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Baumfällungen in TempelhofJetzt droht 160 Bäumen der Garaus

Deutlich mehr Bäume als bisher bekannt sollen für die kommende Großbaustelle auf dem Tempelhofer Damm fallen. Verantwortlich sind Arbeiten der BVG.

Ihnen droht die Kettensäge: Bäume am Tempelhofer Damm Foto: C. Prößer

Berlin taz | Als Ende Februar bekannt wurde, dass auf dem Mittelstreifens des Tempelhofer Damms wegen mehrjähriger Bauarbeiten der Berliner Wasserbetriebe 60 Bäume gefällt werden sollen, war bald von einem „Baum-Massaker“ die Rede. Zumal das Sanierungsprojekt zwischen Platz der Luftbrücke und Borussiastraße die Rodung nicht zwingend notwendig macht: Grund ist vielmehr das von der Senatsverwaltung für Mobilität favorisierte Konzept, den Verkehr weiterhin in beiden Richtungen über die Straße rollen zu lassen – und nicht die vom Bezirk Tempelhof-Schöneberg entwickelte Umleitungslösung zu nutzen.

Jetzt stellt sich heraus: Das Massaker dürfte weitaus größer werden – und es ließe sich wohl auch nur teilweise verhindern. Denn im selben Aufwasch plant die BVG Sanierungsarbeiten am Tunnel der U6, der genau unter einem Teil des Baumbestands verläuft. Die der taz vorliegenden Zahlen sind zum Teil widersprüchlich, aber im schlechtesten Fall könnte es sich tatsächlich um insgesamt 160 Bäume handeln.

In einer Anfrage an die Senatsverwaltung hatte die Sprecherin für Umwelt und Klimaschutz der SPD-Fraktion, Linda Vierecke, vor Kurzem um Informationen zu anstehenden Projekten landeseigener Träger gebeten, für die Fällungen von mehr als 10 Bäumen geplant seien. Hierauf nannten die Berliner Wasserbetriebe die Zahl von 84 Bäumen im Zusammenhang mit den Arbeiten unter dem Tempelhofer Damm, bei denen drei alte Abwasserdruckleitungen ausgetauscht werden sollen.

Nicht ganz klar ist, ob es sich dabei ausschließlich um den vorhandenen Bewuchs des Mittelstreifens handelt, bei dem bislang von 60 Bäumen die Rede war. Unterschiedliche Zählweisen könnten sich daraus ergeben, dass nur für Bäume ab einer bestimmten Größe eine Ausnahmegenehmigung zur Fällung notwendig wird.

In der Antwort an Vierecke nennt aber auch die BVG die Zahl von 76 Bäumen, die „für die anteiligen Tunnelsanierungsarbeiten gefällt werden“. Diese Exemplare, darunter viele ausgewachsene Linden, stehen nicht auf dem Mittelstreifen des Tempelhofer Damms, sondern an seinem westlichen Rand. Anders als sonst in Berlin verläuft die Tunnelröhre der U6 hier nicht mittig unter der Straße, sondern leicht zum Tempelhofer Feld hin verschwenkt.

„Die Fällungen dieser Bäume sollen in der Winterperiode 2025/2026 erfolgen“, heißt es in der Antwort an die SPD-Abgeordnete. Allerdings ist der genaue Ablauf der insgesamt auf acht Jahre geschätzten Bauarbeiten, die von den Wasserbetrieben koordiniert werden, noch nicht bekannt. Auch Wärme- und Stromleitungen sollen in diesem Zeitraum erneuert werden.

135 Anträge beim Bezirksamt

Die für Straßen und Umwelt zuständige Bezirksstadträtin von Tempelhof-Schöneberg, Saskia Ellenbeck (Grüne), nennt auf taz-Anfrage noch einmal andere Zahlen: Im Rahmen des Gesamtprojekts sei die Fällung von insgesamt 135 Bäumen beantragt worden. Allerdings sind das nur die Bäume, die auf öffentlichem Straßenland stehen – auf Grundstücken anderer Eigentümer wurden demnach weitere Fällungen beantragt. Dabei dürfte es sich in erster Linie um Flächen handeln, die zum direkt angrenzenden Tempelhofer Feld gehören.

Von den 135 bei Ellenbeck gemeldeten Bäumen müssen ihr zufolge nur 4 „aufgrund fehlender Vitalität“ gefällt werden. 20 sollten weichen, weil die Straße am Ende der Arbeiten einen veränderten Querschnitt erhalten wird. Die Fällung von weiteren 51 lasse sich aufgrund der Boden­arbeiten von Wasserbetrieben und BVG nicht vermeiden.

Übrig bleiben die 60 Bäume, die der Senat seinem Konzept zur temporären Verkehrsführung opfern will. Saskia Ellenbeck will sich weiterhin für ihren Erhalt und die weiträumige Umleitungslösung einsetzen. Sie würde aber gerne auch die Zahl derer reduzieren, die für die Umgestaltung des Straßenprofils fallen sollen. Denn: „Die beantragten Baumfällungen bedeuten einen herben Verlust für den Tempelhofer Damm und das Stadtklima.“

Für Heinrich Strößenreuther von der Initiative Baumentscheid Berlin ist klar: „Wenn eine Fällung unumgänglich ist, um den U-Bahn-Tunnel zu sanieren, müssen wir darüber nicht diskutieren.“ Anders verhalte es sich überall dort, wo sich eine Fällung durch angepasste Planung verhindern lasse. „Dann ist sie auf jeden Fall zu vermeiden, auch wenn das für manche mit kleinen Zumutungen verbunden ist.“

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1 Kommentar

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  • Für die "weiträumige Umleitungslösung" der Frau Ellenbeck fehlt es an entsprechenden Straßenkapazitäten. Wie soll den der Verkehr zur General-von-Pape-Straße gelangen?

    Als Wasserbetriebe würde ich die Planungen einfach einstellen und darauf warten, bis eine der Wasserleitungen platzt. Dann wird alles sehr schnell gehen.