Baron Cohen kritisiert politische Werbung: Hitler auf Facebook
Facebook spielt weiter politische Werbung aus. Sacha Baron Cohen stellt fest: Sie hätten 1930 sogar antisemitische Anzeigen von Hitler geschaltet.
Cohen reagierte damit auf den Umgang des Konzerns mit politischer Werbung: Während Google und Twitter in den letzten Wochen bekanntgaben, einen kritischeren Umgang mit politischer Werbung etablieren zu wollen, zieht Facebook nicht nach. Stattdessen verteidigt der Konzern politische Anzeigen auf seiner Seite, die Schätzungen zufolge 0,5 Prozent des Umsatzes ausmachen. „Solange du bezahlst, wird Facebook alle politischen Anzeigen schalten, die du willst – auch wenn sie Lügen enthalten“, so Cohen.
Ausgehend von dieser „absurden Logik“, hätte Facebook den Diktator selbst 30-Sekunden-Werbevideos für seine „Endlösung der Judenfrage“ veröffentlichen lassen, verkündete Cohen, der für seine provokanten Aussagen bekannt ist. Er appellierte an den US-Konzern, Werbeanzeigen vor ihrer Veröffentlichung auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Enthielten sie Falschnachrichten, solle der Konzern dem Werbekunden das Geld zurückgeben und sie nicht veröffentlichen, forderte der Schauspieler.
Neue Spielregeln bei Google
Seit Mitte der Woche diskutieren User*innen sozialer Netzwerke, Politik und Expert*innen wieder vermehrt darüber, wie Online-Konzerne mit politischer Werbung umgehen sollten. Am Mittwoch hatte Google angekündigt, seine Regeln für politische Werbung zu verschärfen, um Falschnachrichten sowie die gezielte Ansprache spezieller Wählergruppen zu vermeiden.
Einzelne Nutzergruppen sollen mit den Anzeigen nur noch nach drei Merkmalen angesprochen werden können: Alter, Geschlecht und Postleitzahl. Zugleich bleibe es aber weiterhin möglich, die Anzeigen zu einzelnen Suchwörtern wie zum Beispiel „Wirtschaft“ zu schalten, wie Google in einem Blogeintrag erklärte.
Empfohlener externer Inhalt
Rede Sacha Baron Cohen
Zudem betonte Google, dass falsche Angaben in jeglicher Werbung gegen die Regeln der Plattform verstießen – auch wenn es um Politik geht. Das betreffe zum Beispiel auch manipulierte Medien wie Videos. Twitter verkündete ähnliche Maßnahmen bereits Ende Oktober.
Facebook-Chef Mark Zuckerberg möchte da nicht mitziehen und erklärte stattdessen, er wolle in seinem Netzwerk allen eine „Stimme“ geben. Die Reichweiten-Vergrößerung durch Anzeigen sei wichtig für noch unbekannte politische Kandidaten und Gruppen, die von den Medien keine Aufmerksamkeit bekämen. Zudem sei die Grenze schwer zu ziehen.
Klarere Gesetze gefordert
In Deutschland sieht der US-Konzern den Gesetzgeber in der Pflicht. Er soll verbindliche Regeln aufstellen. „Ob eine Anzeige politisch ist und wer politische Werbung schalten darf, ist nicht einfach zu definieren“, erklärte eine Sprecherin Facebooks der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). „Wir glauben, dass gesetzliche Vorgaben in diesem Bereich notwendig sind, und bringen uns gerne in Gespräche dazu ein.“
Ähnlich äußerte sich demnach Siegfried Schneider, Präsident der bayerischen Landeszentrale für neue Medien: Das eigentliche Problem im Netz sei die fehlende Definition politischer Werbung. Auch er verlangte von der Politik, „eine allgemein verbindliche Definition zu formulieren“, statt Facebook oder Twitter entscheiden zu lassen.
Auch Martin Gerecke, Fachanwalt für Medienrecht bei der Großkanzlei CMS, sieht in Deutschland „klaren Reformbedarf“. Es gebe eine „völlige Intransparenz im Bereich politischer Werbung in den sozialen Medien“, sagte er der FAZ. „Für Anzeigen auf Plattformen wie Google haben wir noch keine gesetzlichen Regelungen.“
Auf die Vermutung, auch Hitler hätte bei Facebook Werbung schalten können, reagierte Facebook defensiv. Cohen habe die Grundsätze des Online-Netzwerks „verdreht“ dargestellt. „Hassreden sind auf unserer Plattform verboten“, erklärte ein Sprecher. „Niemand – einschließlich Politikern – darf Hass, Gewalt oder Massenmord auf Facebook befürworten und propagieren.“
Gegen Falschaussagen in Beiträgen von Politikern will der Konzern jedoch offensichtlich nichts unternehmen. Zuletzt hatte Facebook angekündigt, diese auf der Plattform zu lassen, um sich nicht in den politischen Prozess einzumischen. Ein Vorgehen, das zu Facebook passt: Erst im Oktober hatte das Unternehmen angekündigt, einen News-Feed einzuführen, in dem ausgewählte Medien Beiträge verbreiten und somit eine vertrauenswürdige Nachrichtenquelle darstellen können; mit dabei ist das rechtsradikale Portal „Breitbart“, das nicht dafür bekannt ist, besonders sauber mit der Wahrheit zu arbeiten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bundestag bewilligt Rüstungsprojekte
Fürs Militär ist Kohle da
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Kürzungen im Berliner Haushalt
Kultur vor dem Aus
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht räumt Irrtum vor russischem Angriff ein
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren