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Begegnungs-Reihe auf ArteDurch die Nacht mit rechts

Oskar Roehler und Lars Eidinger trinken in „Durch die Nacht mit …“ rekordverdächtig viel. Und Roehler gibt den antiliberalen Zündler.

Oskar Roehler (l.) und Lars Eidinger sehen in den Kulissen irgendwas Lustiges Foto: Chris Rowe/ZDF

Treffen sich zwei Exzentriker vor dem Herrn, die sie sein wollen, in … ja, wo anders als in Berlin? Oskar Roehler: der Loner unter den bekanntesten Regisseuren des Landes, keiner Schule zugehörig, an keiner Filmakademie ausgebildet, die erstaunlichsten, polarisierendsten Filme von allen drehend („Die Unberührbare“, „Agnes und seine Brüder“); Lars Eidinger: Posterboy Nummer eins des Berliner Kulturbetriebs, immer ausverkaufter Schaubühnen-„Hamlet“ seit zehn Jahren und vermutlich bis in alle Ewigkeit, bevorzugte Filmrollen: das wohlstandsverwahrloste Weichei („Alle anderen“) oder der maliziöse Dandy („SS-GB“).

Zwei Obsessive und Connaisseure der kalkulierten Provokation, die einander gefunden haben – Liebe auf den ersten Blick beim Casting zu Roehlers neuem Fassbinder-Filmprojekt. Könnte interessant werden, diese nun schon 28. in der deutschen Hauptstadt durchgemachte Nacht (gegenüber, nur zum Beispiel, 14 Nächten in Paris).

Zu den liebevollen Details der Reihe gehört die Wahl der mehr oder weniger luxuriösen Limousine, in der die Nachtschwärmer mit Programmauftrag von meist unsichtbarer Hand chauffiert werden. Der alte Mercedes dieser Folge steht ihnen gut, Roehler trinkt Champagner, noch, Eidinger Bier aus der Flasche. Es geht in die Neue Berliner Straße, jene allzu sehr nach Filmkulisse aussehende Filmkulisse aus „Babylon Berlin“ – Eidinger hat da eine Figur gegeben, die sogar beides war: wohlstandsverwahrlostes Weichei und maliziöser Dandy.

Gerade werden gelbe Telefonzellen für einen neuen Film installiert. Roehler langweilt sich ganz furchtbar und sagt das auch. Er will lieber essen, eine doppelte Portion Rostbratwürste im Diener Tattersall. Eidinger bestellt Sülze. Danach besuchen sie den Künstler John Bock, der keinen Schaumwein hat. Sie sprechen über Lieblingsfilme – Eidingers Verehrung von Godards „Le Mépris“ will Roehler nicht gelten lassen. Sein Hausgott heißt David Lynch, was nicht weiter überrascht – Roehlers „Lulu & Jimi“ war ein bonbonbuntes bundesdeutsches Remake von Lynchs „Wild at Heart“.

Die Doku

Mo., 29.1., 23.20 Uhr, Arte, "Durch die Nacht mit... Oskar Roehler und Lars Eidinger"; R: Edda Baumann-Von Broen; D: Lars Eidinger, Oskar Roehler, Oliver Masucci, John Bock

Rückblende: Während der Mercedes-Fahrt zu Würsten und Sülze fängt Roehler plötzlich davon an, dass er politisch ja eher rechts sei. Und mehr als darüber wundert man sich über Eidingers Verwunderung. Hat doch Roehler bereits in mehreren Werken, Filmen wie autofiktionalen Romanen, mit seinen Eltern aus dem linksintellektuellen Nachkriegs-Milieu (Gisela Elsner und Klaus Roehler) zunehmend hasserfüllt abgerechnet.

Hat sich Roehler doch mit „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ schon an dem nazistischsten, verbotensten, unbekanntesten deutschen Film überhaupt abgearbeitet. Hat er doch im vergangenen Jahr die Filmadaption von „Subs“ abgedreht, einem Buch des selbst ernannten Gedankenverbrechers und AfD-Werbers Thor Kunkel. Hat er doch seinem jüngsten Streich, dem „Selbstverfickung“ getauften Roman, folgende zwei, kursiv gedruckte Sätze vorangestellt: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, stellte er fest, dass er nicht mehr linksliberal war. Und das war in dieser Gesellschaft schlimmer, als sich in ein ungeheures Ungeziefer verwandelt zu haben.“

Kameradenouting

Gewiss ist Gregor Samsa nicht Oskar Roehler und Oskar Roehler nicht Franz Kafka – aber inwieweit ist Oskar Roehler Oskar Roehler? Wie ernst meint er das jetzt mit seinem Rechtssein? Und wie viel davon ist Koketterie, Pose, Provokation?

In Zeiten, in denen die mögliche Rechtslastigkeit von Christian Kracht oder Simon Strauß Feuilletondebatten auszulösen vermag? Das ist die Frage, der man gerne nachginge. Roehler weiß das natürlich. Die Homo-Ehe, okay. Aber hat er jetzt wirklich AfD gewählt? Sagt er natürlich nicht. Macht sich lieber einen Spaß, den Schauspieler Oliver Masucci als rechten Gesinnungsgenossen zu outen. Ausgerechnet den Hitler-Darsteller aus „Er ist wieder da“. Haha. Sie treffen ihn zum Kneipenbillard, und Masucci ist Roehlers Outing ein bisschen unangenehm. Sie bechern fleißig weiter (es müsste einmal einer eine Liste machen: In welcher Folge „Durch die Nacht mit …“ wurde eigentlich am meisten getrunken? ­– es könnte diese sein) und kommen dann noch auf das verkorkste Verhalten heutiger Deutscher gegenüber Juden. Tabu und Heuchelei, Roehler auf seinem Terrain.

Eine neue Debatte – „MeToo“ oder so –, wie rechts die deutsche Filmbranche wirklich ist, sich das aber nicht zu sagen traut, die würde er nur zu gerne anstoßen.

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