Löhne in der Bekleidungsindustrie: Fleisch ist für Beschäftigte zu teuer

In Osteuropa sind die Arbeitsbedingungen in der Bekleidungsindustrie mies. Die Bezahlung liegt oft weit unter dem Mindestlohn.

Bunte Jacken und Turnbeutel hängen an einer Garderobe

Hoffentlich wurde die Kleidung nicht in Osteuropa produziert Foto: dpa

Ein Drittel der Arbeiter*innen erhält nicht den gesetzlichen Mindestlohn. Um ihn zu erreichen, müssen sie zahlreiche Überstunden dranhängen. Dabei beträgt der Mindestlohn nur 89 Euro pro Monat. So sehen die Zustände in Bekleidungs- und Schuhfabriken der Ukraine aus – dargestellt in der neuen Studie „Europas Sweatshops“ der Kampagne für Saubere Kleidung.

Schlechte Arbeitsbedingungen in Textilfabriken vermutet man in Asien, Südamerika und Nordafrika. Aber auch in Europa kommen sie mittlerweile vor. Markenunternehmen, die ihre Produkte in Deutschland verkaufen, beziehen große Mengen aus Zulieferfabriken in den ehemaligen sozialistischen Ländern. Die Produktion wurde aus Asien teilweise dorthin verlagert.

Die Kampagne für Saubere Kleidung (Clean Clothes Campaign, CCC) befragte für die Studie Arbeiter*innen in Ungarn, Serbien und der Ukraine. In diesem Staat sind etwa 220.000 Arbeitnehmer*innen in der Bekleidungs- und Schuhindustrie beschäftigt. 37 Prozent der hergestellten Waren werden nach Deutschland exportiert.

Der gesetzliche Mindestlohn beträgt in der Ukraine umgerechnet 89 Euro. Damit eine dreiköpfige Familie ein erträgliches Auskommen hat, braucht sie aber deutlich mehr. Als Existenzlohn nennt die Kampagne für Saubere Kleidung mindestens 477 Euro monatlich.

Eine der befragten Arbeiterinnen berichtet beispielsweise, sie erziele nur einen Monatslohn von rund 50 Euro, obwohl sie bis zu zehn Überstunden pro Woche zusätzlich zur Normalarbeitszeit leiste. Eine andere schildert die Auswirkungen für das praktische Leben so: „In meiner Familie gibt es praktisch kein Fleisch zu essen. Wir müssen Gebühren für Elektrizität und Wasser zahlen, 69 Euro im Monat. Meine Familie lebt von zwei Mindestlöhnen, meiner Invaliditätsrente und unserem Feld.“

Die Infrastruktur ist akzeptabel

Markenfirmen aus reichen Staaten lassen mittlerweile gerne in der Ukrai­ne produzieren. Die Infrastruktur ist akzeptabel und die Beschäftigten sind relativ gut ausgebildet. In der niedrigen Bezahlung spiegeln sich die Auswirkungen des Krieges in der Ost­ukraine, die hohe Arbeitslosigkeit und die weitgehende Abwesenheit von Gewerkschaften. Zahlreiche namhafte Firmen lassen in der Ukraine produzieren.

Dazu zählen den Angaben der Kampagne für Saubere Kleidung zufolge Adidas, Benetton, C&A, Hugo Boss, Inditex/Zara, Peek & Cloppenburg, Triumph und Tommy Hilfiger. Die angefragten Unternehmen meldeten sich allerdings bis Redaktionsschluss nicht.

In Ungarn erreichen die Beschäftigten selbst mit einem zweiten Einkommen oft nicht den Existenzlohn von 1.100 Euro für eine dreiköpfige Familie.

In Ungarn sieht es teilweise etwas besser aus. Dort beträgt der gesetzliche Mindestlohn 243 Euro. Zudem liegen die durchschnittlichen Nettolöhne in den untersuchten Fabriken laut CCC zwischen 200 und 400 Euro. Allerdings erreichen die Beschäftigten selbst mit einem zweiten Einkommen auch dort oft nicht den Existenzlohn von 1.100 Euro für eine dreiköpfige Familie.

Die Lage ist dramatisch und wird sich ohne tiefgreifende Maßnahmen für die Beschäftigten nicht ändern. Es sind vor allem die Firmen, die aktiv werden sollen. Von den Markenhändlern in Westeuropa fordert die Kampagne, dass sie eine existenzsichernde Bezahlung bei ihren Lieferanten durchsetzen sollen. Die Unternehmen wiegeln oft ab und verweisen auf die Verantwortung der nationalen Regierungen sowie die gesetzlichen Mindestlöhne in den fraglichen Länder. Auch das deutsche Textilbündnis, in dem die Bundesregierung, Unternehmen, Gewerkschaften, Verbände und Nichtregierungsorganisationen zusammenarbeiten, hat sich existenzsichernde Löhne zum Ziel gesetzt und will daran arbeiten. Allerdings ohne Zeitplan.

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