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Bauwirtschaft gegen linke WohnpolitikImmobilien-Lobby schlägt zurück

Gegen Mietendeckel und Enteignungen: In Berlin startet die Immobilienwirtschaft eine PR-Kampagne gegen staatliche Eingriffe in den Wohnungsmarkt.

Aha: Es wird also doch gebaut in Berlin Foto: dpa

Berlin taz | Schenken. Sie. Mir. Ihre. Aufmerksamkeit! Mit dem alten Werbertrick überflüssiger Satzzeichen sowie Forderungen aus der Wortspielhölle („Mut Stadt Wut“) holt das Bündnis Berlin.Kann.Mehr! aus Immobilien- und Bauwirtschaft zum PR-Gegenschlag gegen Mietendeckel und Enteignungs-Volksbegehren aus. In einem alten Weddinger Fabrikgebäude erklären am Donnerstagmittag zwei junge Männer mit Zahnpasta-Lächeln und gebügelten Hemden das Anliegen der Kampagne.

Sie holen zum Rundumschlag gegen Berlins linke Wohnungspolitik aus: Der vom Senat beschlossene Mietendeckel und das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ seien keine nachhaltigen Lösungen. Hinter den Debatten verberge sich vielmehr ein grundsätzlicher gesellschaftlicher Werteverfall, der sich letztlich gegen die Stadt richten werde, sagt Initiativensprecher Tim Kauermann. Subtext: Wenn es nicht schnell eine wohnungspolitische Kehrtwende gibt, sieht bald ganz Berlin so schlimm aus wie diese heruntergerockte Fabriketage. Edvard-Munch-Emoji.

Flankiert von schönen bunten Plakaten und einer Social-Media-Kampagne mit flotten Sprüchen wie „Durchstarten Stadt Ausbremsen“, „Dampf machen Stadt Mieten Deckeln“ will das Bündnis dem Senat ein „Manifest“ mit fünf Kernforderungen überreichen.

Darin findet man allerdings nur das übliche Mantra der Bauwirtschaft: einfachere Bauordnung, weniger Bebauungsplanverfahren, attraktive Förderangebote für Neubau, Bereitstellung von Bauland, Abkehr von der jetzigen Wohungspolitik. Insgesamt wirkt der PR-Stunt ein wenig wie eine Verteidigungsschlacht gegen Mietendeckel & Co. Letztlich hoffe die Initiative dabei auch auf Unterstützung der Bürger*innen, heißt es. Auch über Unterschriftensammlungen denke man nach, so Kauermann.

Deutsche Wohnen freut sich

Bis dahin werde die Kampagne zum „maßgeblichen Teil von Mitgliedern aus dem Immobiliensektor getragen mit einem jährlichen Budget im niedrigen sechsstelligen Bereich“, heißt es auf Nachfrage. Sprich: die BFW, der Berlin-Brandenburgische Lobby-Verband der privaten Immobilienunternehmen zahlt die Kampagne zum Großteil. Berlins größtes und wohl auch berüchtigtes Wohnungsunternehmen, die Deutsche Wohnen, ist in der Kampagne bisher nicht vertreten. Gut findet man die Kampagne dort trotzdem: „Wir freuen uns über jede seriöse öffentliche Debatte, die dazu führt, neben Regulierungen echte Lösungen für die Wohnungsfrage zu finden“, teilt das Unternehmen mit.

In einer alten Fabrik-Etage mit Vintage-Einrichtung wurde der PR-Stunt vorgestellt Foto: taz

Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum gilt angesichts steigender Mieten und Immobilienpreise derzeit als eine der drängendsten sozialpolitischen Fragen. Die Immobilienbranche steht deswegen unter zunehmenden Druck: In Berlin hat sich Protest von unten wie etwa das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ formiert, das Spekulation stoppen und große Wohnungsunternehmen enteignen will. 77.000 und damit mehr als genug Unterschriften hat das Volksbegehren gesammelt. Derzeit liegen die Unterschriften in der Innenverwaltung von Andreas Geisel (SPD), wo die rechtliche Zulässigkeit geprüft wird.

Zudem haben auch Bundes- und Landesregierungen reagiert: Die Mietpreisbremse, die diese Woche auch vom Verfassungsgericht bestätigt wurde, will der rot-rot-grüne Senat in Berlin durch einen generellen Mietenstopp ergänzen, der ab dem kommenden Jahr gelten soll. Ein Gesetzentwurf will die R2G im Oktober vorlegen.

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8 Kommentare

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  • 1981 gab es in Berlin den sogenannten Investorenstreik. Der CDU-Senat hat dann die Obergrenze der geförderten Baukosten soweit angehoben, dass Bauen in Berlin doppelt so teuer war wie in Hamburg oder NRW.



    Die Immobilien-Lobby wartet jetzt wieder auf „attraktive Förderangebote“ bevor gebaut wird.

    Tagesspiegel vom 24.06.2018 Stadtentwicklung in Berlin 60.000 Wohnungen genehmigt - keiner baut sie



    www.tagesspiegel.d...-sie/22726928.html



    Der Wohnungsmarkt in Berlin könnte schlagartig entspannt werden, wenn die teilweise seit Jahren genehmigten Projekte für den Neubau von Wohnungen auch realisiert würden. Nach einer aktuellen Studie der landeseigenen Förderbank IBB könnte sofort mit dem Bau von 58460 Wohnungen begonnen werden. Das würde fast schon ausreichen, um den infolge des Zuzugs aufgestauten Wohnungsbedarf der letzten Jahre zu decken, den der Senat auf 70.000 Wohnungen beziffert.



    Die Volkswirte der IBB erklären das mit „Fachkräftemangel und fehlenden Kapazitäten“ der Bauwirtschaft.



    Senatorin Lompscher meint: "Spekulation" ist schuld

  • Jaja. Überlasst alles nur dem Markt -- es hat sich ja so gut bewährt!

    Diese Werbekampagne löst bei mir aus:

    - die "Bauwirtschaft" (Euphemismus für die Spekulantenlobby) hat offentlichtlich zu viel Geld

    - wahrscheinlich werden Mietpreisbremse und Mietendeckel nicht ausreichen: die wollen weitermachen, bis einer von den grossen tatsächlich -- aus purer sozialer Not -- enteignet ist. Also machen wir auch weiter!

    • @tomás zerolo:

      genau, weil Enteignung so viele neue Wohnungen schafft ...

      • @Gastnutzer 42:

        Und bauen zu jedem Preis natürlich erschwingliche Wohnungen produziert.

        In Wirklichkeit aber, da -- fast -- jede/r wohnen muss (captive market) schnellen die Preise in die Höhe und der Staat muss mit Wohngeld einspringen: ein riesiger Staubsauger für Steuern, zugunsten Deutsche Wohnen et al.

        Ohne strenge Regulierung ist es ein kranker Markt.

  • stimmt

  • Klar, die Kapitalseite ist natürlich stur.



    Da hilft nur eines: ebenso stur auf Enteignungen zu beharren.

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Bisher kamen bei der linken Wohnpolitik nur steigende Mieten heraus. L'enfer c'est les autres.

  • Am Ende wird nur eins helfen: große Neubausiedlungen in Brandenburg.