Bauarbeiter:innen in Griechenland: Dem Hitzetod ausgeliefert
Griechische Bauarbeiter:innen werden nicht ausreichend vor Hitze geschützt. Immer wieder kommt es zu Todesfällen während der Arbeit.

Griechenland und die umliegenden Staaten sind wie kaum eine andere Region vom Klimawandel betroffen. Im östlichen Mittelmeer erhitzt sich die Region fast doppelt so schnell wie im weltweiten Durchschnitt. In Griechenland gibt es jährlich mittlerweile mehr als 90 Tage mit Temperaturen über 35 Grad und über 25 Tage mit Temperaturen über 40 Grad.
Wie Forscher:innen der Universität Hawaii herausfanden, kann schon eine Außentemperatur von 37 lebensgefährlich werden. Von diesen immer häufigeren gefährlichen Hitzetagen sind Arbeitnehmer:innen in Baugewerbe, Landwirtschaft, Tourismus und Industrie besonders betroffen.
„In den letzten Jahren ist die Zahl der Todesfälle am Arbeitsplatz in Griechenland erschreckend gestiegen“, sagte Andreas Stoimenidis der taz. Er ist Sekretär für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz des gewerkschaftlichen Dachverbands GSEE und stellvertretender Vorsitzender des Exekutivausschusses der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz (EU-OSHA).
Fast täglich Tote
Laut dem Griechischen Bauarbeiterverband (OKE) werden „fast jeden Tag Menschen am Arbeitsplatz getötet und verstümmelt“. Bereits 2023 hatte Griechenland die höchste hitzebedingte Sterblichkeitsrate in ganz Europa.
Allein im ersten Halbjahr 2025 sind in Hellas 115 Menschen am Arbeitsplatz getötet worden, im gesamten Jahr 2022 waren es nur 104. Offizielle Zahlen zu Hitzetoten während der Arbeit werden in Griechenland zwar nicht erhoben, Gewerkschaftler Stoimenidis schätzt den Anteil der Todesfälle durch Hitzebelastung aber auf zwölf bis fünfzehn Prozent.
In den heißen Sommermonaten gibt es nahezu wöchentlich neue Meldungen. Allein bei der Hitzewelle der vergangenen Tage sind neben dem 65-Jährigen zwei weitere Bauarbeiter ums Leben gekommen.
Für Gewerkschaftler Stoimenidis sind die gestiegenen Todeszahlen auch auf die jüngsten umstrittenen arbeitsrechtlichen „Flexibilisierungen“ der liberal-konservativen Mitsotakis-Regierung zurückzuführen. „Die Einführung von 13-Stunden-Arbeitstag, Sechs-Tage-Woche oder die Rückkehr von Rentnern an ihren Arbeitsplatz sind ein Weg in den Tod“, so Stoimenidis. Gerade Menschen ab 65 haben bei Hitze ein erhöhtes Sterberisiko.
Zögern der Regierung fordert Menschenleben
Es fehle aber ein rechtlicher Rahmen zum Schutz von Arbeiter:innen bei hohen Temperaturen: „Die Regierung erschöpft ihre Interventionen mit sporadischen Rundschreiben, die für die Arbeitgeber nicht verbindlich sind“, so der Gewerkschaftler. „Auf der anderen Seite gehen jedoch Menschenleben verloren.“
Bereits vor fünf Jahren hatten sich Gewerkschaften, Arbeitgebervertretungen, Wissenschaftler:innen sowie Teile des Arbeitsministeriums auf einen Gesetzentwurf verständigt. Darin werden detaillierte Maßstäbe für einen umfassenden Hitzeschutz für Bauarbeiter:innen und Co festgelegt. Seither seien jedoch keine wesentlichen Maßnahmen ergriffen worden, so die Bauarbeitergewerkschaft OKE.
Zwar würden für Hitzewellen zeitlich begrenzte Auflagen erteilt, diese jedoch so gut wie nie kontrolliert. Bauarbeiter:innen müssten deshalb häufig auch bei Temperaturen über 38 Grad weiterarbeiten, da ihnen sonst der Lohn gestrichen werde. Die Regierung von Premier Mitsotakis, die so Forderung der Gewerkschaften, müsse umgehend die Umsetzung ihrer eigenen Vorgaben gewährleisten.
Geflüchtete haben in Griechenland, sofern sie eine Aufenthaltsgenehmigung haben, formal die gleichen Arbeitsrechte wie Griech:innen. In der Realität sind sie jedoch häufig in prekären Arbeitsverhältnissen und unter schlechten Bedingungen beschäftigt.
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