Bericht über den globalen Waffenhandel: Europa rüstet schon seit Jahren auf
Keine Region hat in der vergangenen Fünfjahresperiode so viele Waffen importiert. Das schreibt das Forschungsinstitut Sipri in seinem neuem Bericht.
Als „positivste regionale Entwicklung“ der vergangenen Fünfjahresperiode, die die Sipri-Trendberichte jeweils umfassen, hebt Sipri-Forscher Pieter D. Wezeman hervor, dass die gesammelten Waffenimporte in die südamerikanischen Staaten „das niedrigste Niveau seit 50 Jahren erreicht haben“. Andererseits hätten „steigende oder anhaltend hohe Raten von Waffenimporten in Länder Europas, Ostasiens, Ozeaniens und des Nahen Ostens zu besorgniserregenden Aufrüstungen beigetragen“.
Das größte Wachstum der Rüstungseinfuhren gab es in Europa. In den Jahren 2017 bis 2021 waren die Waffenimporte durch europäische Staaten um 19 Prozent höher als zwischen 2012 und 2016 und machten 13 Prozent der weltweiten Waffentransfers aus. Dieser Trend werde sich weiter verstärken, erwartet SIPRI: Schon hätten mehrere Länder Großaufträge vor allem für den Kauf von Kampfflugzeugen aus den USA erteilt. Getrieben werde diese Entwicklung „durch die starke Verschlechterung der Beziehungen zwischen den meisten europäischen Staaten und Russland“, konstatiert Wezeman.
Weitere Regionen mit kräftig gestiegenen Waffenkäufen sind laut Sipri Ozeanien und Ostasien. Allein Australien habe seine Rüstungsimporte von 2017 bis 2021 um 62 Prozent gesteigert. Dafür seien „die Spannungen zwischen China und vielen Staaten in Asien und Ozeanien der Hauptgrund“, sagt Siemon T. Wezeman vom Waffentransfer-Programm des Instituts: „Diese Spannungen sind auch ein wichtiger Faktor für US-Waffentransfers in die Region. Die USA sind der größte Lieferant nach Asien und Ozeanien, da Waffenexporte ein wichtiges Element der China-Politik der USA sind.“
Plus in Saudi-Arabien
Im Nahen und Mittleren Osten hat sich laut den Sipri-Zahlen das starke Waffenhandelswachstum der vergangenen Jahre abgeflacht, Saudi-Arabien als weltweit zweitgrößtes Importland habe seine Käufe aber um 27 Prozent gesteigert. Treibende Kraft seien hier „der Konflikt im Jemen und die Spannungen mit dem Iran“. Indien, das weltweit derzeit größte Waffenimportland, hat gegenüber dem Vergleichszeitraum 2012 bis 2016 seine Rüstungseinfuhren um 21 Prozent verringert, plane aber bereits wieder umfassende neue Rüstungskäufe.
Indien war bislang größter Käufer russischer Waffen. Der verminderte Import schlägt sich deshalb auch in einem Minus der Rüstungsexporte Russlands um 26 Prozent nieder. Russland blieb damit zwar zweitgrößtes Exportland, sein Anteil am globalen Waffenhandel ist aber von 24 auf 19 Prozent gesunken, der der USA von 32 auf 39 Prozent gestiegen. Wuchsen die Rüstungsexporte der USA gegenüber 2012 bis 2016 um 14 Prozent, waren es für Frankreich sogar 59 Prozent. 56 Prozent dieses Handels entfielen auf Kampfflugzeuge, 15 Prozent auf Schiffe. Frankreich stand damit für 11 Prozent der globalen Waffenexporte, der Anteil Deutschlands – dem hinter Frankreich und China weltweit fünftgrößtem Waffenexporteur – sank von 5,4 auf 4,5 Prozent. Südkorea und Ägypten, an die jeweils unter anderem vier U-Boote geliefert wurden, waren die besten Kunden der deutschen Rüstungsindustrie.
Geringe Importe der Ukraine
Der Anteil der Ukraine an den globalen Waffenimporten lag in den vergangenen 5 Jahren bei nur 0,1 Prozent. „Waffenlieferungen an die Ukraine hatten im Allgemeinen eher eine politische als eine militärische Bedeutung“, konstatiert Sipri: „Die aber mit dem Wachsen der Spannungen zwischen Russland und der Ukraine seit Ende 2021 zunahm.“ Die größte militärische Auswirkung habe die Lieferung von Kampfdrohnen aus der Türkei gehabt. Tschechien war mit gepanzerten Fahrzeugen und Artilleriegeschützen Hauptlieferant der ukrainischen Armee. Gefolgt von den USA, die vor allem Panzerabwehrraketen geliefert hätten.
„Das niedrige Niveau der Waffentransfers in die Ukraine in den Jahren 2017–21 erklärt sich teilweise durch ihre begrenzten finanziellen Ressourcen und durch die Tatsache, dass sie über eigene Waffenproduktionskapazitäten verfügen und ein großes Waffenarsenal vorhanden ist“, schreibt Sipri: „Darüberhinaus beschränkten mehrere der größten waffenexportierenden Staaten bis Februar 2022 Waffenexporte in die Ukraine aufgrund von Bedenken, dass solche Transfers zur Eskalation des Konflikts beitragen könnten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Rücktritte an der FDP-Spitze
Generalsekretär in offener Feldschlacht gefallen
Ampel-Intrige der FDP
Jetzt reicht es sogar Strack-Zimmermann
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen