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Bergkarabach nach der WaffenruheEin Eindruck von Siegerjustiz

Bernhard Clasen
Kommentar von Bernhard Clasen

Aserbaidschan sollte vermeintliche Kriegsverbrecher aus Bergkarabach nur vor ein internationales Gericht stellen. Und die armenischen Grenzen anerkennen.

Ein Bild des russischen Verteidigungsministeriums zeigt Evakuierungsmaßnahmen in Bergkarabach Foto: epa

A serbaidschan fordert von den Separatisten eine Auslieferung von vermeintlichen Kriegsverbrechern. Das sind also die Prioritäten bei der Integration der Karabach-Armenier:innen. Man hätte den Separatisten ja auch erst mal eine aserbaidschanische Verfassung in armenischer Sprache übergeben können. Aserbaidschan will das armenische „Das ist ein Genozid“ mit einem aserbaidschanischen „Das ist ein Genozid“ beantworten. Und das geht am besten mit Schauprozessen und dem Präsentieren von Massengräbern.

Und wie entdeckt man Massengräber? Ganz einfach: Die aserbaidschanischen Dienste haben Listen von Armeniern, die ihren Informationen nach Kriegsverbrechen begangen haben und den Ort von Massengräbern kennen müssten. Jetzt können sie in Karabach jede x-beliebige Person verhaften.

Gleichwohl täte Aserbaidschan gut daran, vermeintliche Kriegsverbrecher vor ein internationales Gericht zu stellen. Ansonsten könnte schnell der Verdacht aufkommen, dass es sich hier um Siegerjustiz handelt. Aserbaidschan hat im Namen der territorialen Unversehrtheit seiner Grenzen gehandelt. Das ist völkerrechtlich genauso in Ordnung wie der ukrainische Versuch, die Krim militärisch zurückzuholen. Gleichwohl ist die Inkaufnahme von Dutzenden und Hunderten Toten nicht akzeptabel. Nun muss Aserbaidschan aber auch die Unversehrtheit der armenischen Grenzen anerkennen. Und deswegen muss es mit dem Gerede von „Westaserbaidschan“, wie man Armenien gerne nennt, und der Forderung nach einem „Korridor“ aufhören. Würde Aserbaidschan einen derartigen Korridor durch armenisches Gebiet zur Exklave Nachitschewan erzwingen, würde dies die territoriale Integrität von Armenien verletzen. Eine normale Landverbindung muss reichen.

Wo der Hass groß ist, ist auch die Gewalt nicht weit. Die in Bergkarabach stationierten russischen Friedenstruppen werden kaum die Menschenrechte der dort lebenden Armenier schützen. Es ist höchste Zeit für eine Präsenz von Menschenrechtsorganisationen in Karabach.

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Bernhard Clasen
Journalist
Jahrgang 1957 Ukraine-Korrespondent von taz und nd. 1980-1986 Russisch-Studium an der Universität Heidelberg. Gute Ukrainisch-Kenntnisse. Schreibt seit 1993 für die taz.
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7 Kommentare

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  • Wer die Meinung der prominenten Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen zu der Sache erfahren möchte: In der „Jungen Welt“ (jW) ist sie abgedruckt: www.jungewelt.de/a...e-doppelmoral.html



    Mit Rosinenpickerei in der sicher schwierigen Faktenlage gelingt es ihr, die üblichen Schuldigen an diesem Konflikt zu finden: NATO, USA, EU, … , die im Hintergrund die Fäden ziehen. Kein Wort dagegen von Kriegsverbrechen auf aserbaidschanischer oder armenischer Seite.



    Die russischen Friedenstruppen dagegen sind die „Guten“! Und weil ein Bild mehr sagt als tausend Worte, beginnt der Artikel mit einem Bild, Unterschrift: „Von russischen Friedenstruppen evakuierte armenische Zivilisten“.



    Ziel erreicht: Zumindest aus ideologischer Sicht ist die Welt wieder in Ordnung!

    • @Pfanni:

      Ein Querverweis, welcher selbige der Vollständigkeit halber sein musste…

  • Kurze Zusammenfassung, aber gute Zusammenfassung. Danke!

  • Ein fast sehr guter Kommentar! Danke dafür.

    Nut stellt der Autor damit auch die Rückeroberung der Krim in Frage, wenn dabei "dutzende oder hunderte Tote" in Kauf genommen werden? Das halte ich für erläuterungsbedürftig.

  • Liebe Taz,



    Die Analyse Aserbaidschan hätte Bergkarabach so wie die Ukraine die Krim zurückerobern dürfen ist so nicht richtig. Das völkerrechtliche Gewaltverbot aus Art. 2 Abs. 4 UN Charta schützt nach herrschender Meinung auch stabilisierte de facto Regime wie Bergkarabach. Sie sind hier leider der Aserbaidschanisch-türkischen Lesart auf den Leim gegangen. Die gewaltsame Rückeroberung Bergkarabachs ist keineswegs rechtmäßig.

  • "Aserbaidschan fordert von den Separatisten eine Auslieferung von vermeintlichen Kriegsverbrechern."



    Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe dokumentierter Handyaufzeichnungen, die Aseris in Uniform in Berg-Karabach selbstverliebt ins Netz stellen.



    Jeder, der diese Aufzeichnungen tatsächlich ansehen will, muss sich auf schrecklichste Gräueltaten an Greisen, Frauen und Kriegsgefangenen vorbereiten!

    [Kommentar gekürzt]

    Diese Monster in Uniform, ganz egal ob es sich um Azeris oder Söldner aus Syrien oder sonstwoher handelt, sollten relativ einfach anhand der Bilder und Orte und Zeiten identifizierbar sein.



    Ach so, im März diesen Jahres hielt sich der aserbaidschanische Energieminister auf Einladung von Baerbock und Habeck in Berlin auf.



    Der Ersatz von russischem Öl und Gas durch aserbaidschanische Lieferungen erfolgt doch auf der Grundlage wertebasierter Aussenpolitik, oder?



    Wer dieses Bildmaterial anschaut, behalte bitte diese Floskel im Hinterkopf!!

  • Die Eingliederung Bergkarabachs in das aserbaidschanische Staatsterritorium. Das WÄRE völkerrechtlich legitim … wenn auf den Versuch der ethnischen Säuberung seitens der Azeris verzichtet und mit den Vertretern der armenischen Bevölkerung dort über Autonomie-Sonderrechte (innerhalb des aserbaidschanischen Staatsgebietes) verhandelt würde



    Ich fürchte bloß, dazu wird es nicht kommen. Aserbaidschan ist alles andere als ein demokratischer Rechtsstaat und Alijew muss die Russen nicht fürchten, da sie ihre “schützende” Hand von Armenien weggezogen haben/wegziehen mussten. Außerdem hat er den Rückhalt Erdogans. Und der hat im Westen bekanntlich Narrenfreiheit, bei allen seinen völkerrechtswidrigen militärischen Aktionen, wie in Syrien und im Irak.