Bericht zum Stand der Einheit: Ost-Wirtschaft holt nur langsam auf
Laut dem Ostbeauftragten gleichen sich die alten und neuen Länder in vielen Bereichen an. Bei politischen Einstellungen bleiben die Unterschiede derweil massiv.
„Der Trend ist somit eindeutig: Der Abstand zwischen Ost und West baut sich weiter schrittweise ab“, heißt es in dem Bericht. „Die Zahlenvergleiche machen aber zugleich deutlich, dass es auch gut 30 Jahre nach dem Fall der Mauer noch einen klar erkennbaren Abstand in der Wirtschaftskraft zwischen Ost und West gibt.“
Zugleich nahmen die regionalen Unterschiede in Ostdeutschland zu. Dabei hatten besonders Berlin und das Berliner Umland in den vergangenen fünf Jahren deutlich aufgeholt. Die Hauptstadt habe im Jahr 2020 bei der Wirtschaftsleistung sogar erstmals den gesamtdeutschen Durchschnitt erreicht.
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), sagte, es gebe zwar weiterhin schwächere Regionen im Osten. Von einer generellen Strukturschwäche könne aber keine Rede mehr sein. Deshalb gebe es auch keine Förderung eigens für die strukturschwachen Regionen im Osten mehr, sondern generell für entsprechende Gebiete im Bundesgebiet. Hier gehe es um bestimmte Indikatoren. „Himmelsrichtungen spielen dabei keine Rolle.“
Scharfe Kritik an AfD-Wähler:innen
Wanderwitz bekräftige auch seine umstrittene Haltung zum Wahlverhalten der Menschen in den ostdeutschen Ländern, wo die AfD zumeist mehr Stimmen erhält als im Westen. Es sei nicht zu bestreiten, dass „wir alle in einer Diktatur sozialisiert worden sind“, betonte der CDU-Politiker mit Blick auf die DDR-Vergangenheit. Dies sei eine Beschreibung des Ist-Zustandes. „Wenn ich eine rechtsradikale Partei wähle, dann ist doch etwas nicht in Ordnung mit mir“, fügte er hinzu. „Das machen doch Demokratinnen und Demokraten nicht.“
„Wer mit einer Reichskriegsflagge an der Bundesstraße steht, mit dem kann man schwer reden“, fügte Wanderwitz hinzu. Das seien aber auch nicht alle. Da müsse es ein Dialogangebot geben. „Aber es kann doch nicht die Reaktion der Politik sein, dass als Dank für rechtsradikales Wählerverhalten eine besonders liebevolle Ansprache gewählt wird.“ Vielmehr müsse klar gesagt werden: „Das macht man nicht, das gefährdet die Demokratie.“
„Die politischen Einstellungen in den neuen und den alten Ländern gehören zu den wenigen verbleibenden Feldern, auf denen man weiterhin charakteristische Unterschiede findet“, heißt es im Jahresbericht weiter. Kennzeichnend dafür sei eine in den neuen Ländern – im Vergleich zu den alten Ländern – durchgängig skeptischere, distanziertere und auch kritischer ausgeprägte Grundeinstellung gegenüber Politik.
Bei allen Unterschieden seien die Differenzen jedoch „durchweg gradueller und nicht substanzieller Art“. So hätten sich laut einer Umfrage im Jahr 2020 in den alten Ländern 25 Prozent und in den neuen Ländern 33 Prozent der Befragten als „Mensch zweiter Klasse“ empfunden. Die Unterschiede seien keineswegs so erheblich, dass sie das Zusammenwachsen in Deutschland grundsätzlich infrage stellten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen