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Bauernverband in der KritikVeganer gegen „Grüne Woche“

Die Landwirtschaftsmesse propagiere die Ausbeutung von Tieren, kritisiert eine Aktionsgruppe. Die Demo gegen die Agrarindustrie reicht ihnen nicht.

Wollen dem Bauernverband das Maul stopfen: Veganer Bild: speednik / photocase.de

BERLIN taz | Sie verachten tierische Produkte aller Art – und haben etwas gegen die „Grüne Woche“: Veganer rufen zum Protest gegen die weltgrößte Agrarmesse in Berlin auf.

Am Dienstag verlieh die Aktionsgruppe „Grüne Woche demaskieren!“ dem Bauernverband, Koveranstalter der Ausstellung, ihren Schmähpreis „Rosa Brille“. Der Verband, der fast alle deutschen Landwirte organisiert, verharmlose „die Gewalt, die Tieren im Rahmen der Nutzung zur Produktion, von Fleisch, Milch und Eiern angetan wird“, begründeten die Aktivisten die Preisverleihung vor dem Büro des Verbands. Schließlich bezeichne er auch die „grausamste Gefangenhaltung, Verstümmelung und Tötung von Tieren als ’tiergerecht‘ “.

Gleichzeitig versuche der Bauernverband, die Bevölkerung davon zu überzeugen, dass Tiere „als Waren und Ressourcen angesehen werden“ müssten. Diese PR-Strategie verfolge die Organisation „vorbildlich mithilfe von kreativen Kampagnen“, zum Beispiel indem sie Lehrmaterialien für Schulen zur Verfügung stelle.

Auch die „Tierwohl-Initiative“ kritisieren die Veganer. Zwar werden nun Aldi und andere Einzelhandelskonzerne Tausende Landwirte dafür bezahlen, ihre Tiere besser zu behandeln als gesetzlich vorgeschrieben. Aber: „Die Maßnahmen beeinflussen die Lebensqualität der Tiere nur minimal.“ Zudem würden sie schärfere gesetzliche Regelungen verhindern. „Das ist preiswürdig!“, finden die Tierrechtler.

Tierausbeutung wird ausgeblendet

Zur Öffentlichkeitsarbeit des Bauernverbands gehört auch die „Grüne Woche“, die am Freitag beginnt. Die Messe „betreibt einseitige Propaganda für die kapitalistisch organisierte und industrielle Landwirtschaft“, sagt Aktionsgruppenmitglied Friederike Schmitz. Die Tierausbeutung werde ausgeblendet.

Deshalb haben die Aktivisten zum Beispiel eine Unterschriftensammlung gegen den „Erlebnisbauernhof“ gestartet, eine Messehalle mit Tieren, Ställen und Landmaschinen. Am Mittwoch wollen sie auf dem Berliner Alexanderplatz Flugblätter verteilen, die die originalen „Grüne Woche“-Flyer parodieren. Auch halblegale Aktionen sind wieder zu erwarten, wie es aus der rund zehnköpfigen Gruppe heißt, die sich im Herbst 2013 gegründet hat. Vergangenes Jahr ließen Aktivisten ein kritisches Transparent vom Funkturm auf dem Messegelände herab.

Dabei grenzen sie sich klar von Organisatoren der „Wir haben es satt“-Demonstration ab, zu der am Samstag etwa der Ökobauernverband Bioland aufruft. Die Demo kritisiere zwar die Folgen der agrarindustriellen Massenproduktion. „Jedoch gehen uns die Forderungen nicht weit genug“, heißt es auf der Website der Vegan-Aktivisten. Deshalb fordern sie dazu auf, im Demonstrationszug einen eigenen „Tierbefreiungsblock“ zu bilden.

Die Aktivisten bitten auf ihrer Internetseite ausdrücklich darum, bei ihren eigenen Aktionen „nicht für irgendeine vermeintlich bessere Form der Tierhaltung (Bio, Demeter, Neuland, kleine Bauernhöfe …) als Alternative zu werben.“ Denn die seien eine „lediglich abgewandelte Form von Herrschaft und Ausbeutung“. Das ist nur konsequent. Tiere und Menschen setzen die Veganer schon in der Sprache weitgehend gleich: Tiere nennen sie „nichtmenschliche Individuen“.

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6 Kommentare

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  • Inwieweit sollten denn diese angeblich so besseren Biohaltungen von Tieren weniger grausam sein als die üblichen? Sind solche Vorstellungen denn irgend etwas anderes als reine Wunschvorstellungen?

    Sehen so vielleicht glückliche Biohühner aus? --- http://www.ariwa.org/aktivitaeten/aufklaerung/videos/599-biohuehner-in-deutschland-video.html

  • Was im Artikel steht, ist Dogmatismus, mit dem ich nichts anfangen kann. Warum setzt man nicht auf mündige Menschen ? Wenn es mehr und mehr Vegetarier und Veganer gibt, dann werden auch die Agroindustrie Verfechter merken, dass sie in der Sackgasse sind.

    • @Rohloffbiker:

      Entschuldigung, was daran ist Dogmatismus? Es ist eine weit vom Mainstream stehende Position, die Grundsatzkritik übt, dabei diskussionsbereit ist und gute Argumente hat. (Dazu gibt es als Teil des Programms von "Grüne Woche demaskieren" die "Umweltpolitischen Themenwochen", http://gruene-woche-demaskieren.de/termine/veranstaltungen/)

      Ich sehe nicht, an welcher Stelle Menschen nicht als mündig wahrgenommen werden, im Gegenteil - das geschieht u.a. bei der einseitigen Propaganda des Bauernverbandes.

      Also worin sehen Sie Dogmatismus?

      • @friederike Schmitz:

        Ich sehe das auch als Dogmatismus.

        Das Dogma lautet nämlich:

        "Alles was nicht vegan ist, ist eine Form von Herrschaft und Ausbeutung und somit grundsätzlich abzulehnen".

        Ich will nicht bestreiten, dass die industrielle Massentierhaltung grundsätzlich verachtenswert ist, aber mit Maximalforderungen kommt heutzutage eben nicht mehr weit und ich glaube wir alle, und auch die Tiere wären besser dran, wenn es statt der Massentierhaltung nur noch demeter und/oder Bioland-Höfe gäbe.

        • @RobinB:

          Man mag eine Maximalforderung für strategisch nicht schlau halten - das hat aber mit dem Vorwurf des Dogmatismus nichts zu tun. Wenn man etwas grundsätzlich ablehnt, dafür aber gute Gründe hat und bereit ist zu diskutieren, wüsste ich nicht, was daran dogmatisch sein sollte - tatsächlich werden so immer die weit vom Mainstream abweichenden Positionen diffamiert, d.h. "radikal" und "extrem" gleich dogmatisch.

           

          Was nun die strategische Frage angeht, so ist das letztlich eine empirische Frage und höchst kompliziert. Und glaub mir, die wird in der Tierrechtsbewegung viel diskutiert. Du hast aus meiner Sicht natürlich Recht, dass es besser wäre, wenn es nur noch demeter-Höfe gebe. Daraus folgt aber überhaupt nicht, dass man jetzt Biohaltung fordern und z.B. demeter subventionieren sollte. Tatsächlich spielt die Existenz der Biohaltung auch eine systemstabilisierende Rolle - Leute können ihre Kritik an der Massentierhaltung durch Biokaufen ausleben, anstatt wirklich etwas verändern zu wollen. Dann gibt es strukturelle Effekte: Je beliebter Bio wird, desto mehr wird es selbst industrialisiert. In den großen Biobetrieben mit Tausenden von Legehennen geht es den Tieren tatsächlich nicht mehr besser als in der konventionellen Haltung. Es gibt also keine einfache Wahl nach dem Motto: "Veränderung hin zu demeter-Betrieben oder gar keine Veränderung".

          Ich glaube, dass die Maximalforderung bestimmte allgemeine Phänomene - die absolute Kommodifizierung der Tiere - herausstellt und so eine grundsätzliche Debatte anstoßen kann, die auch zu einem großen Umdenken führen kann, was dann mehr bewirkt als halbherzige Reförmchen.

          Empirische Hypothese, klar, aber was besseres hat der "Tierschutzansatz" auch nicht.

  • Die Messe „betreibt einseitige Propaganda..." Das nennt sich Werbung. Und dazu sind Messen da.