Belagerung im Kurdengebiet: Dramatische Lage in der Stadt Cizre
Die Kurdenpartei HDP ruft nach internationaler Hilfe für die eingeschlossene Bevölkerung. Regierungsnahe Medien sprechen von PKK-Kämpfern.
Nach Angaben von HDP-Vertretern vor Ort wird das Haus von Spezialpolizeieinheiten belagert und beschossen. Drei Abgeordnete der Partei haben bereits am Mittwoch im Innenministerium in Ankara versucht zu erreichen, dass die Polizei Ambulanzfahrzeuge vorfahren lässt, damit die Verwundeten abtransportiert werden können.
Obwohl der stellvertretende Innenminister Sebahattin Öztürk sich daraufhin mit dem Gouverneur vor Ort in Verbindung gesetzt hat, passierte dort nichts. Die drei HDP-Abgeordneten, darunter der frühere Bürgermeister von Diyarbakir, Osman Baydemir, haben daraufhin am Mittwoch im Innenministerium einen Hungerstreik begonnen.
Während die HDP von verletzten Zivilisten spricht, die in das Haus geflüchtet sind, sprechen die regierungsnahen Medien davon, dass sich PKK-Kämpfer in dem Haus befinden. Auf Veranlassung des Gouverneurs sei dennoch ein Krankenwagen in die Nähe des Hauses gebracht worden, doch kein Verletzterhabe den in Anspruch nehmen wollen.
Eskalation auch in Diyarbakır
Da die gesamte Stadt Cizre vom Militär abgesperrt ist, ist es unmöglich, unabhängige Informationen zu bekommen. Die telefonischen Notrufe aus Cizre sind aber so dramatisch, dass Amnesty International jetzt zu einer urgent action aufgerufen hat. Ausländische Regierungen sollen sich einschalten. Kurdische Vertreter fordern schon länger, dass die EU sich in den Konflikt im Südosten der Türkei engagiert. In einem Interview hatte der Ko-Vorsitzende der HDP, Selahattin Demirtas, insbesondere die deutsche Regierung aufgefordert, ihr Gewicht für einen Waffenstillstand im Südosten der Türkei einzusetzen.
Nicht nur in Cizre, auch in der größten kurdischen Stadt Diyarbakır, ist die Situation weiter eskaliert. Nachdem am Mittwoch bei einem Schusswechsel in der umkämpften Altstadt vier Soldaten und ein Polizist getötet wurden, ist die Ausgangssperre noch am Mittwochabend auf die gesamte Altstadt ausgedehnt worden.
In den bisherigen 60 Tagen der Belagerung der Altstadt war nur ein Teil von der Ausgangssperre betroffen. Hunderte Bewohner verließen bislang ihre Häuser und suchten Zuflucht in anderen Stadtteilen. Durch die Ausweitung der Kampfzone sind bis zu 70.000 Menschen betroffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?