Berlin bereitet sich auf den 1. Mai vor: Heraus zum gesunden 1. Mai
Insgesamt 18 Versammlungen sind für den 1. Mai bisher in Berlin angemeldet worden. Genehmigt ist bisher keine, sagt die Polizei.
Die Ansage war deutlich. „Das wird kein normaler 1. Mai“, erklärte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Montag im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses. Alles werde dem Infektionsschutz untergeordnet. Für Versammlungen bedeute das: „Bis auf wenige Ausnahmen werden sie nicht stattfinden.“
Stand Montag sind laut Polizeipräsidentin Barbara Slowik für den 1. Mai insgesamt 18 Versammlungen angemeldet worden. Darunter eine Veranstaltung des DGB mit 20 Teilnehmern und ein Autokorso im Grunewald. Die Polizei führe mit den Anmeldern zurzeit Kooperationsgespräche. Entschieden wurde Slowik zufolge noch in keinem Fall.
Am 1. Mai gilt noch die alte Corona-Eindämmungsverordnung. Sie besagt, dass Versammlungen unter freiem Himmel mit bis zu 20 Teilnehmenden in besonders gelagerten Fällen zugelassen werden können. Allerdings hatte sich die Polizei bei Bewilligungen ausgesprochen rigide gezeigt. Nicht angemeldete Kundgebungen waren von vornherein aufgelöst worden.
Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken, verwies im Innenausschusses denn auch auf diverse Aufrufe des revolutionären 1.-Mai-Spektrums, die im Internet kursieren. „Ich nehme an, dass es keine Anmeldungen geben wird“, sagte Schrader – wie gedenke die Polizei da zu verfahren?
In einem am Montag veröffentlichten Aufruf hat das Revolutionäre 1.-Mai-Bündnis seine Pläne für den Tag der Arbeit konkretisiert. Aktionen in Kreuzberg 36 wurden angekündigt. Eine zentrale Demonstration, heißt es, werde es aber nicht geben. Stattdessen sollten ab 18.20 Uhr über Twitter und die Bündnis-Website Orte für Protestaktionen bekannt gegeben werden.
Die Teilnehmenden sollten sich individuell – mit Mindestabstand und vermummt – dahin begeben, um ihre Botschaften zu platzieren. Geeignete Mittel dafür seien Tücher, Transparente, Parolen, aber auch „Rauchtöpfe, Sprühereien und Farbbeutel“. Um 20 Uhr solle es im ganzen Kiez ein Feuerwerk geben.
Um die „Ansteckungsgefahr zu verringern“, gebe es keinen zentralen Startpunkt, sondern nur die Angabe des Aktionsgebietes. Absperrungen der Polizei sollten umgangen werden, auch um „enge Zusammenkünfte“ mit den BeamtInnen zu meiden. Den inhaltlichen Schwerpunkt soll der „Kampf gegen die Festung Europa“ bilden. Verwiesen wird auf die rund 20.000 Geflüchteten, die allein im griechischen Lager Moria unter katastrophalen Bedingungen auf ihre Rettung warten.
Angemeldet hat das Revolutionäre 1. Mai-Bündnis seine Veranstaltung – wie schon in den Vorjahren – nicht. Auf taz-Anfrage teilt die Pressestelle der Polizei mit, „keine konkreten Hinweise auf unfriedliche Aktionen“ zu haben; dennoch sei „nicht auszuschließen, dass es im Stadtgebiet zur Begehung von Straftaten durch Einzelpersonen oder Gruppen kommen wird“.
Die Polizei räumte gegenüber der taz ein, dass sich der 1. Mai 2020 deutlich von den Vorjahren unterscheidet, was die Zahl der Anmeldungen und Aufrufe betrifft. Dennoch seien Unterstützungskräfte von Bund und Ländern angefordert worden.
„Ich bin skeptisch“, sagt der Innensenator
Die Polizei werde angemessen und mit Augenmaß vorgehen, sagte Innensenator Geisel im Innenausschuss. Das Infektionsschutzgesetz und die Eigensicherung der Beamten werde bei den Einsätzen aber im Vordergrund stehen. Auch wenn im Vorfeld behauptet werde, die Zahl von 20 Teilnehmenden nicht überschreiten zu wollen oder den Mindestabstand einzuhalten – „ich bin da skeptisch“, betonte Geisel.
Als Beispiel verwies er auf die sogenannten Hygiene-Demonstrationen. Auch da sei die Größenordnung „regelmäßig überschritten“ worden. Am vergangenen Samstag hatte die Polizei am Rosa-Luxemburg-Platz erneut eine Kundgebung von Verschwörungstheoretikern mit mehreren hundert Teilnehmern aufgelöst. „Die Polizei wird die Eindämmungsverordnung am 1. Mai durchsetzen, was auch immer passiert“, betonte Geisel.
Im Villenviertel Grunewald sind dieses Mal „infektionssichere Hausbesuche“ geplant. Das teilte das MyGruni-Bündnis, bestehend unter anderem aus Hedonistischer Internationale, dem Mietenwahnsinn-Bündnis und SeaWatch, am Montag auf einer Pressekonferenz mit. Wie in den zwei Jahren zuvor fahre man die „Politik der ausgestreckten Faust“. Die Forderung: „Villen für alle“, denn dann sei Zuhausebleiben „nicht so schlimm“.
Neben einer stationären Kundgebung sind diesmal ein Autokorso von Neukölln in den Grunewald mit je maximal 20 TeilnehmerInnen sowie ein Livestream der Aktionen geplant. Der Korso ist – anders als von der Polizeipräsidentin behauptet – laut MyGruni-Sprecherin bereits von der Versammlungsbehörde mit der Begründung verboten worden, es handele sich nicht um eine stationäre Kundgebung. Einbezogen seien Gesundheitsämter von fünf Bezirken gewesen. Gegen das Verbot will das Bündnis nun klagen.
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