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Belgiens AKWs sind unterversichertDer atomare Haftungs-GAU

Belgien findet für seine Pannenmeiler Doel und Tihange keine neue Versicherung. Das beträfe auch Ansprüche aus Deutschlands grenznahen Regionen.

Kein attraktives Risiko für Versicherer: das belgische AKW Tihange Foto: Eric Lalmand/dpa

Tihange taz | Versicherungen sind in einer Welt wachsender Risiken ein wichtiges Fundament des Handelns – und sie sind umso wichtiger, je größer das mögliche Risiko ist. Bestes Beispiel ist die Haftpflichtversicherung sowohl für Privatleute als auch für die Industrie. Das potenziell größte Desaster könnte ein Atomkraftwerk anrichten. Wer haftet dann? Wer zahlt?

Die pannenreichen Meiler in Belgien, Doel bei Antwerpen und das besonders störanfällige Tihange nahe Lüttich, haben damit aktuell ein Problem: Ab 2021, wenn eine Neuregelung zur Versicherungshöhe greift, müssen sie sich deutlich umfänglicher versichern – und finden dafür keine Assekuranz. Das berichtete jetzt die flämische Zeitung De Standaard.

Bislang beträgt die vorgeschriebene Haftpflicht in Belgien kümmerliche 1,2 Milliarden Euro. Selbst wenn sie verzehnfacht würde, wäre das noch eine dramatische Unterversicherung. Eine Studie von Greenpeace Energy kam 2017 auf bis zu 430 Milliarden im Falle eines GAU. Finanzmathematiker haben errechnet, wie teuer dann eine Haftpflichtpolice für ein AKW eigentlich sein müsste: 72 Milliarden Euro jährlich. Abzudecken wäre das mit dem Zwanzigfachen des Strompreises. So wirtschaftlich ist Atomenergie.

Ungeklärt ist zudem, ob Geschädigte in Belgiens Nachbarländern überhaupt etwas bekämen. Die Aachener Stadtgrenze ist vom Meiler Tihange in Hauptwindrichtung Westsüdwest nur 57 Kilometer Luftlinie entfernt, das niederländische Maastricht 44 Kilometer. Insgesamt wohnen etwa neun Millionen Menschen in 75 Kilometer Umkreis.

„Nicht attraktives Risiko“

Ein Sprecher der belgischen Versicherungsgesellschaften stellt fest: „Die Versicherung kann heute nicht gedeckt werden, und sie kann auch international nicht rückversichert werden.“ Atomkraftwerke würden als „nicht attraktives Risiko“ gelten: „So etwas hassen die Versicherungen.“ Unattraktiv sind sie auch, weil viele Versicherer seit einigen Jahren offensiv mit Nachhaltigkeitsdenken werben. Da sind Schrottmeilerpolicen ein Image-GAU.

Aber: Ohne ausreichende Versicherung, so De Standaard, müsse der Kraftwerkebetreiber Engie Electrabel bei der Regierung vorstellig werden, um eine gesetzliche Garantie zu beantragen. Einspringen müsste also der Staat. Nur welcher? Belgien ist, Stand heute, seit 426 Tagen ohne Regierung. Das Land wird nur geschäftsführend verwaltet, ohne die Möglichkeit zu Gesetzgebung oder Budgetentscheidungen. Am Freitag ist der nächste königliche Vermittler gescheitert. Bis zu Belgiens eigenem Weltrekord von 541 Tagen Regierungslosigkeit (2010/11) sind es nur noch vier Monate.

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10 Kommentare

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  • >Finanzmathematiker haben errechnet, wie teuer dann eine Haftpflichtpolice für ein AKW eigentlich sein müsste: 72 Milliarden Euro jährlich.

    Könnten sie die Quelle dazu verlinken?

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Ich verstehe den Artikel nicht. Wenn man einen Versicherer finden würde, dann wäre das mit dem Kraftwerk ok? Aber was hat man davon wenn man verstrahlt ist und stirbt, wer bekommt das Geld wenn die Angehörigen ebenfalls sterben? Wozu dann überhaupt eine Versicherung, die nur die Strompreise in die Höhe treibt? Es geht in Belgien auch anders, oder wurden die Kraftwerke abgestellt?

  • Extrem hohe aber extrem seltene Risiken sind prinzipiell nicht versicherbar. Auch Haftpflicht aus Flugzeugabstürzen ist nur bis ca. 1 Mrd. EUR versichert. Voll versichert würde es viel weniger Flugzeuge geben.

  • Keine Versicherung, keine Betriebsgenehmigung.

    Wie beim Auto auch.

  • Belgien kann nicht wie die Türkei große Stauseen anlegen, es ist wie Südkorea mit Atomkraft gesegnet. Ausreichend Windkraftanlagen können kaum aufgestellt werden. So bleibt nur der Weg, sich mit Südkorea zusammenzutun und voneinander zu lernen.

  • Wie versichert man einen GAU? Haben andere AKWs ernsthaft eine Versicherung für den Ernstfall?

    • 6G
      64984 (Profil gelöscht)
      @nutzer:

      Nein, die sind alle hoffnungslos unterversichert. Auch die deutschen.



      Wenn Kernkraftwerke sich voll versichern müssten (wie andere Industriebetriebe auch) würde kein einziges AKW laufen.

    • @nutzer:

      Ein Teil der Antwort würde die Bevölkerung verunsichern...

      • 8G
        83492 (Profil gelöscht)
        @Linksman:

        Der SZ-Artikel ist von 2011, wüsste aber nicht, dass sich seit dem etwas geändert hätte:

        "Derzeit regelt die Pariser Konvention, wie die Betreiber von Atomkraftwerken im Schadensfall haften. Das Abkommen sieht für die Unterzeichner eine Deckungspflicht zwischen 70 und 700 Millionen Euro vor. In Deutschland ist das Fünffache dieses Betrags vorgeschrieben; seit 2001 gilt eine Deckungsvorsorge von zweieinhalb Milliarden Euro. 255,6 Millionen werden über eine Haftpflichtversicherung abgedeckt, der Rest über gegenseitige Zusagen der Betreibergesellschaften.



        ...



        Die Schäden nach der doppelten Naturkatastrophe in Japan werden derzeit auf mindestens 100 Milliarden Euro geschätzt - die Folgen eines möglichen GAUs nicht eingerechnet."

        www.sueddeutsche.d...n-lassen-1.1074008

        • 6G
          64984 (Profil gelöscht)
          @83492 (Profil gelöscht):

          soviel ich weiß, nicht 100 Milliarden, sondern 450 Milliarden.