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Bericht des UNHCR zu ResettlementZu wenige Plätze für Geflüchtete

Laut UNHCR fehlen weltweit 1,4 Millionen Plätze für dringend schutzbedürftige Flüchtlinge. Auch Deutschland hält die Versprechungen bisher nicht ein.

Viel zu wenig Platz: das überfüllte Lager Moria auf der Insel Lesbos Foto: Murat Tueremis

Berlin taz | Wie die Flüchtlingshilfsorganisation der Vereinten Nationen, UNHCR, am Mittwoch mitteilte, fehlen weltweit 1,4 Millionen Aufnahmeplätze für dringend schutzbedürftige Flüchtlinge. Im vergangenen Jahr konnte die Organisation nach eigenen Angaben nur 63.696 Geflüchtete aus Konfliktgebieten umsiedeln. Das ist zwar eine Steigerung von etwa 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr, dennoch gebe es „nach wie vor eine enorme Kluft zwischen dem Neuansiedlungsbedarf und den von den Regierungen weltweit zur Verfügung gestellten Plätzen“, so der UNHCR in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung.

Beim sogenannten Resettlement geht es darum, kranke, schwangere, minderjährige oder traumatisierte Menschen aus Krisengebieten umzusiedeln. Es handelt sich dabei nur um einen kleinen Anteil der Flüchtlinge insgesamt. Deren Zahl liegt aktuell weltweit bei über 70 Millionen.

„Die Neuansiedlung ist keine Lösung für alle Flüchtlinge auf der Welt, aber sie ist eine lebensrettende Maßnahme, um den Schutz der am meisten gefährdeten Menschen zu gewährleisten, deren Leben oft davon abhängt“, sagte Grainne O'Hara, UNHCR-Direktorin für internationalen Schutz.

Die USA nahmen im vergangenen Jahr rund 21.000 Menschen, die meisten Geflüchteten, auf, die – vom UNHCR unterstützt – umgesiedelt sind. Es folgen Kanada (9.000), Großbritannien (6.000), Schweden (5.000) und Deutschland (4.600).

Kommunen zeigen sich aufnahmebereit

Von den mehr als 63.000 Flüchtlingen, die im vergangenen Jahr neu angesiedelt wurden, stammt die meisten aus Syrien, der Demokratischen Republik Kongo und Myanmar. Insgesamt haben 29 Staaten Plätze bereitgestellt.

Die Umsiedlung geht oft nur sehr langsam voran. Im vergangenen Mai hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch in Niger die Aufnahme von 300 weiteren Menschen angekündigt, die zuvor vom UNHCR aus libyschen Lagern evakuiert worden waren. Auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Gökay Akbulut erklärte die Bundesregierung nun, dass bislang noch kein einziger dieser besonders schutzbedürftigen Menschen aus Libyen nach Deutschland eingereist sei.

Wir brauchen keinen europäischen Strategieplan, über den ein halbes Jahr diskutiert wird. Es muss jetzt etwas passieren

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, FDP

Die Aufnahme einer so geringen Anzahl von Personen müsse „praktisch schneller umsetzbar sein“, sagte Akbulut gegenüber der taz. Bürokratische Hürden dürfen keine Barriere darstellen. Der Mechanismus, die Menschen erst aus den libyschen Lagern nach Niger und erst dann nach Europa zu bringen, sei „dysfunktional“.

Unterdessen forderte die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) angesichts der verheerenden Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern die Bundesregierung zum Handeln auf. „Wir brauchen keinen europäischen Strategieplan, über den ein halbes Jahr diskutiert wird. Es muss jetzt etwas passieren“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung während eines Besuchs auf der Insel Lesbos. Sie rief Innenminister Horst Seehofer (CSU) auf, das Thema „in Europa auf den Tisch“ zu bringen und den Griechen konkrete Hilfen in Aussicht zu stellen.

Immer mehr Kommunen sehen das ähnlich. Vergangene Woche hatte etwa die Stadt Dortmund signalisiert, 20 bis 30 Menschen aus den Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen. Der Rat soll am 13. Februar über den Vorschlag entscheiden.

Die Stadt Köln soll nach Wunsch von Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) aus humanitären Gründen 100 zusätzliche Plätze für Flüchtlinge aus den Lagern in Griechenland bereitstellen. Über den Vorschlag soll der Rat der Stadt am Donnerstag entscheiden, wie eine Stadt-Sprecherin dem Evangelischen Pressedienst (epd) bestätigte. Dortmund und Köln und viele weitere Städte hatten sich 2019 zu dem Bündnis „Städte Sicherer Häfen“ für Geflüchtete erklärt.

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