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Baupläne für besetzte Schule in BerlinEchter Kreuzberger Mikrokosmos

Trotz Quotierung für alles Mögliche stoßen die Pläne für das Wohnprojekt in der Hauptmann-Schule auf Kritik. Eine Bürgerbeteiligung wird nachgeholt.

Bleibt umstritten: Gelände der Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg Foto: dpa

Womöglich war es naiv, zu glauben, dass ein Bauvorhaben auf dem Gelände der Gerhart-Hauptmann-Schule in Kreuzberg nicht auf Widerstand stoßen würde. Auch wenn der Bezirk diesmal alles richtig machen wollte: Bei der Bürgerversammlung zum Projekt „Campus Ohlauer“ begehrte die renitente Kreuzberger Anwohnerschaft auf.

In der Aula der benachbarten Rosa-Parks-Grundschule präsentierten am Donnerstagabend die zuständige Bezirksstadträtin Jana Borkamp (Grüne) und Stefan Schautes von der Wohnungsbaugesellschaft Ho­woge den fertigen Plan für einen Neubau auf dem Schulgelände. Im Rahmen des vom Senat geförderten Projekts für modulares Bauen soll an der Ohlauer Straße ein fünf- bis siebenstöckiger Gebäudekomplex entstehen.

Vorgesehen sind 140 Wohnungen für verschiedene Nutzergruppen: 37 Sozialwohnungen, 56 für Studierende, 35 für Geflüchtete und 12 für von Obdachlosigkeit betroffene Frauen; außerdem Gemeinschafts- und Begegnungsräume. Dazu die Else-Ury-Bibliothek und eine Fahrradtiefgarage – fertig ist die Utopie Kreuzberger Wohnungspolitik. Oder wie es Borkamp zurückhaltend ausdrückte: „Wir wollen die Lebenswirklichkeit des Bezirks reflektieren.“

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn sosehr das Projekt auch alle Gruppen berücksichtigen wollte, die Anwohner wurden dabei vergessen. Das war jedenfalls das vorherrschende Gefühl in der Aula, wo etwa 50 Nachbarn der Vorstellung lauschten. Kaum hatte Schautes seine Präsentation des Bauvorhabens, das von der Ho­woge umgesetzt werden soll, abgeschlossen, wurde es unruhig. Die Bitte der Moderatorin, Fragen nur zum Neubau zu stellen, erntete ein harsches: „Das können Sie vergessen!“

Die Kritik prasselte nur so auf die Podiumsgäste ein. Das Gebäude nehme mit einem Drittel des Schulgeländes zu viel Fläche ein; es bringe mit circa 300 Bewohnern zu viele Menschen in den Kiez; es gehe auf Kosten zu vieler Bäume, von denen mindestens vier gefällt werden müssten. Und vor allem: Die Planung sei im Eilverfahren ohne jegliche Bürgerbeteiligung erfolgt.

Tatsächlich wollte der Bezirk bereits im September mit dem Bau beginnen – daraus wird nun nichts. Borkamp versprach den Anwesenden, doch noch Möglichkeiten zur Beteiligung zu schaffen. Zur taz sagte sie: „Wir müssen noch einmal einen Schritt zurückgehen.“ Dennoch hofft sie auf einen Baubeginn Anfang 2017 – und stellte klar: „Bürgerbeteiligung bedeutet, dass man an den bestehenden Plänen Modifizierungen vornimmt und nicht ganz von vorne anfängt.“

Zu den unvermeidlichen Themen des Abends gehörte auch die Situation im alten Schulgebäude. Noch immer harren 24 Besetzer im Südflügel aus. Die Pläne, einen Träger für ein von ihnen selbst verwaltetes Flüchtlingszentrum zu finden, seien gescheitert, so Borkamp. Weil die Betroffenen „keinen Status in Berlin“ hätten, könne der Bezirk nicht direkt mit ihnen verhandeln, so die Argumentation. Nun liegt der Fall wieder vor dem Amtsgericht. In der vergangenen Woche erhielten die Bewohner – zum wiederholten Male – Räumungsaufforderungen.

In den renovierten Nordflügel sollten schon vor Monaten bis zu 110 Geflüchtete, überwiegend Frauen und Kinder, einziehen; doch noch immer steht der Gebäudeteil leer. Schuld sei das Chaos im Lageso, so Borkamp: „Dort weiß die rechte Hand nicht, was die linke macht.“ Die Situation sei „total unbefriedigend“. Auf die Veranstaltung am Donnerstagabend wollte sie dieses Fazit indes nicht bezogen wissen: „Wir sind ja alle lebend herausgekommen.“

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