Batterien ohne umstrittenen Rohstoff: Verflixt wie ein Kobold, dieses Kobalt
Die Firma Sonnen kreiert ein Siegel für Batterien ohne das umstrittene Metall. Und erweckt damit den Eindruck, kobaltfreie Systeme seien überall möglich.
Die Initiative trifft einen Nerv, denn Kobalt ist aufgrund der oft unmenschlichen Abbaubedingungen vornehmlich im Kongo in Verruf geraten. Und doch erregt der Vorstoß von Sonnen in der Branche Missfallen, weil hinter der Frage, ob eine Lithium-Batterie nun Kobalt enthält oder nicht, mehr steckt als reine Firmenphilosophie.
Entscheidend ist vielmehr die Zelltechnologie. Lithium-Eisenphosphat-Zellen brauchen kein Kobalt, Lithium-Nickel-Mangan-Zellen (NMC) aber sehr wohl. Da aber nicht jede Zellchemie für jeden Einsatzbereich taugt, ist eine Umstellung komplett auf Lithium-Eisenphosphat-Technik unrealistisch.
Vor allem erzielen die kobaltfreien Zellen nur eine geringere Energiedichte, weshalb in Autos die kobalthaltigen NMC üblich sind. Folglich ist auch Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbands Energiespeicher (BVES), über den Vorstoß der Firma Sonnen – die noch dazu Mitglied seines Verbands ist – alles andere als glücklich: „Wir sollten nicht eine Technik gegen eine andere ausspielen.“ Schließlich brauche man für die Energiewende wegen des Verkehrssektors auch NMC. Anders als in Fahrzeugen bietet sich in Heimspeichern die kobaltfreie Technik jedoch an.
Differenzen um Nachhaltigkeit
Die Firma Sonnen verweist nicht nur auf bessere Sicherheitseigenschaften, sondern auch auf die größere Zyklenfestigkeit und damit eine längere Lebensdauer – was natürlich der Nachhaltigkeit zugute komme. Dem wiederum hält der BVES entgegen, dass Kobalt mit 95 Prozent eine besonders hohe Recyclingquote erziele, ein Wert, den die Lithium-Eisenphosphat-Zelle nicht erreiche. Das Thema ist also etwas komplexer, als es der Vorstoß von Sonnen suggeriert.
BVES-Geschäftsführer Windelen setzt darauf, dass der Kobaltgehalt der NMC-Zellen durch technische Fortschritte gesenkt wird. „Die Zellchemie ändert sich dauernd“, sagt er. Heute würden die Elemente Nickel, Mangan (ein eisenähnliches Metall) und Kobalt zu gleichen Teilen eingesetzt, künftig werde man ein Verhältnis von 4:1:1 zugunsten des Nickels erreichen, langfristig sei eine Relation der drei Elemente von 8:2:1 angestrebt.
Konkurrenten von Sonnen frotzeln bereits, sie hätten statt kobaltfrei eine „ölfreie Batterie“ im Angebot. Der Hintergrund: Die Firma Sonnen hatte im Februar mitgeteilt, dass sie vom niederländisch-britischen Ölmulti Shell übernommen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Die Wahrheit
Herbst des Gerichtsvollziehers