piwik no script img

Begrenzung von ManagergehälternSchweizer Votum gegen die Abzocker

Die Schweizer nehmen Volksinitiative zur Begrenzung von Managergehältern mit Rekordmehrheit an. Auch die Bewerbung für Winterolympiade 2022 wurde abgelehnt.

Künftig können die Managergehälter und Boni der 271 börsennotierten Firmen in der Schweiz jährlich neu festgelegt und begrenzt werden. Bild: dpa

GENF taz | Mit einer fast 70-prozentigen Zustimmung zur sogenannten „Abzockerinitiative“ hat die Schweizer Bevölkerung am Sonntag ein in Europa bislang einmalig deutliches Zeichen gegen die Einkommensexzesse bei Führungskadern von Unternehmen gesetzt.

Künftig können die Gehälter und Bonuszahlungen für die Manager der 271 börsennotierten Firmen in der Schweiz von den Aktionärsversammlungen jährlich neu festgelegt und begrenzt werden. Anwerbe-, Entschädigungs oder Konkurrenzausschlusszahlungen für Manager sind grundsätzlich verboten. Die neuen Bestimmungen werden in die eidgenössische Verfassung eingefügt.

Der weit schwächere Gegenvorschlag der Regierung und der rechtsbürgerlichen Mehrheitsparteien im Parlament wurde von den StimmbürgerInnen abgelehnt. Die Regierung und der Kanton Graubünden scheiterten auch mit dem Plan, sich um die Winterolympiade 2022 zu bewerben. Dieses Vorhaben stieß bei über 54 Prozent der Graubündner StimmbürgerInnen auf Ablehnung.

Seit Einführung nationaler Volkabstimmungen in der Schweiz 1874 erhielt nur die Initiative für einen arbeitsfreien Nationalfeiertag am 1. August eine größere Zustimmung als die „Abzockerinitiative“. Eine Mehrheit galt bereits seit Ende letzten Jahres als wahrscheinlich. Gesichert war sie, nachdem Mitte Februar ein Geheimvertrag bekannt wurde, der dem scheidenden Verwaltungsrats-vorsitzenden des Basler Chemiekonzerns Novartis, Daniel Vasella, eine „Entschädigungszahlung“ von 72 Millionen Franken (60 Millionen Euro) dafür garantierte, dass er bis Ende 2018 nicht für ein Konkurrenzunternehmen tätig wird.

Historische Niederlage

Die Annahme der Abzockerinitiative ist eine historische Niederlage für den bislang allmächtigen Wirtschaftsverband Economiesuisse, der zur Bekämpfung der Initiative über 8 Millionen Franken einsetzte, und zugleich eine schallende Ohrfeige für die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) und die drei bürgerlichen Mitteparteien, die mit ihrer Mehrheit in der Regierung und im Parlament den gescheiterten Gegenvorschlag an das Volk durchgesetzt hatten.

Unterstützt wurde die Abzockerinitiative von den Schweizer Sozialdemokraten und den Grünen. Die beiden Parteien wollen drei weitere Initiativen vor das Volk bringen: für einen landesweiten Mindestlohn, die Einführung einer Erbschaftssteuer sowie für die Begrenzung der obersten Einkommen in sämtlichen rund 100.000 Unternehmen auf das maximal Zwölffache des niedrigsten Lohnes. Nach diesem Vorschlag soll künftig niemand in einem Jahr weniger verdienen als der Top-Manager im gleichen Unternehmen in einem Monat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • V
    vjr

    Einfach mitmachen, liebe Nachbarn* – denn auch Ihr könnt schon die ersten Schritte dazu in Deutschland mitmachen, z.B.:

    – volksentscheid.de, damit er** kommt, die kommenden Schritte dazu im Bund mitmachen

     

    und z.B. in den Ländern habt ihr schon 'was, dazu mehr auf:

    – mehr-demokratie.de

     

    und z.B. die Berliner* können eben jetzt, ganz aktuell, mitmachen – dazu mehr auf:

    – berliner-energietisch.net

     

    –––

    * "innen" selbstverständlich auch drin – denn, alphabetisch nacheinander, er+es+sie auf gleicher Augenhöhe mitgemeint:)

     

    ** also genauer: die Initiative + das Referendum (8tung Witz: er mitgemeint:), auch wenn noch nicht schon so ausgewachsen wie bei uns, südlich des Rheins – aber es (8tung Witz: er+sie mitgemeint:) kommt, bestimmt...

     

    ...wieso und warum, auch wo Ihr heute schon seid, könnt ihr nachlesen z.B. im Historischen Lexikon der Schweiz (online-Werk von 2500 Autoren*):

    – hls-dhs-dss.ch

     

    und dort könnt Ihr einsteigen z.B. mit "Volksinitiative", "politische Rechte" oder:

    - Demokratie (de): hls-dhs-dss.ch/textes/d/D9926.php

    - démocratie (fr): hls-dhs-dss.ch/textes/f/F9926.php

    - democrazia (it): hls-dhs-dss.ch/textes/i/I9926.php

  • N
    noevil

    Wenigstens können wir hier anfangen zu hoffen, endlich das unsägliche Argument vom Tisch zu bekommen, dass gute Manager nur unter Einsatz von beträchtlichen Finanzmitteln hierzulande zu halten wären.

     

    Die Schweizer zeigen eine Kultur, die bei uns unter tatkräftiger politischer Hilfe untergegangen zu sein scheint.

     

    Nun liegt es an den Managern zu beweisen, ob sie den Begriffen Kultur und Ethik noch Leben geben und ihr Ansehen wieder heben können.

  • S
    Sabine

    Ich bin neidisch auf die fortschrittlichen SchweizerInnen !

     

    Lasst uns so eine Initiative hier auch machen. Brauchen wir dafür denn unbedingt Volksabstimmungen/volksentscheide auf Bundesebene?

     

    Merkels CDU ist seit Ewigkeiten dagegen, diese endlich in Deutschland einzuführen.

  • A
    Annelies

    Die Schweizer "Abzockerinitiative" läßt sich auch in Deutschland organisieren! Mit Beratung und Erfahrungsaustausch aus der Schweiz. Das ist sehr möglich.

     

    Ich glaube, viele Sozialdemokraten, Grüne, Linke, Piraten und bestimmt sogar heimlich viele Christdemokraten würden sich letztendlich an dieser Initiative beteiligen.

     

    Und erhält Verfassungsrang wie in der Schweiz und setzt sich dann fort in allen europäischen Ländern, hinein in die Europäische Verfassung.

     

    Das ist sehr möglich.

  • T
    texman

    Von den Schweizern lernen heisst Siegen lernen!

  • MG
    Michael Gossau

    Liebe Taz-Redaktion. Als SVP-Mitglied begrüsse ich ausdrücklich das Ergebnis, genau wie fast alle meiner Parteikollegen. Meine Sektion der SVP (Kanton Zürich) hat sich ebenso wie viele andere kantonale SVP-Sektionen für diese notwendige Initiative ausgesprochen. So wurde dann auch im Vorfeld ermittelt, dass bis zu 70% der SVP-Wähler für diese Initiative stimmen wollen. Es ist somit eben gerade keine schallende Niederlage für die SVP.

  • N
    Neumi

    Ich werd wohl doch meine Koffer packen und auswandern!Wie beneide ich die Schweizer für Ihre direkte Demokratie!Es wäre ein Wunder,wenn sich die Europäischen Parteien an diesem Votum ein Beispiel nehmen würden!!!Das es leider nicht geben wird!