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Bebauungspläne für das Tempelhofer Feld„Das gebietet der Respekt“

Oliver Wiedmann vom Verein Mehr Demokratie kritisiert Senatspläne zum Bürgerdialog in Sachen Tempelhofer Feld – und die SPD-Idee einer Volksbefragung.

Wohnen statt Skaten? Ja, wenn's nach CDU und SPD ginge Foto: IMAGO / Schöning
Interview von Claudius Prößer

taz: Herr Wiedmann, der Verein Mehr Demokratie hat einen Beschluss des Senats veröffentlicht, in dem dieser seinen Plan erläutert, mit einer BürgerInnen-Werkstatt und einem internationalen Ideenwettbewerb eine Teilbebauung des Tempelhofer Feldes vorzubereiten. Sie kritisieren das. Warum?

Oliver Wiedmann: Grundsätzlich haben wir nichts gegen ein Dialogverfahren wie z.B. BürgerInnenräte, die per Losverfahren einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Nur findet das vorgesehene Verfahren nicht in einem luftleeren Raum statt, sondern setzt am Ergebnis des Volksentscheids von 2014 an. Das kann man aus unserer Sicht nicht einfach mit einem Dialogverfahren aushebeln. Entscheidend wird auch sein, wie dieser Dialog ausgestaltet ist. Etwa auch darüber ob diskutiert wird und ob überhaupt gebaut werden soll. Aus der Senatsvorlage geht nicht klar hervor, dass die Nicht-Bebauung eine Option ist. Ob diese Nullvariante – also der Status quo – Raum bekommen wird, hängt im Übrigen auch sehr von den ExpertInnen ab, die dazu geladen werden.

Dass dieser Senat eine Teilbebauung will, ist klar. Da ist doch folgerichtig, wenn das Dialogverfahren die Option „Status quo“ nicht vorsieht.

Das würde ich nicht sagen, und ich bin auch gar nicht sicher, dass es so kommt. Wir lesen diese Absicht aus dem Beschluss heraus, aber man kann es ja auch anders machen und Entwicklungsvarianten im Rahmen des bestehenden Gesetzes diskutieren. Das gebietet der Respekt vor dem Volksentscheid. Übrigens hat sich die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in der letzten Wahlperiode Beteiligungsleitlinien gegeben, wenn es um die Entwicklung bestimmter Flächen geht. Da steht drin, dass schon bei der Konzeption des Beteiligungsverfahrens BürgerInnen beteiligt werden. Aber diese eigenen Regeln hat man nicht ernst genommen.

Bild: privat
Im Interview: Oliver Wiedmann

(48) ist Sozialwissenschaftler, leitet das Hauptstadtbüro von Mehr Demokratie e. V. und ist Sprecher des Landesverbands Berlin/Brandenburg.

Ist es nicht positiv, dass der Senat sich überhaupt die Mühe macht, die BürgerInnen einzubeziehen?

Der Senat hat zum Glück verstanden, dass man über einen Volksentscheid nicht einfach hinweggehen kann, und das ist gut. Auch die Debatte über eine Volksbefragung zeigt ja im Grunde, dass man den Dialog suchen und nicht einfach im Alleingang die Senatslinie durchziehen will. Das sagt aber noch nichts darüber aus, wie fair das jetzt geplante Verfahren ist.

Warum kritisieren Sie immer wieder die Idee einer Volksbefragung, wenn die Alternative ist, dass die aktuelle Parlamentsme hrheit auch ein per Volksentscheid beschlossenes Gesetz einfach so aufhebt?

Wir fordern einen anderen Mechanismus: Ja, das Abgeordnetenhaus kann Gesetze, die per Volksentscheid zustande gekommen sind, aufheben oder verändern – aber es muss die Möglichkeit geben, darüber zeitnah und mit abgesenkten Hürden einen Volksentscheid durchzuführen. In Hamburg gibt es dieses „fakultative Referendum“ schon. Wenn es zu diesem neuen Entscheid nicht kommt, weil es in der Bevölkerung das Bedürfnis nicht gibt, tritt die Gesetzesänderung eben nach ein paar Monaten in Kraft. Eine Befragung von oben ist dagegen ein Instrument, dass der Regierung dient und strategisch verwendet werden kann – über die Fragestellung oder den Zeitplan.

Ob so eine Befragung vom Senat oder vom Parlament angestoßen werden müsste, macht keinen Unterschied?

Doch, natürlich – wenn der Senat es allein machen würde, wäre es ja ein klassisches Plebiszit. Da wäre es auf jeden Fall vorzuziehen, wenn es vom Parlament ausginge. Wir müssten uns dann über qualifizierte Mehrheiten unterhalten, die dafür notwendig wären, vielleicht Zwei Drittel oder noch mehr. Aber wir sind der Meinung, dass wir dieses Instrument grundsätzlich nicht brauchen.

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9 Kommentare

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  • Die Leute können gerne für oder gegen alles Mögliche kämpfen. Das ist ja nicht das Thema.

    Es gibt lediglich keine Notwendigkeit ein Gesetz nur deshalb nicht zu ändern oder ganz zu kippen oder erhöhte Anforderungen zu stellen, weil es auf auf der Grundlage einer Volksentscheides zustande gekommen ist - und genau das ist es, was die Initiative im Artikel ja fordert.

  • Auch Volksentscheide müssen – mit dem Volk – umgesetzt werden. Klar, auch geändert werden können – mit dem Volk. Nie von oben herab.

  • Mehr Demokratie ja! Mehr Geschwätz und Wichtigtuerei nein!

  • Ein Volksentscheid ist ein ganz normales Gesetz. Es kann wie jedes andere Gesetz auch geändert werden. Es hat keinen höheren Stellenwert als jedes andere Gesetz.

    Daher müsste ein Verein, der sich mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahnen schreibt, über die Planungen des aktuellen Senates mehr als froh sein.

    • @DiMa:

      Warum sollte ein Verein, der sich mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahnen schreibt, über die Planungen des aktuellen Senates mehr als froh sein, wenn diese Planungen doch das Ziel haben, die Ergebnisse eines Volksentscheids nicht nur in Frage zu stellen, sondern zu ignorieren?

      Das Ganze ist eben eine politische Angelegenheit und keine der technischen Sachverhalte in gesetzgebenenden Verfahren.

      • @Pflasterstrand:

        Weil die frühere Entscheidung in die Jahre gekommen ist und es Entwicklungen gibt, die damaligen Beweggründe zu hinterfragen. Das ist bei Gesetzen doch ganz normal.

        Die Legitimität des damaligen Entscheides oder dessen Ergebnisse werden also nicht in Frage gestellt, sondern es gilt einen neue Abwägung vorzunehmen. Dies ist Aufgabe des Gesetzgebers. Dieser plant eine größtmögliche Bürgerbeteiligung, auch wenn das Ergebnis formal nicht bindend sein mag.

        Liest man dagegen die Statements der Gegner, scheint es sich dabei eher um irgendwie konservativistische Begründungen zu halten. Man scheint den Erfolg des Volksentscheides nachträglich als geschwächt zu sehen und will scheinbar deshalb jede Änderung unbedingt verhindern. Das ist vollkommen unrealistisch.

        • @DiMa:

          Sie sind der Meinung, die frühere Entscheidung sei in die Jahre gekommen, ich sehe das – mit Blick auf das Tempelhofer Feld als eine in sozial- und klimapolitisch bedeutende Ressource für das öffentliche Leben der Stadt – anders. Macht ja nix, dass wir da andere Vorstellungen haben.

          Widersprechen möchte ich aber (noch einmal) ihrer Einschätzung zur politischen Dimension der Frage der Bürgerbeteiligung:

          Erstens geht es gar nicht darum, dass hier die Legitimität des damaligen Entscheides in Frage gestellt wird, sondern seine Ergebnisse – die CDU und die konservative Fraktion innerhalb der SPD um Saleh, Giffey und Co. will kein gänzlich unbebautes Feld und wollte das auch Mitte der 2010er Jahre schon nicht.

          Hier wird also keine Abwägung unternommen – während sich übrigens, man mache sich selbst ein Bild davon, die Ergebnisse des Volkentscheids größter Beliebtheit und Akzeptanz erfreuen. Es soll das Instrument der Bürgerbeteiligung instrumentalisiert werden, um endlich die eigenen Pläne durchzuboxen zu können.

          Anstatt dem Mumm zu haben, dass Gesetz nach erfolgter "Abwägung" (wenn sie das o.g. so nennen wollen) mit Parlamentsmehrheit zu beschließen, werden stattdessen Steuermittel verballert, um eine kostspielige Kampagne zu finanzieren (mit sog. Ideenwettbewerben, etc.), wie sie nur in Gang setzen kann, wer über einen eigenen Haushalt und einen Verwaltungsapparat verfügt. Die Bürgerbeteiligung ist dabei schon von Beginn an alles andere als "größtmöglich", weil Gegner*innen einer Bebauung nach Willen des Stadtentwicklungssenators im Dialogverfahren nichts zu suchen haben. Das ist in demokratietheoretischer Hinsicht echt bedenklich und es zeigt, dass Plebiszite eben etwas anderes sind als Bürgerbegehren und Volksentscheide.







          Ich hoffe, dass der Schuss ordentlich nach hinten losgeht.

          • @Pflasterstrand:

            Die von Ihnen vorgebrachten Argumente können im Wege des politischen Entscheidungsprozeßes gerne diskutiert werden. Das ist ein ganz normales gesetzliches Abwägungsverfahren.

            Bürgerbeteiligungen wurden auch schon von Vorgängersenaten versucht, darin sehe ich kein Problem. Ich persönlich könnte darauf jedoch auch vollkommen verzichten.

            Mich stört lediglich die sakrosante Behandlung des Volksentscheides. Es ist ein Gesetz, nicht mehr und nicht weniger.

            Übrigens war es die Vorgängerregierung, die genau gegen dieses Gesetz vertoßen hat, indem es die Aufstellung des Zirkus Cabuwazi zugelassen hat.

            • @DiMa:

              Gesetze bilden soziale Wirklichkeiten nicht nur ab, sie formen sie auch.



              Die Leute, die sich gegen die Absichten von CDU/SPD wehren, kämpfen für den sozialen Raum eines zu 100% unbebauten Tempelhofer Feldes und deshalb für den Fortbestand des Gesetzes. Es ist und bleibt eben eine politische Auseinandersetzung und nicht einfach ein gesetzliches Abwägungsverfahren, ob Sie das wollen oder nicht.

              Im Übrigen erfüllt der Zirkus Cabuwazi die Definition der "fliegenden Bauten" nach § 78, Abs. 2 BauO Bln und steht somit nicht im Widerspruch zu den Regelungen von § 7 ThF-Gesetz in der Fassung vom 14. Juni 2014.