Berlin Fashion Week diesmal nur digital: Wie Phönix aus der Asche
Allen Abgesängen und der Pandemie zum Trotz findet die Berlin Fashion Week statt. Digital und vielversprechend. Der Senat buttert Millionen ins Event.
Bis dato waren die Modenschauen und Präsentationen eher Beiwerk für die Messen, die das Fachpublikum anzogen, eine Neuausrichtung für eine Fortsetzung ohne deren Zugkraft also zwingend nötig. Allein für 2021 und „um die Strahlkraft Berlins zu stärken“ stellte der Senat für diese ein Investitionspaket in Höhe von 3,5 Millionen Euro zur Verfügung.
3,5 Millionen Euro sind eine Hausnummer. Zum Vergleich: In den vergangenen Jahren waren es, nach Angaben von Matthias Borowski, dem Pressesprecher der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe, lediglich rund 250.000 bis 300.000 Euro pro Saison.
Wie Borowski aufschlüsselt, entfallen 3 Millionen Euro auf die Formate der Fashion Week in Januar und Juli 2021, die verbleibenden 500.000 Euro gingen in zusätzliche Standortmarketing- und Kommunikationsmaßnahmen. Über eine Million werde für die am Montag beginnende Fashion Week ausgegeben, der Rest steht für den Sommer zur Verfügung. Einzelne Formate hätten jeweils zwischen 100.000 und 200.000 Euro erhalten.
Mischung aus Bewährtem und Neuem
In Frankfurt am Main übrigens wollen Stadt, Land Hessen und Messe Frankfurt gemeinsam 10 Millionen Euro in den Jahren 2021, 2022 und 2023 in die Frankfurt Fashion Week investieren, die im Juli zum ersten Mal ansteht.
Wäre nicht Corona, würde jetzt noch einmal die alte Kombination aus Schauen und Messen stattfinden. Pandemiebedingt fallen Letztere weg, bleiben also die Formate der neuen Berliner Modewoche. Was da vom 18. Januar an und bis Sonntag (24. Januar) so strahlen soll – und zwar offenbar möglichst nachhaltig und innovativ –, ist eine Mischung aus Bewährtem, Neuem und Wiederbelebtem.
Die MBFW, die Mercedes-Benz Fashion Week, die ihre Schauen und Präsentationen aus dem leeren Kraftwerk streamt, lässt Tom Van Der Borght den Auftakt am Montagabend gestalten. Der belgische Nachwuchsdesigner hat im vergangenen Herbst mit skulptural-avantgardistischen Entwürfen den renommierten Modepreis von Hyères gewonnen. Weitere Designer*innen und Labels im Programm sind unter anderem Kilian Kerner aus Berlin, Marc Cain (aus Süddeutschland) und Lou de Bètoly aus Frankreich.
Reanimiert wurde die Gruppenausstellung Berliner Salon, neu hinzu kommt das Fashion Open Studio, das Einblicke in die Design- und Herstellungspraxis innovativer Nachwuchslabels bieten sollen. Auf dem „202030 – The Berlin Fashion Summit“ wiederum diskutieren Branchenvertreter*innen mit Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung, auf der Konferenz „Wear It“ geht es um Aspekte der Technologie.
Modewoche mit Coolness-Faktor
Darüber hinaus aber – und das ist, was die aktuelle Ausgabe der Fashion Week wirklich anders und vielversprechend macht – holte man sich mit der PR-Agentur Reference Studios und dem Onlinemagazin Highsnobiety Veranstalter mit an Bord, die der Modewoche einen Coolness-Faktor verleihen könnten, von dem dort schon sehr lange nichts mehr zu spüren war.
Für das Reference Festival (21.–23. Januar) und Berlin, Berlin (22.–24. Januar) stellten diese ein Programm zwischen Mode und Kunst zusammen, zu deren illustren Gästen unter anderem das international gehypte Berliner Label GmbH oder die mit dem goldenen Löwen ausgezeichnete Künstlerin Anne Imhof zählen.
Trotz aller Corona-Einschränkungen und der bekannten Nachteile digitaler gegenüber analoger Großveranstaltungen klingt das alles erst einmal gar nicht schlecht, besser sogar als vieles, was in der jüngeren Vergangenheit so geboten wurde. Möglicherweise könnte also der Abgang der Messen für die Berliner Modewoche tatsächlich eine Chance sein, sich interessanter aufzustellen.
Digitalausgabe zum Start
Ein nicht unwichtiger Aspekt dabei: Ohne die Messen kann der Termin flexibler gewählt werden. Nicht selten fand die Berliner Modewoche in der Vergangenheit zeitgleich mit wichtigeren Großveranstaltungen des internationalen Modekalenders statt.
Ein Gutes hat auch die Digitalausgabe zum Start. Sie macht den sonst so auf Exklusivität bedachten Modezirkus mit einem Wisch für jeden zugänglich. Offener zu werden hatte sich die MBFW bereits vor drei Jahren, als sie sich schon einmal neu erfand, auf die Fahnen geschrieben. Jetzt könnte das vielleicht sogar gelingen, wenn sich alle von zu Hause vor dem Rechner zuschalten und es keinen erlauchten Kreis vor Ort, gar keine erste Reihe mehr gibt.
Ob das Konzept aufgehen wird, muss sich noch zeigen. Allen beteiligten Kreativen wäre es jedenfalls nur zu wünschen, gerade jetzt in diesem Jahr. Denn besonders kleineren Labels, die nicht bei den großen Onlineshops aufgeführt sind, hat die aktuelle Krise schwer zugesetzt. Wie es an sich um den „Status deutscher Mode“ steht, ist am Montagnachmittag bei der Präsentation der gleichnamigen Studie zu erfahren.
Termine, Links und Informationen zur Registrierung unter fashion-week-berlin.com
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid