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Bayer und sein Glyphosat-ProblemEntgiftung ist überfällig

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Der Chemiekonzern Bayer kann sich wegen Glyphosat nicht vor weiteren Klagen von Krebsopfern schützen. Die einzige Lösung: Das Zeug nicht mehr verkaufen.

Geht ja vielleicht auch ohne Glyphosat: Landwirtschaft Foto: Sven Simon/imago

S pätestens jetzt sollten der Chemiekonzern Bayer und die anderen Glyphosathersteller das meistverkaufte, aber unter Krebsverdacht stehende Pestizid vom Markt nehmen. Das verlangen die ökonomische Vernunft und die Verantwortung gegenüber den Menschen.

Was das Geld angeht: Der zuständige US-Richter Vince Chhabria hat nun den Vergleichsentwurf abgelehnt, bei dem Bayer künftige Kläger mit insgesamt 2 Milliarden Dollar abspeisen wollte. Das sollte skandalöserweise auch für Glyphosatnutzer gelten, die vielleicht erst in einigen Jahren Krebs bekommen. Der Vorschlag sah auch viel geringere Entschädigungszahlungen vor als die bisher zugesprochenen. Diese Lösung hat Chhabria zu Recht abgelehnt.

Für Bayer bedeutet das, dass das Klagerisiko riesig bleibt. Der Konzern musste bereits allein an einen Kläger 20,5 Millionen Dollar zahlen. Zuletzt waren insgesamt 125.000 Klagen bekannt. Und es werden immer mehr werden, denn immer mehr Glyphosat­anwender werden Krebs bekommen und dann vor Gericht gehen.

Der Konzern sollte seine glyphosathaltigen Pestizide also nicht mehr verkaufen, um sich vor der Insolvenz zu retten. Dass er jetzt offenbar einen Verkaufsstopp an Privatanwender erwägt, reicht nicht. Denn unter den Klägern sind auch profes­sio­nel­le Nutzer. Der erste siegreiche Kläger war ein Platzwart.

Eine Branche kontrolliert sich selbst

Was die Moral angeht: Es lässt sich nicht ausschließen, dass Glyphosat Menschen schädigt. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation hat das Gift als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Mit Glyphosat gefütterte Ratten und Mäuse hatten Tumore entwickelt.

Dass die wichtigsten Zulassungsbehörden auf Bayers Seite stehen, bedeutet wenig. Denn diese Ämter arbeiten alle nach einem ähnlichen System, das immer wieder Pestizide wie den Insektenkiller Chlorpyrifos erlaubt, die sich später als zu gefährlich herausstellen. Ein Grund für solche Fehler ist, dass die Pestizidhersteller selbst die Studien in Auftrag geben, die die Sicherheit eines Stoffs überprüfen sollen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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8 Kommentare

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  • Die wirklich angestrebte Lösung:



    Glyphosat wird nur noch an Profis verkauft.



    Privatleute können Roundup nicht mehr kaufen !



    Kann dann der Landwirt, die Bahn ( Zugtrassen) weiter einsetzen.. der private Gartler etc. nicht mehr.

    Wenn die US Richter ein ehemaliges IG Farben Unternehmen in die Mangel nehmen ... aus die Maus.



    Ehemalige Zyklon B Pro sind dann chancenlos.



    US Umwelt/Menschenrechtsverletzer



    Da sieht der US Richter alles anderst...

    Beispiele....



    Dow Chemical ( Napalm),

    Union Carbide



    Bhopal 25 000 Tode, 500 000 Geschädigte

    Lächerliche Strafen und geringe Entschädigungen

    Sind Amerikaner und keine "stupid Nazideutschen"

  • Zitat: "Ein Grund für solche Fehler ist, dass die Pestizidhersteller selbst die Studien in Auftrag geben, die die Sicherheit eines Stoffs überprüfen sollen."

    Und genau an diesem Punkt hätte der Gesetzgeber schon lange eingreifen müssen.

  • Die obszön hohen Zahlungen an die Kläger sind nicht so sehr ein Indiz für Glyphosat als die potentielle Ursache von Krebs, sondern vielmehr dem Geschäftsmodell von hochspezialisierten Anwaltsfirmen, die an dem Thema Milliarden von Dollar verdienen, geschuldet. Dies ist nur in den USA möglich, wo vor Gericht nicht die Expertenmeinung zum Thema zählt, sondern die Kunst, 12 Laien von der Straße von seiner Position zu überzeugen.

    • @K2BBQ:

      Auch die Anwälte müssen vor Gericht Studien vroweisen. Und wenn dort Experten der WHO Aussagen, überzeugt das halt völlig nachvollziehbar Laien und den Richter bei der Festlegung der Höhe der Entschädigungszahlung. Ihre abwertende Haltung gegenüber den funktionierenden Rechtstsstaat USA ist diesbezüglich also vollständig unbegründet!

    • RS
      Ria Sauter
      @K2BBQ:

      Schön, wenn man die Krebserkrankung eines Menschen so wegwischen kann.



      Informieren Sie sich doch mal über die Folgen des Pestizideinsatzes.



      Die Suchmaschine macht es möglich oder Greenpeace anschreiben. Dort gibt es auch genügend Infos.

  • RS
    Ria Sauter

    Hallo Herr Maurin,



    die Forderung Glyphosat nicht mehr zu kaufen ist naiv und wird nicht funktionieren.



    Ich habe mir zusammen mit vielen anderen Menschen auf Infoständen den Mund fusselig geredet.



    Das Zeug ist immer noch auf dem Markt und meine Landsleute fahren gerne nach Frankreich um sich das Zeug in großen Kanistern zu kaufen.



    Die gesundheitlichen Schäden sind nachweisbar z.B. in Brasilien und Argentinien.



    Auch in Frankreich sind sehr viele Menschen sehr krank geworden.



    Wir sprechen schon viel zu lange von vielleicht.

  • Sehr geehrter Herr Maurin.

    Ich sage mal, na ja zu Ihren Kommentar.



    Sie haben schon Recht, wenn Sie schreiben, daß ein Verkaufsstopp zukünftig eine Insolvenz verhindern würde.

    Nur erwarten Sie solch eine Klagewelle aus Indien, Asien oder Afrika?

    Also ich nicht und das sind bzw. werden dann auch die Absatzmärkte sein.



    Stellen Sie sich mal vor, alle Benutzer von Glyphosat würden weltweit von heute auf Morgen kein Glyphosat mehr kaufen und einsetzen, dann hätte man u.U. die Insolvenz sofort!

    Machen wir das mal anders.



    Bayer gründet zwei Tochterunternehmen.



    Eines daß das ehemalige Monsanto aufkauft und eines das Glyphosat weiterhin in Asien, Indien und Afrika verkauft.



    Daß das Tochterunternehmen Pleite gehen wird, daß Monsanto aufgekauft hat, ist gewollt und damit fließen auch keine Gelder mehr an die Kläger. Das andere Unternehmen verkauft Glyphosat weiter – so einfach geht das.







    Für dieses Zitat:



    „Es lässt sich nicht ausschließen, dass Glyphosat Menschen schädigt.“



    kann ich Sie nicht wirklich loben.



    Weil, vielleicht, also wenn Sie die Zeit dazu haben, schauen Sie sich mal das Video:



    „Tote Tiere, kranke Menschen - durch Glyphosat“ von Arte an.



    www.youtube.com/watch?v=5Tj9v24H-Lo

    Sprich, wenn ein Gift in den Verdacht gerät, daß es giftig sein könnte, dann muss man nur die falschen Fragen stellen, um darüber die richtigen Antworten zu erhalten.



    Ist Glyphosat krebserregend? Nein!



    Greift Glyphosat bestimmte Bakterien im Magen- Darmsystem bei Mensch und Tier an?



    Ja!



    Kann darüber als Zusatzerkrankung Krebs entstehen?



    Unter Umständen schon. Dran muss aber noch geforscht werden.



    Grüße

  • "Was die Moral angeht: Es lässt sich nicht ausschließen, dass Glyphosat Menschen schädigt."

    Lässt sich eigentlich zu 100% und kategorisch ausschließen, dass die Alternativen, die dann statt Glyphosat gespritzt werden, Menschen schädigen?