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Bericht zu Menschenrechten in DeutschlandDas Problem Förderschule

Deutschlands Bildungssystem versagt dabei, Kinder mit Behinderung zu inkludieren. Das deutsche Institut für Menschenrechte fordert Reformen.

Wie inklusiv ist Bildung in Deutschland? Foto: imago

Berlin taz | “Kinder und Jugendliche haben ein Grundrecht auf schulische Bildung – Kinder mit Behinderungen haben dieses Recht genau so wie Kinder ohne Behinderungen“ – mit diesen Worten stellt Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte, am Mittwoch den neuen Menschenrechtsbericht für Deutschland vor. Der Fokus liegt dieses Mal auf dem Recht auf inklusive Bildung. Die Bilanz ist ernüchternd: Die Anstrengungen der Bundesregierung, einen diskriminierungsfreien Zugang zum Schulsystem zu garantieren, bewertet der Bericht als mangelhaft.

Ein Kernproblem stellen Förderschulen dar: Das Institut kritisiert, dass aktuell mehr als die Hälfte der Schü­le­r*in­nen mit Behinderung weiterhin an Schulen unterrichtet werden, die auf sonderpädagogische Förderung ausgerichtet sind. Bund und Länder werden deshalb aufgefordert, Förderschulen abzuschaffen.

Denn Schü­le­r*in­nen verlassen diese Schulen meist ohne Schul­abschluss: „Der Beginn einer lebenslangen Exklusionskette“, wie der Bericht konstatiert. Die Schü­le­r*in­nen wechselten anschließend „oft in gesonderte und theoriereduzierte Formen der Ausbildung mit weniger Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt“. Rudolph ergänzt: „Langfristig droht ihnen Armut“.

Inklusiver Unterricht, in dem Menschen mit und ohne Behinderung von und miteinander lernen, bietet viele Vorteile für alle Beteiligten – „bis hin zu einer bildungsökonomischen Kostenersparnis“, wie es im Bericht heißt.

Bund und Länder in der Verantwortung

Deutschlandweit sind die Bundesländer bereits seit 2009 verpflichtet, ihre Schulsysteme so zu reformieren, dass sie Kinder mit Behinderung nicht diskriminieren. Der Bericht konstatiert nun: „Fast 14 Jahre nach Inkrafttreten der UN-BRK in Deutschland zeigen nur sehr wenige Bundesländer ausreichend politischen Willen zum menschenrechtlich erforderlichen Aufbau eines inklusiven Schulsystems mit gleichzeitigem deutlichem Rückbau der Förderschulstandorte.“ Lediglich Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein würden das Recht auf inklusive Bildung „mit großem Engagement“ umsetzen, hebt Rudolf hervor.

Aber auch der Bund sei gefordert, so das Institut – auch wenn die Kompetenz für den Bildungsbereich im deutschen Bildungsföderalismus bei den Ländern liege, könne sich die Bundesregierung nicht komplett aus der Verantwortung ziehen. So etwa bei den Beratungsangeboten, die Eltern von Kindern mit Behinderung zur Verfügung stehen: Das Institut berichtet von einem erheblichen Mehraufwand für Eltern, wenn sie ihre Kinder nicht auf eine Förderschule schicken wollen – und von Beratungsstellen und Lehrer:innen, die Eltern raten, von der Bewerbung auf einen Platz in einer inklusiven Schule abzusehen.

Das Institut fordert die Bundesregierung dazu auf, ihre eigene Zuständigkeit in der schulischen Bildung im Sinne eines kooperativen Föderalismus zwischen Bund und Ländern zu stärken, etwa durch die Einführung einer Gesamtstrategie und eines vertraglichen „Pakts für Inklusion“ zwischen Bund und Ländern. Grundsätze eines inklusiven Schulgesetzes müssten auch im Grundgesetz verankert werden, so Rudolf.

Klimawandel bedroht Menschenrechte

Der Bericht greift neben der Inklusion von Kindern mit Behinderung aber auch andere Themen auf: Klimapolitik, Situation an EU-Außengrenzen zu Belarus, Schutz älterer Menschen, kind- und jugendgerechte Justiz, Gesundheitsversorgung von Menschen mit Behinderungen.

Bei der Klimapolitik stellt das Institut der Bundesregierung ein schwaches Zeugnis aus: die politischen Anstrengungen würden bislang weder reichen, um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu reduzieren und so „Menschen vor den aktuellen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen“. Noch würde sich ausreichend mit der Frage beschäftigt, welche Art der Klimawandelanpassung unternommen werden müsse, um Menschenrechte auch zu bewahren, wenn „die Hütte brennt“, wie der stellvertretender Direktor des Instituts Michael Windfuhr die Klimakrise beschrieb.

Angesichts der gravierenden Lage bewertet Windfuhr die strafrechtlichen Verfahren gegen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation als unangemessen. „Nach menschenrechtlicher Bewertung stellen die Taten der Ak­ti­vis­t:in­nen keine Form der Gewalt dar und rechtfertigen den Präventivgewahrsam von 30 Tagen somit nicht“, so Rudolf.

Insgesamt stellt der Bericht 50 Empfehlungen an die Bundesregierung, um die Anwendung des Menschenrechts in Deutschland zu verbessern. So fordert das Institut etwa auch, dass Deutschland sich für eine internationale Menschenrechtskonvention zum Schutz von älteren Menschen einsetzt.

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8 Kommentare

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  • Ich finde es richtig das die Förderschulen abgeschafft werden. Es kann nicht sein das wenn ich als Mutter der Meinung bin das mein Sohn in keine FSch.gehört das mir das Schulamt mir trotzdem das andrehen will. Es kann auch nicht sein das mein Kind nur weil er Autist keine körperliche und keine Geistigebehinderung hat in ein Förderschule muss,weil die weil die ihn da sehen. Es geht nur ums Geld. Wir bekommen keine Schulbegleitung weil das Jugendamt Gelder sparen will obwohl er er einen Diagnose hat (35a) .

    Baden-Württemberg ist mit allem und alles 5 Schritte zurück. 30 Schüler in eine Klasse😳 wir haben für alles Geld aber nicht für unsre Kinder ? Zwei Jahre Corona wurde vergessen und das unsre Kinder die sind die am meisten darunter gelitten haben.



    Afrodita Fritzsch

    • @Afrodita Fritzsch:

      "Kinder und Jugendliche haben ein Grundrecht auf schulische Bildung – Kinder mit Behinderungen haben dieses Recht genau so wie Kinder ohne Behinderungen"

      Genau dieses Recht sollte IMMER gewährleistet werden. Für manche Kinder ist der ideale Bildungsort die Inklusion an der Regelschule, für andere ist es die Förderschule.

      Ich bin selbst Förderschullehrer in der Inklusion. Ich habe bisher zwei Schüler aus der Inklusion an die Förderschule zurückgeholt: Der erste hat zunehmend häufiger Suizidgedanken geäußert, der zweite war übergriffig und hat sehr oft geweint. Beide sind jetzt an der Förderschule unproblematische, sogar vorbildliche Schüler. Andere sind auf der Regelschule super aufgehoben und ich würde sie niemals aus der Inklusion nehmen wollen!



      Es gibt für jeden den geeigneten Förderort, aber es gibt da keine pauschalen Aussagen.

      Sinnvoll wäre es, neue Schulgebäude direkt so zu gestalten, dass zwei Schulen (Förderschule und Regelschule) in einem Gebäude sind oder so liegen, dass sie sich einen Pausenhof teilen. So könnten AGs inklusiv gestaltet sein, Schüler mit einem Bedürfnis nach dem Schönraum Förderschule aber dennoch diesen Schönraum für sich in Anspruch nehmen. Außerdem wäre ein Wechsel von Förderschule in die Inklusion und umgekehrt viel einfacher.

      Aber das würde ja wieder Geld kosten...

    • @Afrodita Fritzsch:

      Richtig! Es geht nur ums Geld.



      Daher will man auch Förderschulen abschaffen und Kinder inkludieren, völlig egal, ob dies ihrer Zukunft schadet oder nicht.

    • @Afrodita Fritzsch:

      Es ist auch schlichtweg kein Personal da. Deutschland braucht eine gut ausgebildete Bevölkerung, woher soll denn sonst das Geld für die ganzen Wohltaten kommen? Die Schulen sind schon jetzt kaum leistungsfähig. Ich finde eine Förderschule daher für Ihren Sohn durchaus zumutbar. Wenn Prrioritäten gesetzt werden müssen, dann hier.

  • Mit inklusiven Schulen, die für Inklusion weder Personal noch Mittel haben, ist Kindern mit Behinderung auch nicht gedient.



    Ist es Inklusion, wenn ein Kind die meiste Zeit des Schuljahres auf dem Flur der "inklusiven" Schule absitzt? Und wird dieses kind wohl einen Abschluss bekommen?

  • Förderschulen abschaffen? Wer so etwas fordert hat nicht begriffen was dort geleistet wird! Was soll mit behinderten Kindern werden, deren Eltern hoffnungslos überfordert sind? Mit Kindern die Jahre brauchen um sich anderen zu öffnen? Mit Kindern die zu teils heftigen Gewaltausbrüchen neigen. Wie soll eine Schulklasse aussehen in der Integrativkinder sind die eine dauernde 1:1 Betreuung brauchen?



    Gewiss ist Integration sehr wichtig. Aber eine gute Förderschule leistet dies oft besser als eine Überforderte Grundschule.

    • @L. A.:

      Zeig mir eine Regelschule mit ausreichend Differenzierungsräumen, Auszeiträumen, barrierefreien Toiletten, Aufzügen, Autismus-gerechter Architektur, usw...

      Illusion in der Grundschule geht ja oft noch gut, aber danach wird es zunehmend schwierig.

  • Bremen wirft einfach alle Kinder zusammen, ohne die nötigen Fachkräfte, Räume und Mittel. Das ist ganz sicher kein Weg.



    Zur Tami Oelfken Schule in Bremen hier ein Zitat aus der Bremer Zeitung "Weser Kurier" vom 1.12.2022



    "Mehr als 40 Beschäftigte der Schule formulierten zuletzt eine gemeinsame Überlastungsanzeige. Der Schule fehlten massiv Räume, um Kinder in Kleingruppen zu fördern, heißt es darin. Es komme vermehrt zu sogenannten „Flurkindern“, denen Rückzugsmöglichkeiten fehlten, „sodass sie einen Großteil des Schulalltags in den Schulfluren verbringen müssen“, formulieren die Beschäftigten. „Diese Kinder sind teilweise unbeschulbar und werden den ganzen Tag dementsprechend nur beaufsichtigt.“ Weil der Schule eine Mensa fehle, müssten zudem neun Klassen in ihren Klassenräumen essen. Kinder mit Behinderung, die eigene Räume bräuchten, schlügen gegen die Wände und würden im Unterricht laut schreien, was für die anderen Kinder und Lehrkräfte schwer zu ertragen sei."