Behandlung von Autoimmunerkrankungen: Mit Zucker gegen Multiple Sklerose
Eine neue Studie zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen macht Hoffnung: Erstmals konnten Symptome bei Tieren vollständig gestoppt werden.
![Makroaufnahme einer Spritze Makroaufnahme einer Spritze](https://taz.de/picture/6625625/14/spritze-grippe-impfstoff-1.jpeg)
Mindestens 250.000 Menschen in Deutschland sind an Multipler Sklerose erkrankt. MS ist, ähnlich wie Rheuma oder Diabetes-Typ-1, eine Autoimmunerkrankung. Solche Krankheiten gelten bislang zwar als therapierbar, aber unheilbar. Dem Ziel, dies zu ändern, könnten US-Forscher*innen nun einen entscheidenden Schritt näher gekommen sein. Erstmals konnten Symptome der Krankheit bei Tieren gestoppt werden.
Ein Team der University of Chicago hat nun gezeigt, dass inverse Impfungen, die eine Immunreaktion unterdrücken, für die Behandlung von Autoimmunkrankheiten vielversprechend sein könnten. Die Ergebnisse ihrer Studie haben sie im Fachmagazin Nature Biomedical Engineering veröffentlicht.
Eigentlich ist das Immunsystem dazu da, den Körper bei Infektionen zu schützen. Es erkennt zum Beispiel Antigene wie Viren und Bakterien, die in den Körper eindringen und wehrt sie ab, indem es Antikörper bildet. Impfungen bereiten den Körper auf einen Krankheitserreger vor, indem sie bereits vor der Infektion eine Immunantwort auslösen.
Anders sieht es bei Personen mit Autoimmunerkrankungen aus: Ihr Immunsystem kann nicht zwischen körperfremden und körpereigenen Antigenen unterscheiden. Es attackiert gesunde Körperzellen, wodurch Zell- oder Gewebeschäden entstehen. Autoimmunkrankheiten geben der Forschung viele Rätsel auf, oftmals ist nicht bekannt, wie es zu der Fehlfunktion kommt.
Vollständiger Schutz vor Krankheit
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Bei MS weiß man, dass die Myelinschicht beschädigt wird, eine proteinhaltige Substanz, die die meisten Nervenfasern im Körper umhüllt. Genau diese Immunreaktion soll die inverse Impfung unterdrücken. Die US-Forscher*innen koppelten zu diesem Zweck ein Myelinprotein, auf das das Immunsystem fälschlicherweise reagieren würde, mit einem Zuckermolekül. Sie vermuteten, dass das Zuckermolekül dem Immunsystem signalisiert: Hey, lass mich in Ruhe, ich tue dir nichts. Und es funktionierte. Fünfzig Tage lang beobachtete das Forschungsteam Gruppen von an MS erkrankten Mäusen, von denen einige am ersten Tag, nach drei Tagen oder nach sechs Tagen eine inverse Impfung erhalten hatten. Das Ergebnis: Alle Tiere zeigten einen vollständigen Schutz vor der Krankheit.
Vielleicht ein Durchbruch. Die Forscher*innen zeigen erstmals, dass eine Behandlung mit einer inversen Impfung nach dem Ausbruch der Krankheit erfolgreich ist. Die Attacken auf die Myelinschicht wurden gestoppt und Krankheitssymptome wie Lähmungen oder Sehverluste gingen zurück. Auch Mäuse, die eine schubförmige MS-Variante hatten – die am weitesten verbreitete Form der Krankheit –, wurden nach einer Impfung nicht rückfällig. Für heutige MS-Patient*innen bedeutet das aber nur ein Licht am Ende eines sehr langen Tunnels. Der Weg vom Mausmodell zur Marktreife ist weit.
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