Bedrohung mit Schreckschusswaffen: CSD in Wernigerode bedroht
Ein 20-Jähriger soll angekündigt haben, Waffen gegen CSD-Teilnehmer:innen einzusetzen. Die Polizei öffnete bei der Durchsuchung seiner Wohnung einen Tresor.
Bei der darauf folgenden Durchsuchung seiner Wohnung fanden die Beamten vergangene Woche Munition und einen verschlossenen Tresor, wie die Staatsanwaltschaft Halberstadt der taz bestätigte. Zuerst hatte die Regionalzeitung Volksstimme darüber berichtet. Mittlerweile habe die Polizei den Tresor geöffnet: Er beinhaltete zwei Schreckschuss- und eine Softairwaffe. Zudem hätten erste Untersuchungen ergeben, die Munition sei „korrodiert“ und mutmaßlich im Freien gefunden worden. An der Ernsthaftigkeit der Drohung des 20-Jährigen bestünden Zweifel, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen dauern an, der Mann ist auf freiem Fuß.
Flako Jentsch vom CSD Wernigerode sagt, er sei froh, dass die Demonstration dieses Jahr ohne Zwischenfälle blieb. Die Stadt im Harz hat mehr als 30.000 Einwohner:innen. Etwa 360 Menschen schlossen sich am vergangenen Samstag dem dritten CSD in Wernigerode an. Doch die mutmaßliche Bedrohung durch den 20-Jährigen sei nicht die einzige gewesen. „Es gab vorab drei Anzeigen wegen klar geäußerten Bedrohungsszenarien“, sagt Jentsch der taz.
Der Fall mit der gefundenen Munition verdeutlicht laut Jentsch, dass die Gefahr für CSDs zunehme, Stück für Stück. Online gebe es solche Anfeindungen zu Hunderten. Inzwischen fänden die ihren Weg in Kneipen und auf die Straßen. Auch wenn die Staatsanwaltschaft an der Ernsthaftigkeit der Drohung des 20-Jährigen zweifle, für Jentsch bleibe: „Er hat es so geäußert und die Munition liegt bei ihm zu Hause.“
Auf freiem Fuß
Dass die Polizei vergangene Woche die Wohnung durchsucht habe, habe die CSD-Organisation schon am Samstag in Wernigerode gewusst, sagt Jentsch. „Was wir nicht wussten: dass die Person weiter auf freiem Fuß ist, durch die Stadt läuft und behauptet, sie gehe gegen die CSD-Akteure vor, weil sie ihren Ruf zerstören würden.“
Bedrohungen sind auf den CSDs in Sachsen-Anhalt ein ständiger Begleiter, berichtet Jentsch. Vor allem rechte Gruppen versuchten, „gezielt Teilnehmer:innen einzuschüchtern – oder anderes“. Es brauche ein massives Polizeiaufgebot, um sie davon abzuhalten. Die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniere zwar gut. Trotzdem sagt Jentsch: „Wir merken an den Zahlen, dass Menschen die CSDs aus Angst meiden.“
Am kommenden Samstag steht nun der nächste CSD in Sachsen-Anhalt an: in Merseburg. Es wird der erste CSD der Stadt. Vorab gab es schon Kooperationsgespräche mit den Sicherheitsbehörden, wie Mitorganisator Levi Schmitt der taz am Mittwoch berichtet. Schon vor den Berichten über den Munitionsfund in Wernigerode habe es ein „umfassendes Sicherheitskonzept“ gegeben. „Wir sind uns bewusst, dass wir in der rechten Bedrohungslage nicht ausgelassen werden“, sagt Schmitt.
Dass die Polizei die Bedrohung auf dem Schirm habe und ernst nehme, findet Schmitt beruhigend. „Die Gefahr ist nichts Abstraktes, sondern CSDs sind mittlerweile Zielscheibe“, sagt er.
Gegen den CSD in Merseburg gebe es bislang keine öffentlichen Drohungen, sagt Schmitt. Aber für den Fall, dass es bei der Parade zu Pöbeleien komme, sei man vorbereitet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
CSD-Absage der Bundestagsverwaltung
Klöckner macht Kulturkampf
Analyse zum Krieg zwischen Iran & Israel
Drehbuch mit offenem Ende
Queere Sichtbarkeit
Bundestagsgruppe darf nicht zum CSD
EU-Verordnung gegen Elektroschrott
Wenn reparieren nur günstiger wäre und schneller ginge
Minister über Angriff in Bad Freienwalde
„Das ist total alarmierend“
Gruppe Betar Deutschland
Jung, jüdisch, rechts