Begehbares Parteiprogramm der CDU: Sind wir denn schon im Uterus?

In Berlin kann man die CDU nun auch fühlen: im begehbaren Parteiprogramm. Unsere Autorin hat sich auf die Reise begeben.

Ein herzähnliches Gebilde in einem Raum

Ja, das fehlte noch im Gruselkabinett des Wahlkampfs – ein begehbares Wahlprogramm Foto: Rolf Zöllner

Manchmal sollen Werbeagenturen erklären, wie sie auf eine Idee gekommen sind. Im Fall des „begehbaren Parteiprogramms“, das Jung von Matt für die CDU in Berlin-Mitte in­stalliert hat, will man nur dies wissen: Was raucht ihr? Und wenn ihr mal wieder einen Angela-im-Wunderland-Trip ausheckt – darf man dann mitmachen?

Darum geht es: Damit Leute die CDU wählen, hat die Hamburger Agentur für die Partei eine multimediale Leistungsschau aufgebaut. Man soll sehen, was die CDU angeblich Tolles getan hat und was sie Tolles tun würde, so sie denn gewählt werden sollte. So weit, so Angela. Nun aber kommt das irre Kraut ins Spiel, und der Spaß fängt an.

Nehmen wir den Hashtag. Jenes Schlagwort, unter dem das begehbare Parteiprogramm in den sozialen Medien auftauchen soll. Es lautet: „#fedidwgugl Haus“. #fedidwas? #fedidhä? Die vielen jungen CDU-Mitglieder, die in schwarz-gelb-konformen Dresses in großer Zahl herumstehen, können das flüssig aussprechen.

Es ist die Abkürzung für „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“, dem Wahlclaim der CDU. Für Berauschte also ein absolut konsequenter Hastag. Einer, dem Großes folgen sollte. Warum also etwas Geringeres planen, als den Puls der deutschen Wirtschaft in der Mitte der Ausstellung darzustellen? Entsprechend wurde eine Schneiderin beauftragt, ein etwa fünf Meter hohes, 750 Kilo schweres, rotes Riesending zu nähen, das samt Aorta und anderen Blutschläuchen von der Decke hängt und den tiefen Ton des Blutkreislaufs aussendet. Augenblicklich fühlt man sich im Innern eines Körpers und fragt sich, ob man wohl im Uterus von Mutti gelandet ist.

„Merkel muss Kanzler bleiben“

Dass es bei der Wahl kaum um die CDU geht, sondern vor allem um deren Chefin, das wird klar, wenn man die Kärtchen liest, die die Besucher haben schreiben lassen. Wundert man sich zunächst über die Krakelschrift, die die vielen aufgehängten „Schreibe Deinen Wunsch auf für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“-Kärtchen ziert, erkennt man bald, ein Roboter ist schuld. Ihn ließen die Werber anschleppen, damit er zur Verdeutlichung der Gegenwart und Zukunft das Schreiben von Zeilen wie „Merkel muss Kanzler bleiben“ übernimmt.

Ein allerdings etwas müder Einfall, verglichen mit dem Einstieg ins „#fedidwgugl-Haus: „Wirf einen Blick in den Zukunftsspiegel“, heißt es neben einem riesigen Screen, der einen unerwartet abbildet, „und zeig uns, wie Du in die Zukunft schaust.“ Wer weiße Hasen erwartet, liegt nicht falsch. Das eigene Gesicht wird durch Emojis ersetzt. Lachend, wütend, staunend. Bildet man mit den Händen eine Raute vor dem Unterleib, bekommt man ein Gesicht mit einer braunen Kurzhaarfrisur verpasst. Formt man über dem Kopf ein Dreieck, erscheint der Emoji-Kackehaufen. Die Besucherkinder lieben das.

Der ganze Screen ist voll dieser Haufen, die Kinder lachen,als hätten sie an dem Leim geschnüffelt, mit dem man einst Guido Westerwelle die „18 Prozent“ auf die Schuhsohle geklebt hatte. Das nennt man Framing. Sie werden nun die CDU als nette Partei wahrnehmen. Die mit dem Kackehaufen.

Wo ist die Integration?

Weiter geht’s ins Dunkle. Hier ist das Böse zu Hause, und die Besucher sollen als „Cyber Hero“ virtuell Kriminalität und Terrorismus bekämpfen. Man erahnt die Allmachtsgefühle von Thomas de Maizière, der wohl Tag für Tag auf Computertafeln rumwischt und begreift, dass es nicht schwer sein kann, den schlimmen Mann zu ersetzen.

Dummerweise muss für die Werber die Bearbeitung des Themas „Familie“ in jene Phase des Rausches gefallen sein, als Paranoia sich ankündigte. Das gesamte Themenfeld ist in eine Installation aus braunen Pappkartons überführt worden, und egal, ob das Thema „Kinder“, „Familienzeit“ oder „Familienbaugeld“, die Jung-von-Mattler scheinen familiäres Leben mit „Living in a Box“ gleichzusetzen. Auch soll man in dunkle Kästen greifen und dort erfühlen, was Oma nicht mehr sieht: ihre Lupe, die Fernbedienung, ihr Glasauge, das „Piccolöchen“.

Seltsamerweise fehlt es am Thema „Integration“. Oder „Einwanderung“. Das ist für die CDU wohl nicht so wichtig. Oder aber der Aufbau von großen Schlauchbooten mit der Simulation des Ertrinkens war ihr dann doch zu krass.

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