Bericht zum Textilbündnis: Nachsicht mit Sündern
Im Textilbündnis werden Standards der Produktion festgeschrieben. Viele Mitgliedsfirmen verbessern die Arbeitsbedingungen aber nicht.
Das Bündnis soll die Arbeits- und Umweltbedingungen bei den Lieferanten der Textilhändler verbessern. Müller hat den Zusammenschluss aus Firmen, Bundesregierung, Verbänden und Entwicklungsorganisationen im Oktober 2014 als Reaktion auf den Einsturz des Fabrikkomplexes Rana Plaza in Bangladesch gegründet. Dort starben über 1.000 ArbeiterInnen, die teilweise auch für deutsche Firmen nähten.
Die Mitglieder bekennen sich etwa dazu, die Gebäudesicherheit in den Fabriken zu erhöhen, den Brandschutz zu verbessern und höhere Löhne einzuführen. Mit dabei sind Konzerne wie KiK, Otto und Rewe, aber auch die Kampagne für Saubere Kleidung.
Am Donnerstag tagte der Steuerungskreis des Textilbündnisses. Zuvor hatten die Mitglieder erstmals konkrete freiwillige Verbesserungsziele und Umsetzungsschritte für 2017 nennen müssen. Externe Prüfer bewerteten die sogenannten Roadmaps von 71 Mitgliedsfirmen als plausibel, in 27 Fällen wurden diese jedoch als „nicht plausibel“ eingestuft. Der Steuerungskreis entschied dennoch, allen Firmen eine weitere Chance zu geben.
Ausschluss nicht opportun
Welche Unternehmen aus welchen Gründen Probleme haben, will das Textilbündnis nicht verraten. Offenbar gehören dazu auch einige kleine Ökofirmen, die einen gemeinsamen Kritikbrief an das Bündnis schrieben. Sie beschweren sich unter anderem über die hohe Arbeitsbelastung durch zusätzliche Anforderungen, die von kleinen Betrieben schwer zu erfüllen seien. Außerdem sei es für Vorreiter mit ökologischer Orientierung schwierig, die Latte noch einmal höher zu legen. Unterzeichnet haben den Brief unter anderem Hopp KG und Maas Naturwaren.
„Um diese Unternehmen nicht zu verlieren, haben wir der Regelung von möglichen Nachbesserungen zugestimmt“, sagte Maik Pflaum von der Christlichen Initiative Romero. „Allerdings besteht die Gefahr, dass nun auch große, konventionell arbeitende Unternehmen durchrutschen, die sich keine oder zu wenig Mühe geben.“
Minister Müller erscheint es vor der Bundestagswahl offenbar nicht opportun, eine größere Zahl von Unternehmen aus dem Bündnis auszuschließen. Denn der Marktanteil der Mitgliedsfirmen droht unter 50 Prozent des deutschen Gesamtmarktes zu sinken. Anfangs deckten die Bündnismitglieder 56 Prozent des einheimischen Textilmarktes ab. Vor einigen Monaten traten jedoch Real, Trigema und weitere Händler aus. Ursprünglich hatte das Bündnis rund 190 Mitglieder verzeichnet, jetzt sind es nur noch 148.
„Es hat sich etwas in Bewegung gesetzt,“ sagte ein Sprecher des Entwicklungsministeriums trotzdem.
Bisher allerdings sind die meisten Versprechungen in den Roadmaps eben nur Theorie. Projekte zur Umsetzung der Bündnisversprechen befinden sich noch im Anfangsstadium. Konkrete Verbesserungen der Arbeits- und Umweltbedingungen in den Fabriken gab es bislang nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Gedenken an den Magdeburger Anschlag
Trauer und Anspannung
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken