Barbara Salesch über ihr TV-Comeback: „Sie müssen unterhaltsam sein“
Barbara Salesch wurde als TV-Richterin bekannt – und hat damit auch im echten Gerichtssaal ihre Wirkung entfaltet. Nun kehrt sie zurück.
taz: Frau Salesch, in ihrem Buch „Ich liebe die Anfänge!“ aus dem Jahr 2014 schreiben Sie, wie Sie am letzten Drehtag Ihrer Show nach knapp 13 Jahren feierlich Ihren Richtertresen zersägt und ein Stück mitgenommen haben. Das war 2012. Was ist mit dem Stück passiert, steht das in Ihrer Galerie?
Barbara Salesch: Das wäre schön! Aber als ich gemerkt hab, dass ich’s brauchen kann, war’s weg. Das war ja sowieso ein total ramponiertes Stück. Ich habe seinerzeit mein Haus saniert, und die haben das als Unterlegstück für die Kreissäge benutzt. Es war nur ein sehr kleines Stück.
Das ist ja eine tragische Geschichte.
Ach, das finde ich nicht. Da muss man sich auch nicht mit solchen alten Sachen beschäftigen.
72, arbeitete als Staatsanwältin und Richterin in Hamburg, bevor sie 1999 erstmalig als Fernsehrichterin tätig wurde. 2012 beendete sie ihre TV-Karriere und widmete sich der Kunst. Ab Montag ist sie wieder im TV zu sehen in „Barbara Salesch – Das Strafgericht“ auf RTL.
Nun beschäftigen Sie sich aber zweifellos wieder mit alten Sachen: Sie haben nach Ihrer TV-Karriere fast zehn Jahre lang als Künstlerin gearbeitet, was sie oft als „dritte Phase“ Ihres Lebens bezeichnet haben. Ursprünglich wollten Sie sogar nie Juristin werden. Und doch kommt nun eine Wiederauflage ihrer TV-Gerichtsshow. Warum gerade jetzt?
Es waren zehn schöne Jahre auf dem Land. Aber dann kam der Anruf, eigentlich waren es sogar viele Anrufe, und dann habe ich mich damit einfach auseinandergesetzt. Irgendwann fand ich es doch ganz interessant, wieder neu anzufangen. Es hat sich so viel juristisch geändert, auch im Tatsächlichen. Es gibt neue Möglichkeiten. Ich dachte: Ach, probiers doch noch mal. Einerseits ist es das Altvertraute, es ist also nicht so schwer für mich. Ich weiß, wie es geht. Aber es ist trotzdem etwas Neues.
Haben Sie Ihr juristisches Wissen für die neuen Folgen noch einmal aufgefrischt?
Ja, ich habe meine Schularbeiten gemacht. Ich komme noch aus der Generation, die mit Büchern lernt. Nachdem ich zugesagt habe, bin ich sofort in die nächste Buchhandlung und habe mir ein paar Bücher bestellt. Ich habe mir das angeschaut, etwa Nachstellung, wie wir Juristen sagen – „Stalking“ auf Neudeutsch – da gibt’s eine ganze Menge Neues. Und auch die Verwertbarkeit von Beweismitteln – es hat sich einiges getan. Zum Fortschritt der Justiz muss ich sagen: Man hat mehr Möglichkeiten als früher.
Können Sie mir da ein konkretes Beispiel nennen?
Das ist ein bisschen schwierig zu erklären, aber: Man zeichnet heute doch alles auf. Gefilmt wird auf Teufel komm raus, es wird gechattet, bis der Arzt kommt, es wird bei Social Media alles reingestellt, was nicht bei drei auf dem Baum ist, es gibt Handys mit Bewegungsprofil. Wenn es drauf ankommt, kann ich diese Beweismittel – und das war das Interessante für mich – benutzen. Ich habe es nicht rechtswidrig erlangt, sondern irgendjemand hat irgendjemand aufgenommen. Aber wenn ich das Handy in den Händen hab, dann kann ich das wunderbar auswerten.
Lassen Sie uns noch einen Blick auf die Vergangenheit werfen. Sie sind Volljuristin, haben im Strafrecht gearbeitet. Wie muss ich mir das vorstellen: Kam da in den 90er-Jahren einfach eine TV-Produktionsfirma auf Sie zu und fragte: Frau Richterin Salesch, hätten Sie nicht Lust darauf, Fälle in einer Fernsehsendung zu verhandeln? Das muss einem doch als praktizierende Richterin relativ bizarr vorgekommen sein.
Wäre das so gewesen, wäre es mir in der Tat bizarr vorgekommen. Nein, es war so: Meine Landgerichtspräsidentin hat mich angesprochen. Die meinte: Frau Salesch, ich hätte da was, Sie könnte ich mir in der Rolle gut vorstellen.
Sie wiederum war von einer Produktionsfirma gefragt, worden, ob sie in ihrem Bereich eine Frau kenne, die möglicherweise im Fernsehen eine Schiedsrichterin machen könnte. Frau deshalb, weil im ersten Jahr der Suche geschlechtsneutral nach einem Mann gesucht worden war, bis man merkte, dass die wenigen Frauen, die dabei abfielen, besser waren. Es ging um Schiedsgerichtsverhandlungen mit echten Richtern und echten Fällen. Dann bin ich nach Köln gefahren zu filmpool, die auch die neue Sendung produziert – und habe verhandelt, wie das so meine Art ist. Und dann bin ich’s geworden. Ehrlich gesagt habe ich mir die Gedanken dazu erst hinterher gemacht.
Auch die anderen Mitwirkenden an der TV-Show waren ja größtenteils praktizierend. Da muss es in den 90ern eine Zeit gegeben haben, wo massenweise Kanzleien und Richterschaften angeschrieben wurden, um TV-taugliche Juristinnen und Juristen zu rekrutieren.
Wie die das gemacht haben, weiß ich nicht. Seinerzeit lag das Format in der Luft. Alle Produzenten haben versucht, Richterinnen oder Richter für ein Schiedsgericht zu finden. Ich hatte davon aber nichts gehört. Und wer als Erstes den oder die Richtige findet, gewinnt. Allein filmpool hatte 200 Leute gecastet und fand keinen. Und plötzlich komme ich daher und mache meine Verhandlung wie immer, und dann hieß es nur noch: Genau die ist es! So eine Rolle zu machen ist nicht so leicht. Sie müssen natürlich eine gute Juristin sein und einigermaßen aussehen fürs Fernsehen. Sie müssen nicht schön sein, aber sie müssen gut rüberkommen. Und, ganz wichtig: Sie müssen spontan sein und einen Unterhaltungswert haben. Und das habe ich zusätzlich.
Echte Schiedsgerichtsfälle gab es in Ihrer Sendung nur kurz, danach wurden die Verhandlungen komplett fiktiv.
Wir haben es mit dem echten Schiedsgericht probiert, für ein Jahr. 18 bis 18.30 Uhr. Das war übrigens einmalig im Deutschen Fernsehen. Aber das hat nicht so funktioniert. Alle Maschendrahtzäune zusammen hätten nicht ausgereicht (eine bekannte Episode verhandelt einen Maschendrahtzaun, Stefan Raab hat daraus ein Lied gemacht; die R.). Die Quoten genügten nicht. Wir flogen vom Sendeplatz. Gisela Marx von filmpool wurde der Nachmittag angeboten. Dazu mussten wir uns von den echten Fällen trennen und auf geschriebene umstellen. Und auf was wohl? Strafrecht natürlich. Darin bin ich natürlich Profi. Aber das war nicht meine Idee. Das war die von Gisela Marx. Und das lief! Erst war das natürlich sensationell, und dann, wie immer: Kopie, Kopie, Kopie …
Die geschriebenen Fälle kamen derartig gut beim Publikum an, dass sie sogar auf die Realität zurückgewirkt haben sollen. Es gibt Juristen, die berichten von Verhandlungen, in denen es hieß: „Bei Richterin Salesch durften die das, also darf ich das ja wohl auch.“ Ist Ihnen da als ehemalige Strafrichterin nicht manchmal mulmig geworden?
Nein. Sagen wir so: Jeder macht seine Verhandlungen, und wenn irgendwas schiefläuft, dann kann ich auch zusehen, wie ich es noch mal geradegerückt bekomme. Meine Verhandlungen wurden genauso oft im Jugendgericht verwendet, als Mutmacher, wenn man Kinder als Zeugen hatte. So nach dem Motto: Das kennst du doch aus dem Fernsehen, das ist nicht schwer, die stellt Fragen und dann geht’s los. Man hat das immer so benutzt, wie man es gerade brauchte.
Was glauben Sie denn, was die Zuschauer so daran fasziniert, fiktive Fälle anzuschauen?
Es gibt nur fiktive Fälle, es ist Fernsehen. Und Fernsehen bedeutet zudem: 50 Prozent Strafrecht. Wir haben Rechtsmediziner, wir haben Anwälte, wir haben Gerichte, Anwaltsserien – Kriminalgeschichten hoch und runter. Das ist das, was die Leute interessiert. Das Gute an der Gerichtsshow ist, dass es was anderes ist. Beim Krimi ist es ja so: schießen, schießen, schießen und am Schluss hat man den Täter. Da fange ich ja gerade erst an. Ich frage: War’s der wirklich? Unsere Geschichten werden rückwärts wieder aufgerollt. Das ist das entscheidende: Wie sehen Richter das, wie sieht es ein Staatsanwalt, wie arbeitet ein Verteidiger? Wie bewerten die das. Und zwar als Profis. Echte Profis. Das ist interessanter.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin