunehmen? Ziel von 2G ist eine „sichere“ Gruppe, in der möglichst keiner Viren verbreitet. Ungeimpfte Kinder da mit rein zu nehmen mag „gerechter“ erscheinen, nullt aber das Ziel in der Gruppe Ansteckung und Übertragung zu minimieren.

    Jetzt kann man sagen, ok, dann ist 2G unsozial, wir machen nur 3G - d‘accord.



    Aber 2G „mit Ausnahmen“ für große Gruppen wie alle unter 12 Jahre, macht noch weniger Sinn. 2G kann auch nur so lange gelten, bis eine definierte Impfquote erreicht ist, die weitere Öffnungen pandemisch unbedenklich macht (85-90%).

  • In den meisten Fällen dürfte es Kinder eh nicht treffen - was haben die in Kneipen zu suchen? Und mal auf einen Restaurantbesuch zu verzichten sollte auch machbar sein - ich sehe derzeit kaum Kinder in den Gasthäusern. Warum also der Aufschrei?

  • „Ich darf das, also mache ich es“, scheint sich der Berliner Senat zu denken. Dass man nicht alles machen muss, was einem nicht verboten wurde, scheint sich noch nicht herumgesprochen zu haben bis in die deutsche Hauptstadt. Die Senatoren hätten sich sonst vielleicht gefragt, ob sie ihre Entscheidungsfreiheit nicht sinnvoller nutzen können als ausgerechnet dafür, die Schnapsidee des Bundesgesundheitsministers vor Ort praktisch umzusetzen.

    So, wie „die USA“ noch bis (gefühlt) vorgestern ganz offiziell versucht haben, Demokratie mittels Krieg zu exportieren, will Span der Solidarität in Deutschland offenbar mittels Strafaktion auf die Sprünge helfen. Dass das nicht klappen kann, müsste er eigentlich wissen, wenn er denn wüsste, was Solidarität ist.



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    Okay, gehen wir mal einen Moment lang davon aus, dass es sich hier wirklich nur um eine Bildungslücke handelt. Fragen wir also mal wieder das Lexikon, für dessen Lektüre Spitzenpolitiker womöglich keine Zeit haben:



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    „Solidarität“, weiß Wikipedia, „bezeichnet eine […] Haltung der Verbundenheit mit und Unterstützung von Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Sie drückt […] den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus“.



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    Schön. Und nun fragen wir uns bitte einen Augenblick lang, wie gleichgestellt sich Individuen und Gruppen fühlen, wenn ihnen jemand, der gleicher ist, seine persönlichen Ideen, Aktivitäten und Ziele ohne Rücksprache und unter Strafandrohung aufs ohnehin blau angelaufene Auge drückt, weil er es



    a) will,



    b) kann und



    c) auch noch darf.



    Wird so eine „Haltung der Verbundenheit“ oder ein Gefühl der Gleichgesinntheit (gibt’s das Wort?) entstehen? In meinem Fall: NEIN.



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    Der Gegenbegriff zu solidarisch ist übrigens nicht unsolidarisch. Das Gegenteil von Solidarität ist Konkurrenz. Und wenn jemand unbedingt Konkurrenz will, kann er sie haben von mir. Der Klügere, schließlich, muss nicht unbedingt immer nachgeben.

  • Jo.

    Ich bin ja hier eher als ein Befürworter der Vorsicht aufgefallen. 3G scheint korrekt. Auch, dass der Staat nicht mehr die Tests finanzieren will scheint nachvollziehbar (obwohl m.E. strategisch dumm).

    Wenn aber die Massnahmen nicht mehr der Eindämmung der Pandemie dienen, sondern der Eindruck entsteht, sie dienen "de[m] Druck, sich Impfen zu lassen" haben wir verloren. Das ist manipulativ und das merken (hoffentlich) die Leute.

    Diese Politiker*innen sollten mal ihren autoritären Schatten zuhause lassen und zweckmässig denken. Das ist ihr verdammter Job und dafür bezahlen wir sie (viel besser als die vielzitierte Krankenschwester).

    Wäre ich Impfgegner, wäre das Wasser auf meine Mühlen.