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Bedeutung der Bauern fürs KlimaLand ist wichtiger als Wirtschaft

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die EU setzt immer noch aufs falsche Pferd: auf Massentierhaltung, hohen Fleischkonsum, den Import von Futter. Das muss sich ändern.

Der Agrarsektor muss akzeptieren, dass er nicht nur Opfer, sondern auch Täter im Klimawandel ist Foto: dpa

D er Weltklimarat IPCC ist ein Mischwesen aus Wissenschaft und Politik. In dem „zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel“ tragen die besten ExpertInnen das aktuelle Wissen über den Klimawandel (übrigens ehrenamtlich) zusammen. Und stimmen dann ihre Zusammenfassung Wort für Wort mit den UN-Regierungen ab. Das bedeutet: Jeder IPCC-Bericht, auch der aktuelle zu Klima und Landnutzung, trägt den Stempel: „Von den Regierungen gelesen und akzeptiert.“ Und genau das ist der Hebel für eine bessere Agrarpolitik.

Denn damit machen sich die führenden Politikerinnen und Politiker weltweit zu eigen, was die Wissenschaft sagt: Landwirtschaft, wie wir sie betreiben, ruiniert den Boden und das Klima, sie gefährdet unsere Lebensgrundlagen und das Überleben anderer Arten und Ökosysteme. Auf der anderen Seite kann eine naturnahe Landwirtschaft aber sehr wohl die Menschheit ernähren, den Boden verbessern, die Artenvielfalt stärken und das Klima sichern.

Wer das nicht nur liest, sondern sogar seine Unterschrift darunter setzt, der legt sich politisch fest. Er oder sie kann dann nicht mehr ein System der industriellen Landwirtschaft unterstützen, das uns all diese Probleme einbrockt. In Europa heißt dieses System „Gemeinsame Agrarpolitik“ (GAP). Es ist unglaublich erfolgreich, wenn es um die Produktion von Masse geht, scheitert aber an der Klasse.

Mit ihm setzt die EU trotz einiger ökologischer Blühstreifen am Rand immer noch aufs falsche Pferd: auf Massentierhaltung, hohen Fleischkonsum, den Import von Futter, für das Wald vernichtet wird. Viel Geld geht an wenige große Höfe, es wird überdüngt, die Natur vergiftet, die Produkte werden im Zweifel billig verramscht.

Eine Debatte über diese Politik steht in Brüssel gerade an. Die neue EU-Kommission wird bald eine neue GAP beschließen müssen – mit genau den Ländern, die gerade den Bericht abgesegnet haben. Das aber heißt für die EU und Deutschland: weg von der Landwirtschaft als kapitalintensivem Großbetrieb hin zu regionalen Kreisläufen.

In der Landwirtschaft muss das Land wichtiger werden als die Wirtschaft. Es braucht eine EU-Politik, die nachhaltiges Vorgehen belohnt. Und wir brauchen PolitikerInnen, die sich nicht zuerst als Lobby der Agrarindustrie verstehen, sondern Steuergelder im Sinne der Forderungen des IPCC verteilen. Vor allem müssen Bauern und Agrarpolitik akzeptieren, dass sie nicht nur Opfer, sondern auch Täter im Klimawandel sind und dass sie für das Problem gute Lösungen anbieten müssen. Und können.

Bei der Vorstellung des IPCC-Berichts in Berlin durch die Ministerien für Umwelt und Forschung fehlte die Agrarministerin. Das Haus von Julia Klöckner habe bei dem Thema nicht die Federführung hieß es. Genau das ist das Problem: Eine Agrarministerin, die ihren Job richtig macht, sollte beim Schutz von Bauern und Klima an der Spitze der Bewegung stehen.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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20 Kommentare

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  • Die Zukünftige Bedeutung der Bauern wird es sein, das Artensterben als Folge des massiven Anbaus von bioenergetisch bedeutsamen Pflanzen zu rechtfertigen, weil der Rest der Gesellschaft seinen Energieverbrauch nicht auf ein Drittel des heutigen reduzieren will.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Warum wohl importieren wir Futter?



    Weil die Welt, in Deutschland produziertem Fleisch mehr traut als anderen Produzenten. Und es gleichzeitig billig ist.



    Ersteres ist subjektiv, ist aber nun mal so.



    Wenn wir das Fleisch nicht produzieren, machen es andere - auch mit Soja aus dem Ex-Regenwald.

    Der Stopp von deutschen Fleischexporten macht Deutschland sauberer, aber den Rest der Welt dreckiger.

    Aber das wäre ja auch schon was - jedenfalls für uns.

    Weniger Fleisch essen - ja. Besseres Fleisch essen - ja. Tofu nein danke.

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Wie wäre es wenn man Lebensmittel und Futter die in der EU verkauft werden maximal 500km transportieren darf vom Produzenten bis zum Supermarkt. Das würde viel fürs Klima tun, kein Soja aus Südamerika mehr wofür der Regenwald gerodet wird. Niemand braucht argentinisches Rindfleisch, Indischen Tee oder Kaffee aus Honduras um ein glückliches und erfülltes Leben zu führen.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Und der Export von EU Produkten sollte im Gegenzug dann natürlich auch nicht weiter erfolgen.



      Und die Bananen kommen dann aus den Niederlanden aus dem Gewächshaus.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @83379 (Profil gelöscht):

      Die Schlussfolgerung stimmt in meinen Augen.

      Dass die aktuelle Lösung, US-amerikanisches Rindfleisch zu importieren, nur eine Symptomverschiebung, nicht jedoch die Lösung ist, sehen Sie hoffentlich auch. Beim Kaffee mag mir noch keine praktikable Lösung einfallen. Der Klimawandel macht vllt. bald den Anbau in den Alpen möglich?

  • Ja, besser spät als nie!



    Umweltthemen bekommen wieder Platz in der öffentlichen Debatte und das ist auch die Grundlage dafür, dass Umweltschutz und Nachhaltigkiet auch gewählt wird.

    Neben "die Politiker", "die Agrarunternehmen" und "die Bauern" tragen auch "die WählerInnen" durch ihr Stimmverhalten dazu bei, eine Nachhaltige politik tatsächlich umzusetzen.

    Dass wir heute noch nicht in jedem Punkt und aus jedem Aspekt genau weiss, was wirklich Umweltfreundlich ist, was wirklich nachhaltig ist - das gehört sicher ein stückweit zum langen Prozess hin zu einer nachhaltigen ökologischen Aufbaulandwirtschaft weg von einer rein ökonomische Abbaulandwirtschaft. Das Weltklimarat kann das Ruder mit umschlagen und wir auch - als WählerInnen und als AktivistInnen.

  • Seit vielen Jahren nun schon, erreichen uns fast täglich kleine und große Hiobsbotschaften vom schlechten Zustand unserer Lebensgrundlagen. Ebenso lange werden mahnende, sachverständige Frauen und Männer der Natur und Geisteswissenschaften in der Bundesregierung oder in den Administrationen der Europäischen Union vorstellig, ohne das ein wirklich und wahrhaftiges anderes denken und handeln erkennbar wird. Vielleicht haben wir auf die falschen Pferde gesetzt.

  • Sehr interessant. Ich sehe leider schwarz, wenn es um grundlegende Veränderungen in der Agrarwirtschaft geht. Für Politiker und Interessensverbände zählt weniger der langfristige Erfolg, sondern die kurzfristige Einfachkeit.

  • Die Besetzung nicht nur im Agrarministerium sondern auch der CDU Obmänner im Agrarausschuss des Bundestages sprechen für sich. Da kann man schon nicht mehr von Lobbyeinfluss von außen sprechen da hat die Agrarindustrie ganz einfach ihre eigenen Leute direkt untergebracht. Beispiel Düngeverordnung (2016/2017) Holzenkamp sorgte im Agrarausschuss dafür dass eigentlich vollkommen unsinnig 30 Prozent mehr gedüngt werden darf als Ackerpflanzen überhaupt aufnehmen können. Die hohen Überschüsse landen im Trinkwasser. Weil die Nitratbelastung alarmierend hoch war wollte der Bundestag die Grenzwerte eigentlich den wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassen. Holzenkamp verhindert das im Ausschuss und diente damit offensichtlich der Agravis AG einem der größten Händler von Düngemittel in dessen Aufsichtsrat er saß. Noch während der Verhandlungen wurde sein Einkommen mal eben von 7000 Euro auf 15.000 Euro monatlich angehoben. Sein Nachfolger Johanes Röhring auch "Schweinebaron" genannt dessen Schweinebetrieb immer wieder wegen Tierquälerei Schlagzeilen machte ist ebenfalls bei Agravis (Beirat) und erzielt "Nebeneinkommen" in 15 weiteren Unternehmen darunter der Agrarnahen Kreditwirtschaft. Über Frau Klöckner gibts hingegen Positives zu berichten. Keine andere vor ihr vertritt so offen und damit ungewollt "transparent" die Interessen der Agrarindustrie sie hat all das Medieninteresse darüber wie es im Abgrund Agrarpolitik eigentlich so personell aussieht damit befeuert. Gut so - ohne Information der Öffentlichkeit dass Agrarkonzerne sie da ganz direkt regieren - würde immer noch eine Mehrheit der Wähler vollkommen Realitätsfern glauben das Agrarministerium wäre zuständig für Verbraucherschutz im Ernährungssektor. Gute Nacht.

  • Warum erst jetzt diese Einsicht?



    Das wärevor3 Monaten fällig und nötig gewesen. Da war dieMöglichkeit in drr Wahl zum EU-Parlament Einfluss zu nehmen.

  • Der sachliche Inhalt des Artikels ist leider eine Aneinanderreihung pauschaler Schlagworte und Worthülsen, die sich zwar gut anhören, aber nicht erahnen lassen was dahinter steckt. Was ist eine industrielle Landwirtschaft? Was ist Massentierhaltung? was ist eine Überdüngung? was macht den Boden kaputt? JEGLICHE Form der Landnutzung greift in die Natur ein. Egal ob Bauland, Strasse, Wald, konventionelle oder auch ökologische Landwirtschaft. So wie wir morgens den ersten Fuß aus dem Bett nehmen, nehmen wir Einfluss.



    Was soll sich wie ändern? Welcher Metzger um die Ecke soll die Tiere aus kleinen Ställen schlachten? Welcher Bäcker um die Ecke soll regional vor Ort das Brot backen? ES GIBT BALD KEINE MEHR! Und aus 300.000 ldw. Betrieben in DE wird keine Million mehr!

    • 4G
      4813 (Profil gelöscht)
      @Sebastian Schaffner:

      Das erinnert mich an eine Argumentationshilfe des Bauernverbandes. Als ich die Beschädigung der Dorfstraße durch den ansässigen Bauern moniert habe, argumentierte der, dass mein Fahrrad mit drei kg/cm2 die Straße belastet, sein Trecker nur mit 1,5 kg/cm2. Für Alle die es nicht wissen, das ist der Reifendruck.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    "Die EU setzt immer noch aufs falsche Pferd" ist gefällig formuliert.

    Tatsächlich gilt: Die EU i s t das falsche Pferd, mit dem wir plan- und ziellos durch die Gegend reiten. Und bei dem wir sehr aufpassen müssen, nicht wie ein Reiter beim Rodeo abgeworfen zu werden.

    • 9G
      94778 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Da muss ich gleich mal drauf antworten.



      Sie haben Recht.

      Aber ebenso wie der Tazkommentar auch wieder nicht.



      Die EU-,ich nenn sie mal - deren Entscheidungsträger- setzen aufs richtige Pferd. Eind Frage der Perspektive. Da wo man Kohle machen kann, darauf wird gesetzt. Wer glaubt, dass sie eigentlich Gutes wollen, dies aber aufgrund von "Fehlern" oder fehlender Information nicht tun, verkennt, dass es ihnen vollkommen wumpe ist, was mit diesen Planeten, sogar mit ihren eigenen Kindern, passiert. Das hat auch schon jemand Schlauerer als ich gesagt, nämlich Karen Duve in ihrem Buch " Warum die Dinge schief gehen.



      Man kann diese, hmmja, Denke,? auch



      praktischen Existenzialismus als Antithese zum Camus' schen Existenialismus, der gerade wegen der Absurdität des Daseins eine immense Freiheit, d.i unter anderem die Freiheit zu Humanität und einem guten Leben für alle beabsichtigt.

      • 9G
        94778 (Profil gelöscht)
        @94778 (Profil gelöscht):

        Man kann diese, hmmja, Denke,? auch



        praktischen Existenzialismus als Antithese zum Camus' schen Existenialismus, der gerade wegen der Absurdität des Daseins eine immense Freiheit, d.i unter anderem die Freiheit zu Humanität und einem guten Leben für alle beabsichtigt, nennen.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @94778 (Profil gelöscht):

          Danke, Doc.

          Karen Duve hatte ich erst kürzlich in meinen zarten Händen. Bislang ungelesen ist das Werk auf meinem Bücherberg verschwunden. Ich frage mich gerade: Warum? Vielleicht, weil ich keine Erklärungen mehr suche, wieso Dinge schief laufen. Ich möchte mal etwas von ERFOLGEN lesen, Miss-Erfolge habe ich - politisch und privat - genügend erlebt. ;-)

          • 9G
            94778 (Profil gelöscht)
            @76530 (Profil gelöscht):

            Sue hatten Karen Duve in Ihren zarten Händen.



            Also..Sie .....sind mir aber einer.

            Erfolge findet man womöglich...innen?

            • 7G
              76530 (Profil gelöscht)
              @94778 (Profil gelöscht):

              Die Vorlage dankbar aufgenommen, Sie Schlingel ... oder mir ins Netz gegangen?

              Ich denke jetzt erst mal darüber nach, ob Sie mit 'innen' das Innere des Buches ... oder der lesenden Person meinen.

              Immerhin haben Sie mir mal einen Tipp aus der Eso-Ecke gegeben, das erinnere ich noch dunkel. ;-)

              • 9G
                94778 (Profil gelöscht)
                @76530 (Profil gelöscht):

                Stimmt hab ich. Ich mein mit "innen" tatsächlich das Innen der lesenden- und -schreibende-Person.



                Hat aber weniger mit der Esoterik, die grade am Markt ist ,zu tun, sondern mit dem, was manche Meistet*innen ähh ...innen....gefunden haben, auf ihrem WEG.

                Ich sag auch nicht.Nux im Aussen machen, die es schreibend oder in Aktion....so dern nur nicht wundern wenn's nicht funktioniert und nicht hoffen, dass es klappt. Dann kann man alles machen. Innen aus den, oben unten...;-D

  • Und nun muss noch definiert werden was ein "regionaler Kreislauf" ist. Die Bioverbände lassen z. B. bei diesem Zauberwort die Nährstoffe aussen vor.



    Ach ja und der Begriff "nachhaltige Landwirtschaft" tauchte in der Zusammenfassung des Berichtes auch wieder auf. Auch dieser Begriff ist eine zu einer Worthülse verkommen.



    Dennoch erfreulich dass nach dem Weltagrarbericht auch das IPCC zum Schluss kommt, dass es ein "weiter so" weder geben darf noch geben wird.