Bastian Pastewka über „Pastewka“: „Ich bin ja kein netter Kerl“
An diesem Freitag startet die neunte Staffel der Sitcom „Pastewka“. Im Interview spricht Bastian Pastewka über das Zerrbild des Nerds und seine Liebe zur Zukunft.
taz: Herr Pastewka, nüchtern?
Bastian Pastewka: Wie bitte?
Wenn man Sie googelt, findet man unheimlich oft die Meldung, dass Sie auf der Geburtstagsfeier Ihrer Frau sehr betrunken gewesen seien und quasi ein Alkoholproblem hätten.
Ach so, ja.
„Schockierende Alkohol-Beichte“ stand beispielsweise bei „InTouch“. Hat es Sie erstaunt, wie häufig eine kleine Anekdote völlig ohne Ironie aufgegriffen wird?
Ja. Aber da habe ich auch einen Fehler gemacht. Also eigentlich zwei. Erstens, dass ich überhaupt so tief ins Glas geguckt habe, denn ich vertrage keinen Alkohol. Und zweitens, dass ich von meinem Schwipps in einer Talkshow erzählt habe. Und zwar nur, weil eine Schauspielerin, die auch in der Show saß, erzählte, dass sie eigentlich nicht mehr nüchtern auf die Bühne ginge, und viele mit einstimmten, und ich mich dann bemüßigt fühlte, gegenzusteuern: Moment mal, Alkohol kann auch Folgeschäden haben, das ist nicht ganz ungefährlich, mir ist da neulich was passiert … und dann habe ich meine Geschichte erzählt. Und daraus machten dann mehrere Onlineseiten, speziell die, die Clickbaiting betreiben: „Gefährlicher Alkoholabsturz“. Im Grunde ist das der Anfang einer „Pastewka“-Folge.
Starke Überleitung. Sie spielen in einer Sitcom eine Person, die genauso heißt wie Sie. Ist es besonders ehrlich, sich selbst in einer Comedyserie zu spielen, weil wir doch eh alle ständig ein Bild von uns nach außen transportieren, das uns nicht entspricht? Bei der Arbeit, bei Facebook, vor Freunden, sonst wo?
Ich glaube schon. Ich jazze natürlich ein Zerrbild von mir hoch: das des Nerds. Und zwar nicht nur in der Serie; das geht ja beispielsweise bei Twitter weiter, wo ich alte, seltene Kriminalhörspiele empfehle, die nachts um 0.05 Uhr im Deutschlandfunk laufen. Aber ich mache das, weil ich historische Funkhörspiele liebe.
Apropos Ihre nerdigen Krimis von damals: Würden Sie mit dem Wissen von heute eigentlich lieber im Jahr 1980 oder dann doch eher im Jahr 2058 leben wollen?
Im Jahr 2058.
Wirklich?
Mich interessiert alles, was kommt, nicht was war. Was hilft der Blick zurück? Man hat ja ohnehin in der Zeit gelebt. Ich gucke in meinem Leben jetzt erstmals auf eine Generation von Komikern, die halb so alt ist wie ich. Ich sehe, dass deren Timing deutlich genauer ist als meines in dem Alter. Die haben viel mehr drauf – und viel mehr gesehen. Als ich angefangen habe, Comedy zu machen, gab es fünf Monty-Python-Videos, die man sich aus London geholt hat, um irgendwas zu studieren, was es schon gab. Ich werde genau diese Erfahrung mein Leben lang lieben, aber ich muss sie nicht noch mal machen. Ich möchte lieber in die Zukunft blicken.
Ich hätte gedacht, dass Sie eher zurückreisen würden. Mit dem Wissen von jetzt wären Sie der König der 80er.
Da muss man unterscheiden: Die Rolle Bastian will gern immer noch mit den „Drei ???“ abends einschlafen, das will ich privat nicht. Aber klar, wenn ich in Quizshows eingeladen werde, bin ich auch froh, dass ich eher Film-Fragen zu den 80ern und 90ern bekomme als zu – sagen wir mal – „The Avengers“.
Aber in der Zukunft leben zu wollen, hat doch was von Start-up-man-muss-die-Zukunft-gestalten-sonst-macht-es-jemand-anders-Getue. Sind Sie so?
Neben den Fortschritts- und Technologiegläubigen wird es auch immer Philosophen, Freidenker, Bekloppte und Entertainer geben. Davon bin ich überzeugt.
Aber dann vielleicht nicht mehr im Fernsehen.
Wieso? Das stirbt nicht aus. Okay, wir setzen uns vielleicht nicht mehr hin und gucken nur, was um 20.15 Uhr läuft, aber der hohe Konsum von Streamingangeboten zeigt mir, dass wir wieder neugierig sind auf gut erzählte Geschichten, die möglicherweise im Kino nicht mehr stattfinden, weil es da nur noch große Spezialeffekt-Infernos gibt, aber eben nicht mehr die kleine Geschichte.
So eine kleine Geschichte wie „Pastewka“, wo die Probleme eher privat sind, die nicht besonders divers ist, die im alten BRD-Kosmos spielt? Romantisieren Sie nicht gerade da das Fernsehen, wie es einst gemacht wurde?
Ich glaube nicht, dass eine Serie zwangsläufig dadurch interessanter wird, dass sie die politischen Verhältnisse der Zeit abbildet. Außerdem haben wir immer wieder etwas gemacht, was unsere Fans nicht von uns erwarteten: Wir haben beispielsweise zu Beginn von Staffel acht die Trennung von Anne und Bastian erzählt. Einige Zuschauer schrieben uns, dass man das nicht machen könne, weil es doch eine Serie sei, bei der am Ende immer alles gut werde. Fuck you. In dieser Serie ist überhaupt nichts gut. Bastian lügt, trennt den Müll nicht, täuscht Hugo Egon Balders Tod vor, er baut die ganze Zeit Scheiße. Das ist doch kein Spaß. Und ich glaube manchmal, dass all das, was wir immer als gesellschaftliche oder politische Krisen beschreiben, in Wahrheit private Krisen sind. Politik oder Gesellschaft sind keine Naturgesetze. Wir sind die Generation, die nicht mehr zielorientiert miteinander kommuniziert. Wir sind die, die Freiheit predigen, die vom Klimawandel reden und dann doch mit dem Flugzeug reisen und vor dem Schokoriegel-Regal stehen und zugreifen und denken, früher sei alles besser gewesen. Und da geh ich gegen an, indem ich einen Typen spiele, der komplett retro denkt und lebt – und der damit immer wieder scheitert.
Sie sagen ja selbst immer wieder, dass ein Teil von Ihnen in die Rolle Pastewka einfließt. Ist das der größte Unterschied zwischen der Figur und Ihnen, dass die Figur ein viel skrupelloseres Arschloch ist?
An guten Tagen bin ich auch ein Arschloch und finde alles doof. Ich bin ja kein netter Kerl. Ich bin freundlich, aber ich bin dann doch einmal pro Monat doof zu jemandem. Auch das gibt es.
Warum läuft gerade „Pastewka“ schon so überdurchschnittlich lange?
Der Mensch
Einen der „besseren Comedians hierzulande“ nannte die taz einmal den 1972 in Bochum geborenen und in Bonn aufgewachsenen Bastian Pastewka. Das sieht auch der Betrieb so, der den ab 1996 mit der „Wochenshow“ bei Sat.1 bekannt gewordenen Künstler eigentlich jedes Jahr auszeichnet.
Die Serie
Ab Freitag läuft bei Amazon Prime Video die neunte Staffel von „Pastewka“. 2005 bei Sat.1 gestartet, spielt Bastian Pastewka darin einen Komiker namens Bastian Pastewka. Eine fiktive Figur. Natürlich. Nach sieben Staffeln wurde die Serie 2014 bei Sat.1 nicht fortgeführt. Erst Anfang 2018 erschien eine neue Staffel bei Amazon.
Die Schleichwerbung
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) hat Amazon untersagt, die vierte Folge der achten Staffel weiter anzubieten. Die Episode verstoße gegen das Schleichwerbeverbot. „Die gesamte Folge ist – vor allem in Bezug auf die Marke MediaMarkt – von häufigen und intensiven Darstellungen und Erwähnungen geprägt, die nicht programmlich-dramaturgisch begründbar sind“, teilte die BLM mit. Amazon erklärte, dass der Bescheid geprüft werde.
„Pastewka“ ist eine Ensemble-Sitcom! Und möglicherweise ist es uns gelungen, unsere Figuren – wie Bastians Bruder, seine Schwägerin, die Agentin Regine – so zu zeigen, dass sie über viele Jahre interessant geblieben sind. Wir haben sie nie zu funktionalen Figuren gemacht, sie hatten immer ein angenehmes Eigenleben. Wir haben auch Folgen gemacht, wo die Gags nicht so stark waren, aber wir blieben den Figuren immer treu. Warum? Weil wir zeigen wollten, dass wir keine Happy-go-lucky-Sitcom sind wie etwa „Friends“. Als wir 2005 mit unserer ersten Staffel starteten, sahen wir an anderen Sitcoms aus Deutschland, dass jeder Charakter ständig lustige Sprüche parat hatte und alles immer heiter blieb. Dem haben wir uns verweigert. Wir haben mit Pastewka eine Figur geschaffen, die immer den berühmten Satz zu viel sagt und versucht, sich wie Münchhausen an den eigenen Haaren aus dem Dreck zu ziehen, was ihm natürlich nicht gelingt.
Ist dieses Funktionale dann genau das, was einem bei so vielen Filmen und Serien auf die Nerven geht?
Ja. Gerade Ermittlerfiguren sind entweder problemüberlastet oder aufgabenüberlastet. Oder alternativ: Man will einen Schmunzelkrimi machen und es ist weder lustig noch spannend.
Geht die große „Tatort“-Zeit zu Ende?
Die Quoten sagen nein.
Aber kann das ewig so funktionieren? Ich habe das Gefühl, dass viele Leute übersättigt sind und weniger „Tatort“ gucken.
Ist das wirklich so? Sind das nicht dieselben Leute, die uns gebetsmühlenartig sagen, dass sie gar kein Fernsehen mehr gucken und dann schauen an einem Dienstagabend um 22.15 Uhr doch wieder mehr als sechs Millionen Menschen das „Dschungelcamp“? Und haben nicht gerade die Sendungen, die in der ARD am längsten laufen, die Lagerfeuersendeplätze – „Lindenstraße“ mal ausgenommen – überlebt? Man sagt ja auch immer, die Samstagabendshow sei tot, aber wenn man mal genau hinschaut, kommt am Samstagabend eine Quizshow mit Kai Pflaume, „Wer weiß denn sowas? XXL“, in der im Grunde das gleiche Quiz dreimal hintereinander gespielt wird, um es zu einer Dreistundensendung zu verlängern und es ist bumserfolgreich mit sieben Millionen Zuschauern. Und wenn man sich die Abrufzahlen der öffentlich-rechtlichen Mediatheken anschaut, erkennt man, dass es anscheinend sogar das Bedürfnis gibt, das Lagerfeuer von 20.15 Uhr am nächsten Nachmittag nachzuholen.
Aber fragen Sie sich nicht auch: Wer guckt das über drei Stunden?
Ich sitze in diesen Shows und frage mich, warum ich immer verliere. Das ist viel schlimmer.
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