Barbie und Oppenheimer im Kino: Es geht nur gemeinsam
Kinorettung oder Kinountergang? Barbie und der Feminismus, Oppenheimer und der Machismo – sie können nur gemeinsam die Welt regieren.
E s gab eine Zeit, in der galten das „Ah, oh!“ und „Winke, winke!“ der Teletubbies als antipädagogisch. Eltern sorgten sich, dass ihre Kleinen durch die wortschatzarmen, enervierend niedlichen Knuffelfiguren nicht genügend „echte“ Sprache mitbekämen.
Heute freut man sich, wenn Kinder überhaupt mal in den übersichtlich programmierten, von Jugendschützer:innen kontrollierten Fernseher gucken, anstatt sich von der Social-Media-Welt traumatisieren zu lassen.
Vielleicht sollte man diese Großmut auch Barbie gegenüber gelten lassen. Immerhin ist sie eine analoge Puppe, eine Erwachsenenfigur gar, die Mädchen, wie es Greta Gerwig ihrem umstrittenen Film voranstellte, erstmalig die Möglichkeit bot, kreativ etwas anderes als eine Mutter zu spielen. (Abgesehen davon, dass es durchaus auch Mütter von jungen, normativ-überperfekt geformtem Frauen mit klitzekleinen Ballettfüßchen geben muss. Die sich dann wahrscheinlich ärgern, weil ihre Töchter sich nur für Äußerlichkeiten interessieren, anstatt zu Feminismusdemos zu gehen.)
Überhaupt stecken in der Barbenheimer-Diskussion, die beiden Filmen wahlweise bestätigt, das Kino zu retten oder seinen Untergang einzuleiten, jede Menge Genderaspekte: Nicht nur auf den Feminismus, den Barbie nach Ansicht vieler verrät beziehungsweise Greta Gerwig nicht ernst genug nimmt, lohnt ein detaillierter Blick, sondern auch auf den latenten Macho-Vibe, den man zunächst in den Daten rund um „Oppenheimer“ wahrnehmen könnte, wenn man möchte.
Sehr, sehr langer Film
Also Achtung, Damen, aufgepasst, meiner ist drei Stunden lang: Es handelt sich wie gesagt um einen sehr, sehr langen 70-mm-Film, dessen sehr, sehr lange (17 Kilometer) Imax-3D-Rollen so schwer sind (272 Kilo), dass manche Kinos sie nicht spielen können. Der Film hat den vermutlich längsten … Score, den je ein langer Film hatte – der Komponist Ludwig Göransson lässt nur wenige Pausen.
Die Heldenreise des Films stellt einen Mann in den Mittelpunkt – und macht ihn damit zum Helden –, der die dickste Waffe baut, die je gebaut wurde. Die dramaturgische Entwicklung der Hauptfigur fußt darauf, dass jener Bombenbauer nach dem Abwurf der Bomben und dem Tod von mindestens 230.000 Menschen doch tatsächlich ins Zweifeln gerät und er sich für die Kontrolle der Atomenergie einsetzt. Nebenbei ist er ein echter Stecher, wie man in seinen Sexerinnerungen, die ihm ausgerechnet bei der Anhörung bildhaft in den Sinn kommen, schnell sieht.
Aber abgesehen davon sind beides gute Filme, und das meine ich komplett unironisch. Denn neben der formalen Spiel-, Technik- und Inszenierungsfreude zeigen sie, dass die Welt weder schöner ist, wenn Barbies sie regieren, noch wenn Oppenheimers das tun. Es geht nur gemeinsam.
Barbie und Oppenheimer
Das ist die versöhnliche Botschaft, die sowohl am Ende von „Barbie“ deutlich und ebenfalls recht unironisch verkündet wird als auch das Ende von „Oppenheimer“ bestimmt, das geprägt ist von den persönlichen und globalen Konsequenzen seiner Arbeit.
Großmut ist also the key. Und wen der neue Kinohype kaltlässt – nicht nur der „Oppenheimer“- und „Barbie“-Ticketverkauf erfreut momentan die Lichtspielhäuser, auch politisch unbedenkliche Independentproduktionen wie „Talk to Me“ profitieren laut Variety vom Barbenheimer-Effekt – oder wer befürchtet, dass die Mattel-Merchandisingverkäufe mit dem Filmstart in unfassbare Höhen schnellen und die Großkonzernbonzen noch reicher machen, der sei etwas besänftigt:
Bislang konnte die Barbie die aus bekannten Gründen (Krise, Digitalisierung etc.) seit Jahren einbrechenden Mattel-Profite noch nicht retten, laut Medienberichten kaufen die Konsument:innen nach wie vor immer weniger echtes Spielzeug, Margot Robbie hin oder her. Aber Mattel sitzt bestimmt schon an einem Oppenheimer-Ken. Inklusive langer, dicker und schwerer Bombe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner