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Bericht zum Stand der EinheitOst-Wirtschaft holt nur langsam auf

Laut dem Ostbeauftragten gleichen sich die alten und neuen Länder in vielen Bereichen an. Bei politischen Einstellungen bleiben die Unterschiede derweil massiv.

Ostbeauftragter Marco Wanderwitz bei der Vorstellung des Berichts zum Stand der deutschen Einheit Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin afp/rtr | Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung hängt die ostdeutsche Wirtschaft hinter dem Westen zurück und holt nur langsam auf. Nach dem am Mittwoch vom Bundeskabinett gebilligten Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 rund 77,9 Prozent des westdeutschen Niveaus, Berlin mitgerechnet waren es 82,8 Prozent. 2010 lag dieser Wert bei 69,6 Prozent (mit Berlin bei 74,2 Prozent).

„Der Trend ist somit eindeutig: Der Abstand zwischen Ost und West baut sich weiter schrittweise ab“, heißt es in dem Bericht. „Die Zahlenvergleiche machen aber zugleich deutlich, dass es auch gut 30 Jahre nach dem Fall der Mauer noch einen klar erkennbaren Abstand in der Wirtschaftskraft zwischen Ost und West gibt.“

Zugleich nahmen die regionalen Unterschiede in Ostdeutschland zu. Dabei hatten besonders Berlin und das Berliner Umland in den vergangenen fünf Jahren deutlich aufgeholt. Die Hauptstadt habe im Jahr 2020 bei der Wirtschaftsleistung sogar erstmals den gesamtdeutschen Durchschnitt erreicht.

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), sagte, es gebe zwar weiterhin schwächere Regionen im Osten. Von einer generellen Strukturschwäche könne aber keine Rede mehr sein. Deshalb gebe es auch keine Förderung eigens für die strukturschwachen Regionen im Osten mehr, sondern generell für entsprechende Gebiete im Bundesgebiet. Hier gehe es um bestimmte Indikatoren. „Himmelsrichtungen spielen dabei keine Rolle.“

Scharfe Kritik an AfD-Wähler:innen

Wanderwitz bekräftige auch seine umstrittene Haltung zum Wahlverhalten der Menschen in den ostdeutschen Ländern, wo die AfD zumeist mehr Stimmen erhält als im Westen. Es sei nicht zu bestreiten, dass „wir alle in einer Diktatur sozialisiert worden sind“, betonte der CDU-Politiker mit Blick auf die DDR-Vergangenheit. Dies sei eine Beschreibung des Ist-Zustandes. „Wenn ich eine rechtsradikale Partei wähle, dann ist doch etwas nicht in Ordnung mit mir“, fügte er hinzu. „Das machen doch Demokratinnen und Demokraten nicht.“

„Wer mit einer Reichskriegsflagge an der Bundesstraße steht, mit dem kann man schwer reden“, fügte Wanderwitz hinzu. Das seien aber auch nicht alle. Da müsse es ein Dialogangebot geben. „Aber es kann doch nicht die Reaktion der Politik sein, dass als Dank für rechtsradikales Wählerverhalten eine besonders liebevolle Ansprache gewählt wird.“ Vielmehr müsse klar gesagt werden: „Das macht man nicht, das gefährdet die Demokratie.“

„Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehören zu den wenigen verbleibenden Feldern, auf denen man weiterhin charakteristische Unterschiede findet“, heißt es im Jahresbericht weiter. Kennzeichnend dafür sei eine in den neuen Ländern – im Vergleich zu den alten Ländern – durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung gegenüber Politik.

Bei allen Unterschieden seien die Differenzen jedoch „durchweg gradueller und nicht substanzieller Art“. So hätten sich laut einer Umfrage im Jahr 2020 in den alten Ländern 25 Prozent und in den neuen Ländern 33 Prozent der Befragten als „Mensch zweiter Klasse“ empfunden. Die Unterschiede seien keineswegs so erheblich, dass sie das Zusammenwachsen in Deutschland grundsätzlich infrage stellten.

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5 Kommentare

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  • 9G
    90118 (Profil gelöscht)

    Bei genauerer Betrachtung des Wahlergebnisses in Sachsen-Anhalt nach Alterklassen ist zu erkennen: Die wirklich Diktatursozialisierten wählten mehrheitlich die CDU. Die Hauptwählerschaft der AfD dagegen ist zu jung für eine Diktatursozialisation.



    Als Ostbeauftragter der Regierung sollte man sich mit diesen Statistiken etwas genauer auseinandersetzen.

  • Wie dieser Mensch mit seinen kruden Ansichten sich Ost-Beauftragter nennen kann, kann ich nicht verstehen. Und vielleicht sollte man dieses grundlegende Demokratiemisstrauen einfach mal als begründet nehmen, denn wenn Demokratie auch nur die Diktatur der Mehrheit ist, und die Mehrheit nunmal qua Bevölkerungszahl um in seinem Duktus zu bleiben, den alten Ländern entstammt, inklusive Wahlverhalten, Ansinnen und weltsicht, die per historie untersschiedlichen Belange der Neubrdler damit abgesehen von ein paar Brotkrumen kontinuierlich ignoriert werden, ja lächerlich gemacht werden, ist eine gewisse Demokratieskepsis doch verständlich. Nehme ich nur mich selbst als bestes Beispiel, so weiß ich, dass ich als Demokrat wählen sollte. Nur was? Ich wähle seit Jahrzehnten nur das kleinste Übel, und selbst dieses entfernt sich in seinem Programm immer mehr von den meiner Ansicht nahc wichtigen Problemen und wird damit zunehmend unwählbar. Also sind entweder meine Problemanalysen fundamental falsch oder ich finde keine Partei, die meine Meinung und meine Ansichten zu akuten Problemen vertritt. Und ich habe studiert, bin also keineswegs minderbemittelt. Somit bleibt mir nur die bewusste Nichtwahl, bzw. das Durchstreichen des Wahlzettels. Und das ist in der Tat sehr frustrierend...

  • 0G
    03821 (Profil gelöscht)

    > Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehören zu den wenigen verbleibenden Feldern, auf denen man weiterhin charakteristische Unterschiede findet

    Nun ja, dies, und das Gehalt. Wieso bekomme ich immer noch deutlich weniger, als ich im Westen verdienen würde, obwohl die Lebenshaltungskosten mittlerweile doch nahezu gleich sind und mehr von der Wohnungslage als vom Bundesland abhängen?

  • "Wanderwitz bekräftige auch seine umstrittene Haltung zum Wahlverhalten der Menschen in den ostdeutschen Ländern,.... „Wenn ich eine rechtsradikale Partei wähle, dann ist doch etwas nicht in Ordnung mit mir“, fügte er hinzu. „Das machen doch Demokratinnen und Demokraten nicht.“



    Wie sagte Bertold Brecht so treffend: "Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?“

    • @Der arbeitende Rentner:

      Brecht scheint aktueller denn je...